Mich zu fragen, ob ich The Last of Us oder Fallout mehr mag, ist wie mich zu fragen, ob ich Mama oder Papa mehr lieb habe. Denn beide Spielereihen gehören zu meinen absoluten Lieblingen. Wir leben in einer Welt, in der Spielverfilmungen häufig belächelt werden und es nur selten schaffen, die Brillanz der Videospiele einzufangen. Umso mehr freut es mich, dass beide Reihen eine fantastische Verfilmung bekommen haben!
Beide Serien nehmen ihre Vorbilder ernst, sie ziehen die Vorlage nicht ins Lächerliche. Beide Serien liefern eine Adaption ab, die auf der einen Seite massentauglich ist und auch ein Publikum abholt, das dem Medium »Videospiel« eigentlich gar nichts abgewinnen kann. Auf der anderen Seite laden sie langjährige Fans dazu ein, sich stundenlang in Details zu verlieren.
In einem Punkt unterscheiden sich The Last of Us und Fallout aber gravierend für mich. Als Spielerin und Zuschauerin zugleich habe ich zu Fallout eine deutlich stärkere Bindung. Und das liegt daran, dass ich Lucy, Maximus und Co. noch nicht kenne ... aber irgendwie doch ganz schön vertraut mit ihnen bin.
Achtung: Es folgen Spoiler. Ich gehe auf das Ende von The Last of Us ein. Große inhaltliche Spoiler zu Fallout stecken hier nicht drin, aber wenn ihr wirklich gar nichts vorher wissen wollt, dann schaut lieber zuerst alle acht Folgen und kommt dann zu der Kolumne zurück! In unserer Review könnt ihr in der Zwischenzeit spoilerfrei nachlesen, ob die Serie was für euch wäre:
Nur dabei, statt mittendrin
The Last of Us erzählt in der Serie die tragische Geschichte zweier Charaktere nach, die mir bereits vor Jahren in den Spielen ans Herz gewachsen sind. Hier und da ändert HBO die Story ab, gibt Nebencharakteren etwas mehr Tiefe und ergänzt Ellies und Joels Reise um schöne Momente - bleibt im Kern aber der Vorlage treu. Und genau das ist der Knackpunkt.
Als Spielerin und Fan freue ich mich zwar, dass Ellies und Joels Geschichte eine würdige Adaption mit fantastischen Schauspielern bekommen hat, aber so ganz schafft es die Serie dann am Ende doch nicht, mich abzuholen. Ohne Controller in der Hand ist es einfach nicht dasselbe.
Damit will ich nicht sagen, dass für mich die Verfilmung von Ellies und Joels Geschichte unnötig war. Ganz im Gegenteil: Ich bin froh, dass nun alle in den Genuss einer meiner liebsten Videospiel-Storys kommen können. Aber ich selbst stehe mir als Spielerin beim Anschauen der Serie im Weg.
Als ich Pedro Pascal dabei beobachte, wie er in der letzten Folge verzweifelt durch das Krankenhaus läuft und alle Fireflies umlegt, um Ellie zu befreien, lässt mich das fast schon kalt. Diese Szene im Spiel war es aber, die mich so richtig mitgenommen hat: Joel ist kurz davor, eine sehr dumme Entscheidung zu treffen, und ich unterstütze ihn dabei, fiebere sogar richtig mit. Bei jedem Schuss zieht sich mein Magen zusammen und schon bald kann ich die Tränen nicht mehr zurückhalten.
Ein bisschen fühlt es sich an, als würde die Serie versuchen, meine Erfahrungen und Erlebnisse aus den Spielen zu überschreiben. Unbewusst schirme ich mich ab, klammere mich an meine Erinnerungen und schaffe damit eine Distanz zur Serie, die ich selbst nicht erwartet hätte.
Auch ich bin Teil der Fallout-Serie
Ganz anders sieht es bei Fallout aus. Die Serie verzichtet darauf, uns Charaktere oder eine Story vorzusetzen, die wir bereits aus den Spielen kennen. Stattdessen erweitert es nicht nur das Universum, führt neue Lore-relevante Informationen ein und erlaubt es mir, Einblicke zu gewinnen, die ich bisher aus den Spielen nicht kannte - die Serie hält mir als Spielerin auch einen Spiegel vor und das ist für mich eine der größten Stärken.
Noch nie hat sich für mich eine Spielverfilmung so sehr nach einem Spiel angefühlt. Ich beobachte Lucy dabei, wie sie sich für den Hochzeitsaustausch mit Vault 32 bewirbt und ihre Qualifikationen auflistet - eine clevere Art, die Verteilung ihrer S.P.E.C.I.A.L.-Punkte glaubhaft darzustellen. Und auch für die nächsten Stunden sehe ich sehr viel von mir in Lucy, wenn sie blauäugig durch das Ödland streift, jedem die Hand reichen möchte und an ihren Moralvorstellungen festhält.
Genauso verhalte ich mich nämlich auch, wenn ich meine ersten Schritte aus einem sicheren Vault wage und erstmal lernen muss, wie die die Welt um mich herum funktioniert. Die anderen Charaktere wie Maximus oder Cooper stellt die Serie auch bewusst als überzeichnete Karikatur dar und wirkt auf mich wie eine Präsentation unterschiedlicher Spielstile.
Auch ich schließe mich in meinen Spielverläufen der stählernen Bruderschaft an, nur um dann irgendwann wie Maximus zu merken, dass ich lieber meinen eigenen Zielen folgen möchte (... dass ich dabei die Bruderschaft in die Luft jage, hatte ich so nicht geplant). Oder ich wechsle auf eine aggressivere Spielweise und ballere mich wie Cooper durch die Gegend, ganz nach dem Motto »Erst schießen, dann fragen«.
Aber auch in anderen kleinen Details finde ich immer wieder Verweise auf die Videospiele und damit meine ganz persönlichen Abenteuer, etwa wenn Norm sich mit dem mir so bekannten Minispiel in einen Computer hackt, oder wenn sich jemand einen Stimpak in den Schenkel jagt. Wenn Maximus und Lucy von ihrer »Hauptquest« abkommen und Vault 4 erkunden.
Oder wenn Lucy am Ende vor einer schwierigen Entscheidung steht und wie ich am Ende eines Fallout-Spiels hin und hergerissen ist, weil jede Fraktion valide Argumente vorbringt.
Will sagen: Ich fühle mich als Fan der Spiele wertgeschätzt. Mein Abenteuer und meine Erlebnisse werden nicht überschrieben, sondern erweitert. Ich koexistiere als Vault Dweller in der Welt von Lucy und Co., kann mit ihnen mitfiebern und ihre Lage so viel besser nachvollziehen, weil ich selbst meine Entscheidungen in dieser Welt getroffen habe. Fallout als Serie repräsentiert mich als Spielerin.
Und genau damit katapultiert sich Fallout für mich auf den unangefochtenen ersten Platz der besten Spielverfilmungen aller Zeiten.
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