Computerspiele werden zunehmend internetaffiner. Das beginnt beim aktuellen Boom der Social Games und geht über den anhaltenden Aufwind der Browser- und Clientspiele bis hin zu Vollpreistiteln, die fast alle online gespielt werden können. Darüber hinaus zeigt sich ein Trend zur digitalen Distribution vormals materiell verbreiteter Produkte; der Erfolg von Apples App-Store, Steam und Gamesload demonstriert dies deutlich. Noch einen Schritt weiter gehen Geschäftsmodelle wie das von OnLive, das auf Cloud-Computing und »Gaming on Demand« basiert.
Hinzu kommt, dass die Spieleindustrie den bestehenden und prinzipiell sehr gut funktionierenden materiellen Gebrauchtmarkt kontinuierlich kritisiert. Aus einem so einfachen wie nachvollziehbaren Grund: Sie bekommt von dem großen Kuchen nichts ab. Neuwarenmärkte sind häufig von einem funktionierenden Gebrauchtmarkt abhängig. Beispielsweise konnten vom US-amerikanischen Unternehmen GameStop im Jahr 2009 rund neun Milliarden US-Dollar umgesetzt werden, ein Viertel der Erlöse entstand dabei durch den An-und Verkauf von gebrauchten Computerspielen. Dabei reinvestieren die Spieler den größten Anteil ihrer Verkaufserlöse in neue Titel, zum Vorteil der Spielehersteller.
Wo der klassische Einzelhandel durch den Aufschwung der digitalen Distribution wie ein Auslaufmodell aussieht, stellt sich die Frage: Kann ein Gebrauchtmarkt auch online funktionieren, innerhalb digitaler Distributionsplattformen und auf eine solche Weise, dass auch die Spieleindustrie davon profitiert?
Downloads rosten nicht
Ein Forschungsprojekt an der Technischen Universität Ilmenau hat sich das Ziel gesetzt, ein innovatives Zukunftsszenario für einen Gebrauchtmarkt von digital vertriebenen Spielen zu entwickeln.
Erstes und wichtigstes Merkmal digitaler Güter: Die (technologische) Qualität verändert sich nicht infolge ihres Gebrauchs und unterliegt somit keiner Abnutzung. Können demnach überhaupt gebrauchte Downloadspiele existieren? Die Antwort lautet: Ja. Denn obwohl sich Computerspiele nicht durch physischen Verschleiß auszeichnen, altern sie, weil neuere und technisch bessere Spiele auf den Markt kommen. Spiele, auch in ausschließlich digitaler Form, können also wie ein gewöhnliches Produkt auf einem Gebrauchtmarkt angeboten werden.
Ein Vorteil für die Anbieter digitaler Downloadplattformen ist die Geschlossenheit des jeweiligen Systems. Die Kunden von Steam etwa sind an den Client gebunden, Konsolenbesitzer entsprechend an die Hardware der Hersteller. Dies führt auf Seiten der Spieler zu hohen Wechselkosten und steigert die Kundenbindung. Interessant für die Konzeption eines Gebrauchtmarktes ist die Verknüpfung der Spielekäufe mit dem Konto des Kunden. Durch die Speicherung der Nutzungsrechte erworbener Spiele ist ein erneutes Herunterladen nach der Deinstallation der Software durch den Kunden problemlos möglich. Auf die gleiche Weise könnte garantiert werden, dass ein gebraucht verkauftes Spiel nicht mehr vom ursprünglichen Nutzer gestartet werden kann.
Die Rechtslage
Im deutschen Urheberrecht regelt der Erschöpfungsgrundsatz das generelle Bestehen von Gebrauchtmärkten. Das Verbreitungsrecht gestattet es dem Urheber, das Original oder Kopien seines Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen (§ 17 Abs. 1 UrhG).
Dieses Recht wird durch den Erschöpfungsgrundsatz beschränkt. Er besagt, dass ein Werk weiterverbreitet werden darf (dies umfasst Schenkung und Verkauf), sobald es mit Zustimmung des zur Verbreitung Berechtigten angeboten und in Verkehr gebracht wurde (§ 17 Abs. 2 UrhG). Diese Einschränkung ermöglicht den Verkauf gebrauchter Güter und schafft somit eine rechtliche Grundlage für die Existenz eines Gebrauchtmarktes.
Der Erschöpfungsgrundsatz lässt sich nach Interpretation der Software-Industrie aber nur anwenden, wenn das Werk in körperlicher Form weitergegeben wurde, was nicht auf Download-Spiele zutrifft. Aus diesem Grund versuchen die Urheber solcher Software, den Weiterverkauf zu verbieten. Das dem Erschöpfungsgrundsatz ähnliche Gesetz in den USA ist die »First Sale Doctrine«. Dieser Artikel ist auf alle urheberrechtlich geschützten Werke anwendbar und ermöglicht einem Erwerber die freie Verfügung über das Werk. Dies beinhaltet unter anderem den Weiterverkauf. Im Falle veränderter Vertriebsstrukturen, wie etwa bei der Distribution über das Internet, können Hersteller mithilfe von Lizenz- bzw. Nutzungsverträgen aber verhindern, dass ein Kunde bei dem Kauf eines Werkes dessen Eigentümer wird. Auf diese Weise wird die First Sale Doctrine umgangen, weil sie nur auf Eigentümer eines Werkes anzuwenden ist und den »Käufern« eines Download-Spiels, die dann nur noch Lizenznehmer sind, nicht gestattet, die erworbene Software zu verkaufen. Ein Gebrauchtmarkt digital distribuierter Spiele ist derzeit also rechtlich nicht durchsetzbar und nur mit dem Einverständnis der Rechteinhaber realisierbar.
Technisch ließe sich das An- und Verkaufen digitaler Spiele auf den Online-Plattformen wie Steam und Gamesload bereits durchführen; Nutzerdaten und Informationen über erworbene Spiele werden derzeit bereits auf Servern gespeichert. Auch wenn der Gebrauchtmarkt für digital distribuierte Spiele auf rechtlicher Ebene bisher nicht durchsetzbar ist, wird dessen große Bedeutung für den Absatz neuer Spiele, insbesondere der digitalen Spiele, unverkennbar. So würden durch den Wegfall des Gebrauchtmarktes wie oben beschrieben auch die Umsätze auf dem Neuwarenmarkt schrumpfen, da ein guter Teil an Investitionen in neue Software erst durch den Weiterverkauf gebrauchter Spiele ermöglicht wird. Für Anbieter eines digitalen Gebrauchtmarktes ergeben sich zudem ausgeprägte Vorteile. So ermöglicht die Preis-und Distributionskontrolle eine Kundenbindung an herstellereigene Produkte.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Dein Kommentar wurde nicht gespeichert. Dies kann folgende Ursachen haben:
1. Der Kommentar ist länger als 4000 Zeichen.
2. Du hast versucht, einen Kommentar innerhalb der 10-Sekunden-Schreibsperre zu senden.
3. Dein Kommentar wurde als Spam identifiziert. Bitte beachte unsere Richtlinien zum Erstellen von Kommentaren.
4. Du verfügst nicht über die nötigen Schreibrechte bzw. wurdest gebannt.
Bei Fragen oder Problemen nutze bitte das Kontakt-Formular.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Nur angemeldete Plus-Mitglieder können Plus-Inhalte kommentieren und bewerten.