Der Blick zu den Sternen lässt uns gedanklich in die Vergangenheit des Kosmos wandern. Doch stößt das bloße Auge rasch an seine Grenzen. Vom ersten Teleskop bis zu modernsten Spähern im All, wir haben viele Möglichkeiten ersonnen, um tief ins All zu blicken.
Unser neuestes Auge inmitten der Sterne ist das James Webb Space Teleskop (meist JWST oder oft auch nur Webb genannt). Wir möchten euch 15 Aufnahmen (13 Fotos sowie zwei Grafiken) vorstellen, die den Beginn eines neuen Zeitalters der Astronomie nahelegen.
Dabei besuchen wir die Giganten unseres Sonnensystems, vergleichen Webbs und Hubbles Fähigkeiten, erleben wahrlich galaktische Zusammenarbeit und suchen nach Leben auf Exoplaneten.
Grundsätzliches zum James Webb Space Teleskop
Wer das Webb bereits wie sein Schweizer Taschenmesser kennt, der klickt einfach hier, um zum ersten Bild zu gelangen. Vorab fassen wir ab hier das Wichtigste zum (Stand Mai 2024) neuesten Weltraumteleskop zusammen. Wer noch mehr Details zum seit Mitte 2022 aktiven Hochleistungsinstrument wissen möchte, schaut hier:
Das JWST kreist um den sogenannten Lagrange-Punkt L2
etwa 1,5 Millionen km über der Nachtseite der Erde, also stets abgewandt von der Sonne.
Lagrange- oder Librationspunkte sind in System zweier Himmelskörpern die fünf Punkte, an denen sich die gegenseitigen Anziehungskräfte gegenseitig aufheben. Das JWST hält seine relative Position zu Erde/Mond und Sonne quasi von alleine. Es muss nur geringfügig Schub gegeben werden, um dem Strahlungsdruck der Sonne entgegenzuwirken.
Woher kommen diese Sterne in den Aufnahmen? In fast jedem Bild, das ihr hier im Folgenden seht, werdet ihr sechsstrahlige Sterne erkennen - also abseits der echten Sterne. Sie sind das Resultat der Einzelteile, aus der sich der Spiegel des JWST zusammensetzt. Der Hauptspiegel besteht aus 18 solcher Segmente.
Farb-Übersetzung: Keine der Aufnahmen vom JWST ist echt, obschon Fotos aufgenommen werden. Sobald sie für euch natürlich aussehen, wurde getrickst. Klingt seltsam, aber dieser augenscheinliche Widerspruch lässt sich leicht erklären:
Das JWST nimmt für unsere Augen unsichtbare Frequenzen des Lichts auf. Damit daraus verständliche Fotos werden, müssen die Frequenzen quasi in den für uns erkennbaren Bereich übersetzt werden.
Die Instrumente des JWST:
- NIRCam (Near Infrared Cam) Wellenlängen-Bereich von 0,6 bis 5 Mikrometer (ein Millionstel Meter).
- MIRI (Mid Infrared Instrument) mittlerer Infrarotbereich mit Wellenlängen von 5 bis 28,3 Mikrometer.
- NIRSpec (Near Infrared Spectrograph) und NIRSS (Fine Guidance System/Near-Infrared Imager and Slitless Spectrograph) für die Spektroskopie.
Was ist Spektroskopie? Spektroskopie ist in diesem Fall die Zerlegung von für den Menschen sichtbarem Licht sowie Infrarotstrahlung nach bestimmten Eigenschaften, etwa der Wellenlänge. Die Verteilung wird Spektrum genannt. Anhand der Intensitätsverteilung können zum Beispiel Moleküle nachgewiesen und so die Zusammensetzung der Atmosphäre von beispielsweise Exoplaneten bestimmt werden.
Was unterscheidet das JWST von Hubble? Hubble und JWST ergänzen sich prima. Denn wo Hubble seinen Fähigkeitsschwerpunkt im sichtbaren Licht hat, mit einiger Kapazität im Infrarot- und Ultraviolettbereich, glänzt das JWST bei der langwelligen Strahlung. Es übertrifft in Sachen Auflösung und Bandbreite an abgedeckten Frequenzen in diesem Bereich alles bisher Dagewesene.
Deshalb verspricht sich die wissenschaftliche Gemeinschaft vor allem in zwei Feldern Großes - und das JWST hat auch schon geliefert:
- die Beobachtung besonders weit entfernter (ergo unermesslich alter) Objekte
- die Analyse der Atmosphären von Exoplaneten
Auf die Frequenzen kommt es an
1. Blick durch den Staub: Anhand des Direktvergleiches von Hubble- und Webb-Aufnahmen ist zum einen die höhere Auflösung vieler Webb-Fotos sowie der alternative Frequenzbereich gut zu erkennen.
Denn Webb blickt buchstäblich durch Dunst und Staub hindurch, da die Infrarotstrahlung hiervon weniger absorbiert wird als das sichtbare Licht, auf welches sich Hubble fokussiert.
2. Vielfalt im Infraroten: Links ist das Bild eines sterbenden Sternes und seine abgestoßenen Schalen durch Webb’s NIRCam zu sehen. Rechts der mittlere Infrarotbereich. Je nach Interessengebiet der Forscher, vermag Webb spezifisch und rasch hochaufgelöste Daten zu sammeln.
