Die Diskussion um Videospiele und Gesundheit ist alt, und sie zerfällt oft in zwei Lager. Auf der einen Seite stehen Moralapostel, die Spiele bewerten, als wären sie ungefähr so gesund wie Zigaretten – weniger ist immer besser. Auf der anderen Seite tummeln sich Fans, die ihr Medium leidenschaftlich verteidigen. Beide Seiten sehen die Wissenschaft auf ihrer Seite. Sie hauen sich Studien um die Ohren. Die Sucht nimmt zu? Prima, dann haben wir bald mehr qualifizierte Chirurgen!
Mir geht die Diskussion auf die Nerven, aber sie lässt mich auch nicht kalt. Ich bin selbst betroffen: Spiele haben mich geprägt, ich spiele seit Jahrzehnten. Sie haben mich weder krank noch süchtig gemacht, auch wenn es vielleicht gewisse Haltungs- und Augenschäden gibt. Und wie sich die Schuld daran zwischen Büchern und Bildschirmen aufteilt, kann ich auch nicht sicher sagen. Aber über die Gesundheitsrisiken der Germanistik redet ja keiner.
Die Debatte um mögliche Spiele-Risiken ist uralt. Aber auch über positive Effekte wird bereits seit Jahrzehnten diskutiert. Dass Spiele uns überhaupt gut tun können, wurde anfangs gern an Serious Games aufgehängt. Dr. Kimberly Hieftje ist eine renommierte Expertin zum Thema und Chefredakteurin des Games for Health Journal. Sie sieht den Nutzwert auf ihrem Feld gut belegt:
»Serious Games haben sich als wirksam erwiesen, Wissen zu erweitern, Einstellungen und Überzeugungen zu ändern und Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Gesundheitsförderung und dem Umgang mit Krankheiten zu beeinflussen. Serious Games wurden für eine Vielzahl von Themen eingesetzt, darunter Ernährung, körperliche Aktivität, Verringerung sexueller Risiken, Prävention des Drogenkonsums sowie Behandlung und Förderung der psychischen Gesundheit, um nur einige zu nennen. Es gibt überzeugende Belege dafür, dass Personen, die sich durch das Spielen neue Informationen und Verhaltensweisen aneignen, diese auch im ›echten‹ Leben anwenden können.«
Das klingt super, gilt so aber natürlich nicht für Spiele, die vor allem unterhalten wollen. Wenn ein Spiel gesund sein soll, dann müsse »sichergestellt werden, dass die Spielmechanik die gewünschte Änderung des Gesundheitsverhaltens wirksam fördert«, findet Hieftje.
Wie man die Wirkung von Spielen wissenschaftlich messen kann, damit kennt sich Dr. Manuel Ninaus aus. Er leitet die Arbeitsgruppe »Digitale Technologien und Psychologie« an der Uni Graz und beschäftigt sich dort unter anderem mit den Möglichkeiten von Lernspielen.
Ich habe die beiden zum Thema gesundheitsfördernde Spiele ausgefragt und stelle euch anschließend 15 Titel vor, die einen angeblich körperlich oder geistig fitter werden lassen. Was sagen die Experten dazu?
Mehr oder weniger depressiv
Ninaus kann am Beispiel erklären, warum Wissenschaft und Öffentlichkeit häufig aneinander vorbeireden. Erwartet werden einfache Antworten auf Fragen, die eigentlich kompliziert sind. »Wie gut es einer Person geht« sei eben schon »eine nicht so einfache Frage, wenn ich das klassifizieren möchte.« Für die Beurteilung mentaler Gesundheit werden in der Regel standardisierte Fragebögen eingesetzt. Es gebe nur »selten wirklich gute Indikatoren«, die man auch auf physiologischer Ebene erfassen könne.
Ninaus nennt die Herzfrequenz-Variabilität, die »in Zusammenhang mit mentaler Gesundheit« stehe, oder Messungen der Gehirnaktivität. Letztendlich müsse man »Signale aus unterschiedlichen Sensoren kombinieren«, um zu Aussagen über Effekte von Videospielen zu kommen. Und mit so einem Handwerkzeug zu bestimmen, ob eine Person beispielsweise mehr oder weniger depressiv ist, sei eben »überhaupt nicht trivial.«
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