Seite 2: Godfall im Test: Das neue Anthem

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Crafters Freund und Leid

Unsere Lieblingsitems können wir mit einem recht simplen Crafting-System mehrfach verbessern: Dabei werten wir ein bestehendes Affix auf und basteln ein weiteres dazu. Schön wär's aber, wenn das alles über etwas bessere Menüs laufen würde. So unhandlich hab ich meine Beute schon lange nicht mehr verwaltet.

Godfall ist durchaus großzügig mit Legendarys, aber es wirft mir auch viel Müll hinterher - den kann ich in Crafting-Materialien zerlegen, aber nur… jeden… einzeln. Entweder in der Schmiede, wo ich immer unten rechts auf Zerlegen drücken muss…oder im Inventar, wo es per Rechtsklick geht, aber immer eine kleine Wartezeit hat - und ich muss die Maus trotzdem immer bewegen, weil sie das nächste Item unter dem Cursor nicht automatisch erkennt.

Massenzerlegung haben die Entwickler bereits für einen künftigen Patch versprochen, aber auch sonst sind die Menüs einfach nicht komfortabel. Fast alles braucht mehr Aktionen als nötig und Items sehen sich so ähnlich, dass man sie schwer auseinanderhalten kann.

Allerdings konnten mir diese Details die Freude am Lootsystem nicht verhageln - es macht trotzdem Spaß, in Godfall coole Items zu sammeln und sie im Kampf zu erproben.

Charakterklassen für Arme

Es ist ein anderer Bereich, in dem Godfall sich wirklich ins Bein schießt: Die Rüstungen. Das Spiel kennt nämlich keine Klassen wie Destiny oder Diablo.

Stattdessen sammeln wir 12 sogenannte Valorkürasse - also Rüstungen, die unserer komplettes Aussehen verändern und auf den ersten Blick der Ersatz für traditionelle Klassen zu sein scheinen. Ihr wisst schon, wie in Anthem. Nur… unterscheiden sie sich in Godfall kaum. Jeder Kürass hat eine passive Eigenschaft und eine ultimative Fähigkeit, die wir im Kampf aufladen - und das war's auch schon wieder.

12 Rüstungen können wir uns craften, interessant ist keine einzige. 12 Rüstungen können wir uns craften, interessant ist keine einzige.

Und mehr noch: Diese Fähigkeiten sind fast alle gleich! 12 Rüstungen haben fast alle nur leichte Variationen von drei Grund-Fähigkeiten. Und die sind nicht mal spannend! Die Feuerrüstung gibt uns höhere Verbrennchance und eine Feuernova, die Giftrüstung höhere Giftchance und eine Giftnova, die Blitzrüstung höhere Schockchance und eine Blitznova und… naja, ihr versteht schon, was ich meine. Und es ist nicht mal so, als wäre die Feuernova dann sonderlich spektakulär!

Überhaupt tut sich das Spiel keinen Gefallen damit, dass die Elemente auch noch alle gleich funktionieren: Wasserschaden kann Gegner einfrieren - aber sie werden damit nicht etwa verlangsamt oder sonstwas derlei ausgefallenes, oh nein! Sie verlieren einfach Leben über Zeit, genau wie bei Feuer oder Gift... oder allen anderen Elementen.

Dabei hat Godfall in einem Trailer zumindest mal deutlich diversere Rüstungsfähigkeiten angedeutet: Da sehen wir, wie unser Held Geisterklingen verschießt, im fertigen Spiel gibt's davon keine Spur mehr. Und dieser Trailer erschien 5 Monate vor Release! Es ist das erste Indiz, dass sich das Team mit diesem Spiel genauso übernommen hat wie Bioware mit Anthem damals - ich würde meine Hand dafür ins Feuer legen, dass die Valorkürasse mal deutlich ausgefeilter geplant waren, dafür sind sie im Spiel einfach zu prominent.

Okay, jede Rüstung hat noch unterschiedlich angeordnete Slots für passive Verstärkungs-Runen. Aber sie bräuchten viel mehr große, wirklich spürbare Unterschiede! Verglichen mit den Klassen und Superfähigkeiten eines Destiny sind Godfalls Panzerungen geradezu peinlich - von Diablo ganz zu schweigen. Selbst die vier Rüstungen von Anthem haben mehr Vielfalt als Godfalls 12! Anthem hatte dafür das Problem, dass wir keine davon mit wirklich interessanten Waffen ausrüsten konnten.

Jede Rüstung hat eigene Slots für passive Verstärkungen, die sich je nach Anordnung in diesem Gitter gegenseitig unterstützen. Jede Rüstung hat eigene Slots für passive Verstärkungen, die sich je nach Anordnung in diesem Gitter gegenseitig unterstützen.

Da schlägt sich Godfall wie gesagt besser - aber unterm Strich kommen beide beim gleichen Problem raus: Sie scheitern bei einer essentiellen Hälfte des klassischen Looter-Charaktersystems. Ein solches Spiel braucht starke Items UND Klassen, um genug Kombinationsraum für endlose Experimente zu bieten. Godfall ist wie Destiny oder Diablo mit nur einer Klasse. Für eine Weile macht es trotzdem Spaß, die mit Items und Skills zu verbessern - aber ihr erreicht viel zu früh den Punkt, an dem ihr fast alles gesehen habt und sich euer Spielerlebnis nicht mehr grundlegend verändert.

Missionen für noch Ärmere

Nun könnte man das ja anderweitig zumindest kaschieren, mit abwechslungsreichen Missionen - aber ach. Hier zeigt sich Godfalls stärkste Parallele zu Anthem: Das Gameplay ist auf Dauer unglaublich eintönig. Die beiden Spiele sind sehr ähnlich aufgebaut: Sie haben eine offene Spielwelt, in der wir von unserer Basis aus die nächste Mission ansteuern. Godfalls Gebiete sind für sich kleiner und weniger offen als in Anthem, dafür gibt es drei separate Welten.