3. Webbs Gesellenstück: Webb hat diese Aufnahme (links: mid-infra, rechts: near-infra) des sogenannten Deep-Fields innerhalb eines Tages aufgenommen.
Hubble braucht für solch ein Werk mehrere Wochen. Obendrein reicht Webbs Blick weit zurück, einige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall in die Kindheit unseres Universums.
4/5. Spiralgalaxien NGC 1512 und 1300: Zwei weitere Beispiele für wie unterschiedlich Webb und Hubble aufnehmen. In Hubbles Versionen fügen sich die Gase friedlich ins Bild. Webb reißt sie als brennende Wolken optisch in den Vordergrund. Warum? Sie leuchten im infraroten Spektrum.
6. Die Säulen der Schöpfung: Im Teaserbild dienen sie als atemberaubender Hintergrund für das JWST. Anhand dieser Aufnahme könnt ihr erkennen, wie die Säulen der Schöpfung aussehen, wenn Aufnahmen von zwei Webb-Instrumenten kombiniert werden, in diesem Fall NIRCam and MIRI (Teaser nur letzteres).
Was ihr hier seht, ist rund 6.500 Lichtjahre entfernt und fürs bloße Auge unsichtbar.
Bild eines Quartetts: Zusammenarbeit bringt Farbe
7. Supernova Cassiopeia A: Die Überbleibsel der Supernova Cassiopeia A geben ein prächtiges Fotomotiv ab - die richtigen Kameras vorausgesetzt. Dank des durch Webb enorm verbreiterten Frequenzbereich kam durch die Kombination mit Aufnahmen älterer Kollegen dieses wahrlich überirdische Bild zustande. Im Einsatz waren:
- NASA’s Chandra X-ray Observatory (kurze Wellenbereiche)
- James Webb Space Telescope (lange Wellenbereiche)
- Hubble (mittlere Wellenbereiche)
- NASA’s Spitzer Space Telescope (kurze Wellenbereiche)
Die Geburt neuer Sterne
8. Geburtsstakel eines neuen Sternes: Im infraroten Spektrum brennt die galaktische Umgebung vor beleuchteten Gasen geradezu. Im schmalen schwarze Balken in der Mitte hält sich der Urheber versteckt: ein Protostern. Aus der wirblenden Scheibe aus Gasen wird dereinst ein neues System rund um den neugeborenen Stern werden.
Das JWST macht die Auswirkungen sichtbar und wir können so einiges über die einstige Entstehung unserer Heimat lernen.
9. Viel los im Orion-Nebel: Hier können WIssenschaftler dank des Webb die ganze Vielfalt an Prozessen in aktiven Regionen des Waltalls beobachten. Was Gase, junge Sterne und deren Strahlung hier optisch wie chemisch aufs galaktische Parkett werfen, ist wahrlich spektakulär.
Die Suche nach Leben: Spähen durch Atmosphären
Reichlich Hoffnung schürt das JWST bei Wissenschaftlern im Feld der Exoplaneten. Und es wird seinen Vorschusslorbeeren gerecht. Noch haben wir kein neues Leben gefunden, aber wenn es ein Werkzeug in den kommenden Jahren schafft, dann wohl das Webb:
10. K2-18 b: Etwa 2,4-mal so groß und rund 9-mal so schwer erregt K2-18b seit einiger Zeit das Interesse der wissenschaftlichen Gemeinde. Daten vom JWST deuten auf die potenzielle Existenz von Biomarkern in der Atmosphäre des ungefähr 124 Lichtjahre entfernten Exoplaneten hin.
Allerdings wird darüber noch gestritten. Neueste Analyse sollen 2024/2025 vorliegen, die die Spektren von einer erneuten Webb-Visite zur Grundlage nehmen. Dann könnte das Rätsel, ob K2-18 b tatsächlich in seinem Ozean unter einer dichten Wasserstoff-Atmosphäre Leben beheimatet, gelöst werden.
11. Trappist-1 c: Bei Trappist-1 c hingegen wurde Leben inzwischen ausgeschlossen. Der Planet konnte wahrscheinlich keine Atmosphäre halten und ist wohl als Brocken aus Gestein schutzlos dem erbarmungslosen Bombardement seines Roten Zwergsterns mit Strahlung ausgesetzt.
Zuhause und doch faszinierend: unsere Riesen
12 bis 15. Die äußere Heimat: Ohne zu viele Worte zu verlieren: Webb vermag auch den kosmischen Vorgarten der Erde oder vielmehr unsere Weltraum-Türschwelle zu fotografieren: Jupiter, Neptun, Saturn und Uranus. Die Gasriesen des äußeren Sonnensystems sind faszinierend und schön zugleich.
Was kommt da wohl noch?
Eines ist klar: Das JWST steht am Anfang seiner Schaffenszeit als unser Auge mit scharfem Infrarot-Blick im All. Eine Gewissheit sowie ein Risiko begrenzen seine Lebens-Arbeitszeit:
- Die Treibstoffreserven reichen bestenfalls 20 Jahre, wahrscheinlicher aber weit kürzer. Ausgelegt ist das Projekt auf fünf bis zehn Jahre.
- Nicht garantiert, aber als Risiko allzeit zu beachten sind eventuelle Schäden durch Mikrometeoriten. Kleinere Makel sind so bereits zu beklagen, aber bisher arbeitet Webb sogar minimal angeschlagen noch oberhalb der Missionsanforderungen.
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