Neverwinter im Test - Gebührenfreie Dungeons und Drachen

Cryptics Free2Play-MMO Neverwinter schickt Abenteurer auf einen actionlastigen Trip durch Faerûn, der auch gratis richtig Spaß macht, aber letztlich (noch?) nicht das Zeug zum echten Hit hat - wie unser Test zeigt.

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Auf reiche Beute hoffend machen wir uns im finstersten Winkel von Neverwinters Kanalisation an einer Schatztruhe zu schaffen. Plötzlich springt die Kiste auf, doch statt Gold und Edelsteinen blitzen uns rasiermesserscharfe Zähne entgegen, und einen Sekundenbruchteil später stürmt die ganze verdammte Truhe auf uns zu! Oder vielmehr das als Schatzkiste getarnte Monster. Mit schnellem Druck auf die Shift-Taste wehren wir den Bösewicht in letzter Sekunde ab, per rechter Maustaste folgt ein saftiger Schildhieb, den Rest erledigen wir per linker Maustaste mit unserer Hauptwaffe, will heißen: dem Schwert.

Es sind solche Momente, in denen uns Neverwinter so richtig fesselt. Fallen und Monster mit Dungeons & Dragons-Flair (D&D) und ein Kampfsystem, das schnelle Reflexe belohnt und ganz einfach mehr Spaß macht, als dem Avatar bei automatischen Attacken lediglich zuzuschauen und ab und zu einen Hotkey zu drücken. Mit den fordernden taktischen Kämpfen eines Baldur's Gate oder Neverwinter Nights hat dies letztlich nichts zu tun, vielmehr geht's stark in Richtung Guild Wars 2 und Tera.

Open Beta
Bitte beachten Sie: Unser Test basiert auf der offenen Beta von Neverwinter, in der Spieler allerdings – wie im Free2Play-Bereich üblich – bereits Geld ausgeben können. Wir haben uns deshalb entschlossen, dem Spiel bereits jetzt eine Wertung zu geben. Nach dem offiziellen Start werden wir uns Neverwinter selbstverständlich abermals anschauen, schließlich versprechen die Entwickler unter anderem noch auf Deutsch vertonte Dialoge, eine zusätzliche Klasse und ein ausgebautes Talentsystem.

Wo Licht ist, ist auch in Neverwinter Schatten. Denn weit weniger zeitgemäß als das Kampfsystem präsentiert sich die Charakterentwicklung. Die Talentbäume gewähren uns kaum Spielraum für Individualisierung und die derzeit fünf spielbaren Charakterklassen haben jeweils fest vorgeschriebene Rollen, von denen sie keinen Jota abweichen können. Ein Kleriker zum Beispiel, egal ob eher offensiv oder defensiv geskillt, bleibt letztlich immer ein Heiler, der beschützende Kämpfer ist immer ein Tank und so fort. Alleskönner, die je nach Talentverteilung auf Schaden, Heilung oder zum Tank spezialisiert werden können, gibt es in Neverwinter nicht. Da ist die Pen & Paper-Vorlage deutlich flexibler und wurde in Dungeons & Dragons Online vom Entwickler Turbine auch schon mal interessanter, weil flexibler umgesetzt.

Neverwinter - Screenshots ansehen

Auch der Aufbau der Spielwelt erinnert eher an »D&D Light«. Die namensgebende Stadt Neverwinter und deren direkte Umgebung ist in viele kleine, instanzierte Abenteuerzonen aufgeteilt, die Spieler linear abarbeiten. Angesichts des Settings haben wir darauf gehofft, wenigstens einen Teil der Schwertküste als frei begehbare Spielwelt zu erforschen. Stattdessen teleportieren wir uns über eine Landkarte von einer recht überschaubaren Zone zur nächsten, das schadet der Rollenspiel-Atmosphäre ziemlich stark.

Dungeons für alle

Immerhin sind die Areale selbst sehr abwechslungsreich gestaltet. In einem Stadtviertel randalieren die Orks, auf dem Friedhof steigen die Toten aus den Gräbern und vor den Toren der Stadt entführen Dunkelelfen sämtliche Bauern. Eine durchgehende Hintergrundgeschichte führt uns linear vom Tutorial bis ins Endgame und erklärt, warum in Neverwinter das Chaos regiert. Erzählt wird die Handlung überwiegend in NPC-Monologen und gelegentlichen Zwischensequenzen.

Zwar absolvieren wir im Rahmen der Story in jedem Gebiet auch die obligatorischen Kill- und Sammel-Quests, aber jede Zone ist außerdem mit Dungeons gespickt, die es richtig in sich haben. Ausgelöste Fallen lassen Kreissägen aus dem Boden schnellen, beschießen unvorsichtige Abenteurer mit Pfeilen oder spießen sie mit hölzernen Pfählen auf. Wer all den Gefahren trotzt, hat eine Menge zu entdecken. Besonders aufmerksame Spieler stoßen auf Geheimgänge, Öffnungsmechanismen, die durch verborgene Hebel ausgelöst werden oder Wände, die aus purer Illusionsmagie bestehen und ungeahnte Schätze verbergen.