Und wirklich fast jede Mission läuft exakt gleich ab: Laufe einen festgelegten Pfad durch eins dieser Gebiete und töte alles auf dem Weg. Es gibt so gut wie nichts, was je von diesem Schema abweicht, und keinerlei größere Nebenaktivitäten. Von irgendwelchen einzigartigen Missionstypen oder Levelmechaniken ganz zu schweigen.

Ebenfalls wie in Anthem könnt ihr das komplette Spiel auch im Koop spielen, wenn auch hier nur zu dritt. Das macht durchaus Laune, zumal das Spiel nach meinem Gefühl ordentlich skaliert: Als ich mit Fritz spielte, der die Hälfte meiner Charakterstufe hatte, fühlte sich trotzdem keiner von uns zu stark oder zu schwach. Allerdings bringt der Koop auch keine echte Abwechslung, denn Godfall hat so gut wie keine Koop-Mechaniken: Wir beleben nicht mal unsere Teamkollegen wieder, man respawnt einfach direkt. Nur ein Banner kann jeder Spieler platzieren, das auch seine Kollegen bufft. Und Godfall hat nicht mal Koop- Matchmaking, wir müssen manuell Freunde einladen. Dafür ist es always online. Hm.

Zusammen mit Koop-Kumpan Fritz rücken wir dieser Medusa auf den Pelz. Zusammen mit Koop-Kumpan Fritz rücken wir dieser Medusa auf den Pelz.

Auf der Suche nach gar nichts

Zur Auflockerung können wir die Welten zwischen den Einsätzen auch frei erkunden. Aber auch hier schneidet sich Godfall eine Scheibe von Anthem ab: Es gibt absolut nichts interessantes zu entdecken. Das höchste der Gefühle ist mal eine Truhe, die Gegner spawnt, oder eine Krabbe mit Schätzen auf dem Rücken. Sowas spawnt in Diablo 3 einfach mal kommentarlos am Wegesrand! Hier ist es eine golden markierte und ganz besondere Entdeckung. Nicht dass es dadurch zumindest lukrative Beute oder sowas gäbe.

Und manchmal finden wir nicht mal das, weil selbst diese Kleinigkeiten nervig gut versteckt sind und Godfall nicht mal eine Karte hat, um die Suche zu erleichtern. Was doppelt schade ist, weil die drei Welten von Godfall teils wunderschön sind: Erdreich, Wasserreich und Luftreich hätten eine fantastische Spielwiese für interessante Entdeckungen und abwechslungsreiche Metzelmissionen sein können, wenn sie nur mehr Inhalt zu bieten hätten.

Eine Krabbe mit einer Schatztruhe auf dem Rücken gehört noch zu den spannendsten Entdeckungen in der Spielwelt. Eine Krabbe mit einer Schatztruhe auf dem Rücken gehört noch zu den spannendsten Entdeckungen in der Spielwelt.

Dabei stört die mangelnde Vielfalt anfangs noch gar nicht so. Es macht ja Spaß, sich von einer Welt in die nächste zu metzeln! Außerdem wartet am Ende fast jeder Mission ein neuer Miniboss, und die sind meistens gelungen designt und es macht Spaß, sich mit ihnen zu messen. Solange wir stetig neue Gebiete und Gegner entdecken, ist es voll ok, dass die Missionen selbst eher Standardkost sind - Lootmetzelei muss ja nicht immer riesig originell sein, um Spaß zu machen.

Recycling ist alles, und alles ist recycelt

Aber je weiter wir kommen, desto stärker fällt auf: Godfall recycelt alles. Bis es euch zu den Ohren rauskommt. Was damit anfängt, dass jeder Akt der gleichen simplen Struktur folgt: In jeder Welt müssen wir einen Endboss erreichen, indem wir genug Missionen absolvieren, um sein Versteck zu öffnen. Aber es gibt vier Endbosse und nur drei Welten - für den vierten müssen wir also einfach alle drei bekannten nochmal abklappern.

Und hier haben wir finde ich endlich den Beweis, dass sich die Entwickler tatsächlich übernommen haben: Vier Bosse, aber nur drei Elementarreiche? Da war doch garantiert mal ein Feuerreich geplant! Und tatsächlich hieß es wohl mal im offiziellen Playstation-Magazin, dass Godfall sogar 5 Reiche haben sollte: Erde, Wasser, Luft, Feuer und Geist. Ein späterer Tweet des Playstation-Accounts erwähnte Geist schon nicht mehr, warb aber immer noch mit Feuer - und das wie bei den Rüstungen noch wenige Monate vor Release! Ein Schelm, wer dabei an die bereits angekündigte erste Erweiterung denkt…

Vier Bosse müssen wir bezwingen, um zu Endboss Macros zu gelangen - und alle schalten wir nach dem gleichen Schema frei. Vier Bosse müssen wir bezwingen, um zu Endboss Macros zu gelangen - und alle schalten wir nach dem gleichen Schema frei.

Die anfangs coolen Minibosse nutzen sich auch zunehmend ab, weil wir im Lauf der 15 Stunden Kampagne fast jeden davon mindestens zweimal sehen - manche sogar noch öfter. Die Entwickler nutzen sogar den lahmsten Trick aus der Bossrecycling-Trickkiste: Nachdem wir den Schwarzflut-Vollstrecker mehrfach allein bekämpft haben, und die Schwarzflut-Bestie ebenfalls alleine, kriegen wir's das nächste Mal eben mit… beiden auf einmal zu tun! Für einen völlig neuen Bosskampf! Yay.

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