Bitte kein Film!
Die populärste Form des Spieleinstiegs ist seit Beginn des Grafikzeitalters das filmische Intro – und es bleibt nach wie vor rätselhaft, warum ein interaktives Medium mit so nachdrücklicher Beharrlichkeit darauf besteht, seine Spieler als erste Amtshandlung zum Nichtstun zu verdammen. Nachhaltiges Interesse entspringt aus der Investition zeitlicher, kreativer oder emotionaler Energie. Darum nimmt man am meisten Anteil an Ereignissen, zu denen ein persönlicher Bezug besteht: dem Spielergebnis des Lieblingsvereins, der Ehekrise der Nachbarn. Intros schieben sich wie eine Trennwand zwischen den Spieler und das Spiel, sie verzögern das Loslegen. Da sie allein auf die Mittel des Films zurückgreifen, müssen sie sich an Filmen messen lassen; naturgemäß verlieren viele diesen Vergleich, sie langweilen oder wirken unfreiwillig komisch. Selbst die besten ihrer Art reduzieren ihren Nutzen beinahe ausschließlich auf die Erzeugung von Stimmung. The Witcher beispielsweise eröffnet mit einem ausgezeichnet choreographierten, acht Minuten langen Kampffilm, der keinerlei Bezug zum darauffolgenden Spielauftakt hat. Die optisch wegweisenden Intros der Blizzard-Spiele von Starcraft bis World of Warcraft sind atmosphärische Meisterwerke; umso deutlicher fällt hinterher auf, wie groß die Kluft zwischen der fulminanten Filmgrafik und dem eigentlichen Spiel ist. Vom detailreichen Protoss-Raumschiff schneidet Starcraft auf pixelig-flache Spielfelder, auf die dramatische, rohe Pracht des World of Wacraft-Intros folgt eine kantig-bunte Cartoonwelt. Solche Intros erzeugen im besten Fall eine packende Atmosphäre, die auf das nachfolgende Spiel ausstrahlt und das Eintauchen in die oft wesentlich schematischere Spielgrafik erleichtert. Im schlechtesten Fall unterstreichen sie den Kontrast zwischen dem »So haben wir uns unsere Spielwelt vorgestellt « und dem »So ist unsere Spielwelt in Wirklichkeit – tut uns leid«. Auf den opulent gerenderten Einleitungsfilm folgen dann erst mal Textfenster, die Erzählerstimme, der Mentorcharakter, und das tatsächliche Spiel beginnt als ermüdender Lesevortrag.
Flirt mit dem Spieler
Jeder Anfang ist ein Versprechen und eine Verführung. Der gute Anfang flirtet hemmungslos, er putzt sich heraus, weckt Hoffnung und Neugierde, er enthüllt genau so viel, wie notwendig ist, um das Verborgene umso reizvoller erscheinen zu lassen. Wer sich verliebt hat, der vergibt fast jeden Mangel, und behält seine Hoffnung auf Besserung bis weit über den Anfangsmoment hinaus. Das gilt für jedes zeitintensive Medium, von der Musik über das Buch bis zum Film. Nur bei interaktiven Medien – allen voran Spielen – bekommt der Anfang eine weitere, besonders bedeutsame Aufgabe. Denn er muss dem Spieler gleichzeitig erklären, was er zu tun hat, damit überhaupt etwas passiert. Musik und Filme laufen von allein. Spiele brauchen eine Reaktion, warten auf eine Eingabe – und möglichst eine richtige; sonst geschieht gar nichts, oder zumindest nichts Wünschenswertes. Zum motivierenden »Was passiert als Nächstes?« gesellt sich das »Wie stelle ich es an, dass etwas passiert?« Es verwundert nicht, dass sich Spiele seit Jahrzehnten die Zähne an der Aufgabe ausbeißen, sich selbst prägnant und motivierend zu erklären – umso mehr, je komplexer sie geworden sind. Pädagogik ist nicht die Stärke der Spieldesigner.
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