Zwischensequenzen treiben die Story voran und präsentieren extra heftige Bossmonster. Mit dem englischen Client gibt es außerdem stimmige Sprachausgabe, was für noch mehr Atmosphäre sorgt. In der deutschen Version indes herrscht nach dem Tutorial nur noch Grabesstille. Zwar sind die Story-Dungeons mit jeder Klasse auch solo zu schaffen, doch alle Quests lassen sich auch teilen. Und gemeinsam mit Freunden machen die Abenteuer gleich nochmal so viel Spaß. Wer es knackiger mag, meldet sich mit einer Gruppe für ein sogenanntes Gefecht an, in dem es gilt, schnell einige Gegnerwellen umzuhauen, was selten länger als 15 Minuten dauert.

Als bisher letzte und schwierigste Endgame-Instanz bietet Castle Never die fettesten Bosse und die mächtigste Beute im Spiel. Als bisher letzte und schwierigste Endgame-Instanz bietet Castle Never die fettesten Bosse und die mächtigste Beute im Spiel.

Die größte Herausforderung liegt in den Gruppen-Instanzen für fünf Spieler. Etwa mit Level 16 betreten wagemutige Helden den ersten Mehrspieler-Dungeon und nutzen dafür ein komfortables Tool zur Gruppensuche, wie es sich beispielsweise auch in World of Warcraft schon lange etabliert hat. Das fängt ganz harmlos und auch für unerfahrene Spieler einfach genug an. Auf Maximalstufe 60 warten die bisher insgesamt zwölf Dungeons dann im bockschweren »epischen« Modus auf besonders tollkühne Recken und locken mit fetten Belohnungen und Sammelmarken für die beste Ausrüstung im Spiel.

Im von einem Fan gebauten Dungeon The Stockade, bekannt aus WoW, bekämpfen wir »Hoggar«. Im von einem Fan gebauten Dungeon The Stockade, bekannt aus WoW, bekämpfen wir »Hoggar«.

In den Marken liegt allerdings auch die grundlegende Motivation, sich diesen Instanzen überhaupt zu stellen. Denn so abwechslungsreich die Kerker und deren Bewohner in ihrer Optik auch gestaltet sind - mal kämpfen wir in einer Festung gegen Werwölfe, dann auf morschen Hängebrücken gegen untote Piraten und sogar ein paar Drachen - so langweilig und immer gleich ist deren Ablauf. Immer wieder schlägt man sich mit viel zu großen, zähen Trashgruppen herum, um schließlich einem der jeweils drei Bosse pro Dungeon entgegen zu treten.

Die Bosskämpfe sind an Einfallslosigkeit kaum zu übertreffen. Nach und nach beschwört der Endgegner immer mehr Handlanger, bis die Gruppe ihn entweder vernichtet hat oder von den immer neuen Monsterhorden schließlich überrannt wird. Allein die Spezialangriffe, Lebenspunkte und Menge der beschworenen Monster variieren je nach Dungeon etwas, sonst läuft alles immer gleich ab.

Premium-Beute gegen Echtgeld

Sämtlicher Ausrüstung, die ein besiegter Endgegner hinterlässt, kann übrigens im Auktionshaus an andere Spieler verhökert werden. Selbst die epischen Endgame-Set-Rüstungen, die man im Tausch für Dungeon-Marken erhält, sind nicht etwa beim Aufheben an den jeweiligen Charakter gebunden, sondern können frei weiterverkauft werden. Gelegenheitsspieler und Gruppenmuffel freut dies natürlich, weil so wirklich jeder Spieler mit dem nötigen Kleingeld an die beste Ausrüstung kommen kann.

Die Währung für das Auktionshaus, Astrale Diamanten, kann man ganz legal mit echtem Geld kaufen. Pay2Win? Absolut! Vor allem schmälert dies aber das Erfolgserlebnis, wenn man einen mächtigen Drachen erschlägt und sich so mühevoll ein episches Schwert erarbeitet, für das weniger talentierte aber reichere Spieler einfach 20 Euro hinblättern, kann das ganz schön bitter sein. Andererseits lassen sich durch handelbare Endgame-Ausrüstung prima Goodies aus dem ansonsten ausgesprochen teuren Echtgeld-Shop finanzieren. Astrale Diamanten können wir nämlich in Shop-Währung umtauschen und so mit etwas Geduld auch ohne echtes Geld auszugeben an ein episches Reittier (rund 35 Euro) oder Extras wie eine Talent-Neuverteilung (rund 6 Euro) gelangen.

In der Protector’s Enclave kaufen wir lebenswichtige Heiltränke für zukünftige Abenteuer und stellen unseren Charakter zur Schau. In der Protector’s Enclave kaufen wir lebenswichtige Heiltränke für zukünftige Abenteuer und stellen unseren Charakter zur Schau.

etztere gibt es übrigens nur im Shop - wer Punkte falsch verteilt und keine Diamanten farmt oder gegen echtes Geld kauft, hat Pech gehabt. Zumindest an ein Reittier kommt auch, wer keine harten Euros ausgeben möchte. Ein Pferd gibt es ab Level 20 für gerade mal fünf Goldstücke, auch wenn so ein Gold-Klepper nicht ganz so schick aussieht wie ein gepanzerter Reitwolf. Und Gold kauft man nicht gegen Euros, sondern nimmt es erschlagenen Monstern einfach ab. Na wenigstens das!

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