Verrückte sind recht normal

Von Sir Hurl · 10. Januar 2010 · Aktualisiert am 19. April 2013 ·
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    Ich sah heute aus dem Fenster und verspürte den Drang, dem vielen Schnee dort draußen einen Besuch abzustatten. Ich zog mich mollig warm an stopfte mir die Ohrstöpsel meines MP3 Players in die Ohren, stülpte meine Mütze auf meinen Kopf und los ging´s. Während ich so durch die hell erleuchtete Einkaufstraße des Städtchens, in dem ich wohne, schlenderte, träumte ich vor mich her und lauschte der Musik.
    Plötzlich sprach mich ein kleiner, dennoch stämmiger Mann an. Er trug einen ungepflegten Bart und seine Hände waren schmutzig. Eindeutig hatte er längere Zeit kein vernünftiges Bad mehr gehabt.. womöglich auch kein Dach über dem Kopf. Er sah, dass ich eine Zigarillo rauchte und bat mich um eine.
    Normalerweise ignoriere ich Bettler aber heute hatte ich einen guten Tag. Ich zog meine Schachtel aus der Manteltasche und gab ihm zwei meiner Zigarillos. Er bedankte sich höflich und wir marschierten in verschiedene Richtungen weiter.
    Am Ende der Einkaufsmeile kehrte ich um und traf den Mann an einem großen mittelalterlichen Tor. Er hatte sich gerade etwas zu rauchen angezündet und genoss den warmen Qualm, der ihm durch Mund und Nase quoll.
    Ich hielt an und fragte ihn, ob sie schmeckt. Er lächelte und bestätigte, dass sie recht gut schmecken würde. Ich zündete mir auch eine an und er fing an zu plaudern.
    Er sei ein Wachmann und Kriegsveteran aus Saigon und Vietnam.
    Ich musste grinsen und fragte, ob er nicht zu jung sei, um in Vietnam gekämpft zu haben. Ich schätzte ihn auf Ende 30.
    Er stimmte mir zu, ließ sich aber nicht beirren und erzählte weiter. Er sei Drill Sergeant in einer Spezial Einheit. Er sei mit seinem Kontingent hier auf Rundgang. Es fielen bekannte Namen wie "Wildgänse", "GSG9" und weitere aus Spielfilmen bekannte Gruppierungen. Ich hörte ihm zu und fragte ab und zu nach, damit er Details aus seiner Geschichte erzählen konnte.
    Nachdem wir zu ende geraucht hatten, bedankte er sich für das Gespräch, wobei er nach dem Danke auch nicht das "Sir" vergaß.
    Jetzt sitze ich hier in meinem warmen Wohnzimmer, trinke einen heißen Kaffee und denke mir, dass der Mann ziemlich verrückt war und in seiner kleinen, fantastischen Welt lebte.
    Und ich denke darüber nach, wie normal und vernünftig er doch war, wenn ich mir so manche Mitmenschen betrachte, die einem täglich im Internet begegnen. Bekloppte, die ihren Ex-Freundinnen nachstellen. Niveaulose Trottel, die jedem weiblichen Nicknamen in WKW (oder sonst wo) hinterher rennen und mit übelsten Sprüchen versuchen, sich aufzugeilen und sogar noch davon überzeugt sind, dass die Frau es mögen würde, derart belästigt zu werden. Teenies, die unter vier Augen den Mund nicht auf bekommen aber in verschiedensten Foren die Sau herauslassen. Kranke, Gestörte, Notgeile, die nicht zu einem vernünftigen Dialog im Stande sind... die sich nicht die Mühe machen, verständlich zu schreiben und alles gekonnt ignorieren, was sie je im Deutsch Unterricht in der Schule lernten.
    Wenn ihr demnächst auf einen Bettler trefft, dann nehmt euch die Zeit und plaudert ein wenig mit ihm. Raucht mit ihm eine und lasst ihn einfach mal reden. Er wird sich freuen und ihr werdet vielleicht auch erkennen, wie normal Verrückte sein können...

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