Highlight des Jahres 2016 - Dimi: »Nirgendwo sonst habe ich so viel Zeit versenkt«

Was lange währt, wird endlich suchterregend. Dimis Spielehighlight hat ihn 2016 unzählige Stunden gekostet, obwohl es für Außenstehende eigentlich immer nur dasselbe ist.

Dimi ist ein Gentleman. Zumindest in seinem Highlight 2016. Dimi ist ein Gentleman. Zumindest in seinem Highlight 2016.

Mein (großartiger) Mitbewohner Mogan hat es sich zur Gewohnheit gemacht, sich ab und an mit einer Müsli-Schale zu mir zu setzen und mir beim Spielen über die Schulter zu schauen. Und ja, Müsli kann man auch mittags essen. Oder abends. Das ist ja das Tolle am Erwachsenenleben. Meistens haben sich unsere gemeinsamen Zock-Sessions vor dem großen Fernseher auch für ihn gelohnt, schließlich ist Uncharted 4 ein Erlebnis, Assassin's Creed 4: Black Flag eine Augenweide und GTA 5 ein Popkultur-Trip.

Aber ein Spiel macht es ihm immer schwer, lange hocken zu bleiben, weil es definitiv kein Zuschauersport ist: Das neue Hitman. Ich kann Mogan da komplett verstehen. Der arme Kerl muss mir seit Anfang des Jahres zuschauen, wie ich den halben Samstag damit verbringe, immer und immer wieder die gleichen Missionen zu machen. Ich bin Dutzende Male durch die Pariser Modenschau gelaufen, habe jede Ecke des kleinen Küstenstädtchens Sapienza abgeklappert und in Marrakesch diesen elenden Wahrsager mindestens ein Dutzend Mal durch die halbe Stadt in seinen Unterschlupf verfolgt, weil ich seine Verkleidung für ein paar Challenges brauchte.

Und dabei dauert der eigentliche Höhepunkt immer nur wenige Sekunden (wehe, jemand reißt das Zitat aus dem Kontext). Der Augenblick, wenn der Plan aufgeht. Wenn ich fünf Ziele mitten in Marrakesch durch fünf verschiedene Unfälle erledige. Oder in Japan zwei Zielpersonen ausschalte, ohne sie auch nur mit dem Finger zu berühren. Seit der ersten Episode ist Hitman ein Spiel für Planer, für Stealth-Fans, die kreativ und auch ein bisschen verrückt sein wollen, für Perfektionisten, die vor allem den perfekten Hit im Sinn haben, wenn sie wieder und wieder an den Start gehen.

Was beim bloßen Zuschauen nicht ersichtlich wird, ist der soziale Live-Aspekt von Hitman 6: Das Spiel ist zum fortdauernden Hobby geworden, ich abonniere diverse YouTube-Kanäle, die wirklich tolle Walkthroughs posten, ich warte gespannt auf das nächste Update mit neuen Inhalten.

Zur Info: Ich habe dieses Jahr einen regelrechten Testmarathon zu Hitman veranstaltet. Wenn Sie mehr über die einzelnen Episoden wissen wollen, finden Sie in unserer Testrubrik Reviews zu allen Schauplätzen.
Das Intro Pack und Episode 1 im Test: Die ICA-Einrichtung und Paris
Episode 2 im Test: Sapienza
Episode 3 im Test: Marrakesch
Die Bonus-Episoden im Test: The Icon und A House Build on Sand
Episode 4 und 5 im Test: Colorado und Bangkok
Episode 6 im Test: Hokkaido
Test zum Staffelfinale: So gut ist Season 1

Work in Progress

Am Samstagmorgen setze ich mich hin und sage mir: »Okay, Dimi, heute versuchst du mal, beide Zielpersonen in Bangkok mit herunterfallenden Kokosnüssen umzubringen.« Im Anschluss beginnt die aufregende Ausprobiererei, denn das tatsächlich im Spiel vorhandene Kokosnuss-Achievement zeigt mir, dass es irgendwie möglich sein muss, diesen verrückten Hit durchzuführen.

Hitman - Screenshots ansehen

Ja, Hitman ist trotz finalem Release der ersten Season noch kein fertiges Spiel. Im Test habe ich einige Punkte kritisiert, die fachfremden Spielern sauer aufstoßen dürften. Aber trotzdem entpuppt es sichl bei mir persönlich gerade wegen seiner offenen Episoden- und Livestruktur als eines der spannendsten Experimente der letzten Jahre. »Games as a service« ist ein Schlagbegriff, der seit geraumer Zeit in Entwicklerforen herumgeistert - und beim sechsten Abenteuer von Agent 47 sieht man bereits, wohin die Reise gehen könnte.

Die Entwickler haben jüngst erst auf Basis von weitreichendem Community-Feedback die drakonische Abgrenzung zwischen Online- und Offline-Spielständen aufgeweicht und erspielte Gadgets auch im Offline-Modus verfügbar gemacht. IO Interactive dreht konstant und auch über das Staffelfinale hinaus an jedem Rädchen, um das beste Hitman-Spiel aller Zeiten zu gewährleisten - und das, obwohl es nicht mal einen Multiplayer gibt.

Immer nur dasselbe?

Oder um es mal ein wenig persönlicher auszudrücken: Wenn ein offensichtlich repetitives Spiel es schafft, dass ich mich mit meiner begrenzten Freizeit Wochenende für Wochenende, Feierabend für Feierabend in Level stürze, die ich längst abgeschlossen habe, dann macht es irgendetwas verflucht richtig. Der Erfolgsrezept hinter Agent 47 entpuppt sich dabei als verblüffend simpel: In Wahrheit ist es nämlich nicht immer dasselbe.

Auch wenn der Schauplatz und das Ziel (den Gegner töten) nicht wechselt, variiert doch immer die Herangehensweise. Jeder neue Hitman-Anlauf ist ein neues, spannendes Gameplay-Experiment. Ob ich eine Mission klammheimlich, nur in meinem Startanzug und ohne einen einzigen unnötigen Kill bewerkstelligen kann, gehört dabei nur zu den allerersten Schritten im gigantischen Kosmos der »World of Assassins« (so vermarktet Square das Projekt).

Dass man für die wirklich kreativen Herangehensweisen teils eine Stunde Tüftelei, Planung und Vorbereitung in Kauf nehmen muss, macht Hitman natürlich nicht zum attraktivsten Spiel für Zuschauer. Da feuert die Konkurrenz deutlich mehr Bombast über den Bildschirm - aber gerade wegen dieser Subtilität liebe ich das neue Hitman. Es ist ein Spiel für perfektionistische Connaisseure. Oder anders formuliert: Für duldsame Hardliner wie mich, die den ganzen Sonntag damit verbringen, im Terrorcamp von Colorado Sprudelflaschen zu vergiften.

Hitman - Stimmungsvoller Trailer zur Welt des Assassinen Video starten 1:54 Hitman - Stimmungsvoller Trailer zur Welt des Assassinen

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