Real Warfare 1242 im Test - Total fail statt Total War

Das mittelalterliche Echtzeit-Strategiespiel Real Warfare 1242 ist ein halbes Total War: halb so umfangreich und halb so gut.

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Real Warfare 1242muss man sich so vorstellen: Man nehme Medieval 2: Total Warund denke sich den kompletten Strategie-Teil weg. Anschließend ersetze man die schlauen Computergegner durch eine bildungsferne KI und stecke das Ganze in eine gähnend langweilige Rahmenhandlung. Als krönenden Abschluss garniere man den Echtzeit-Klon mit so vielen Bloom-Effekten, dass man zum Spielen eine Sonnenbrille braucht.

Fangen wir mit der Rahmenhandlung an. Die müsste eigentlich nicht gähnend langweilig sein, denn der historische Stoff ist wunderbar unverbraucht. Real Warfare 1242 erzählt die Geschichte von Alexander Newski, einem russischen Nationalhelden, der sich im 13. Jahrhundert gegen die mongolische Besatzung auflehnte.

Hier gibt es nix zu sehen: Szene aus der Einführung zur dritten Kampagnen-Mission. Hier gibt es nix zu sehen: Szene aus der Einführung zur dritten Kampagnen-Mission.

Klingt spannend, ist es aber nicht. Statt Blut, Schweiß und Tränen im Braveheart-Stil leiert ein Erzähler vor jedem Szenario der Kampagne ein paar historische Häppchen runter -- und die sind trockener als die mongolische Steppe. Kleine Kostprobe: »Am 7. Februar fiel Vladimir nach fünftägiger Belagerung. Am Ende des Jahres waren auch Suzdal, Yuryev-Polsky, Starodub-am-Klyazma, Gorodets, Kostroma, Galich Mersky, Vologda, Rastov, Yaroslavl, Uglich, Kashin, Ksnyatim, Dmitrov und Volok am Lama niedergebrannt.«

Eine Bindung zur Handlung oder zum Nationalhelden entsteht bei dieser Erzählweise nicht; meist wissen wir ohne Zuhilfenahme eines Atlas nicht mal, wo wir eigentlich gerade kämpfen. Oder warum. Man merkt Real Warfare recht deutlich an, dass es von einem russischen Entwickler mit Augenmerk auf ein russisches Publikum entworfen wurde. Für den durchschnittlichen Mitteleuropäer jedenfalls ist der Wikipedia-Eintrag über Alexander Newski allemal informativer als die historische Kampagne von Real Warfare.

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Einen Sack Flöhe hüten

Apropos Kampagne: Die fällt mit lediglich acht Szenarien verflixt dünn aus. Dass Sie daran trotzdem eine ganze Weile zu knabbern haben, liegt weniger am Umfang als an der dümmlichen KI -- und am happigen Schwierigkeitsgrad. Einzelne Missionsziele sind mitunter so unklar umrissen, dass lediglich stupides Trial-and-Error zum Erfolg führt.

Unsere Kavallerie mischt berittene Bogenschützen auf. Warum die alleine unseren Verbündeten angreifen, bleibt ein Geheimnis der KI. Unsere Kavallerie mischt berittene Bogenschützen auf. Warum die alleine unseren Verbündeten angreifen, bleibt ein Geheimnis der KI.

Erschwert wird das Ganze dadurch, dass Ihre Einheiten schwieriger zu hüten sind als ein Sack Flöhe. So nimmt die Kavallerie gerne mal den denkbar längsten und umständlichsten Weg zum Ziel -- was den sorgfältig geplanten Hinterhalt hinfällig macht -- oder greift unvermittelt und ohne Befehl einen bereits versprengten Gegner an.

Die Szenarien der Kampagne sind relativ stark gescriptet. Will heißen: Wir hangeln uns von einem vorgegebenen Missionsziel zum nächsten. Worin genau unsere Aufgabe dabei besteht, ist nicht immer eindeutig. Mal sollen wir beispielsweise »die Bogenschützen« ausschalten, fragen uns aber ob der zahlreich vorhandenen Auswahl, welche davon denn nun die richtigen sind. Da wir in der Regel hoffnungslos in der Unterzahl sind, ist jeder Fehler tödlich. Zwar dürfen wir zwischen den Einsätzen neue Truppen kaufen und vorhandene aufrüsten, allerdings ist das Klimpergeld spärlich und der Totalverlust einer Einheit im normalen Schwierigkeitsgrad kaum aufzufangen.

Gesteuert werden die Taktik-Schlachten übrigens wie beim großen Vorbild; auch die Aufstellung der Truppen und die Kameraführung erinnert frappierend an die Total-War-Reihe. Was beileibe kein Beinbruch ist, denn beides geht so flott von der Hand.

Deutlich weniger gelungen ist hingegen die Oberfläche. Informationen zu den Einheiten beispielsweise erhalten Sie in einer spartanischen Tabelle, die gerade bei Einsteigern mehr Fragen aufwirft, als sie beantwortet.

Einsame Mehrspieler

Abseits der Kampagne dürfen Sie sich in Einzelgefechten mit 24 historischen Fraktionen wie etwa Florenz, Schweden oder Schottland herumschlagen. Sehr löblich: Der Kartengenerator, der dabei für immer neue und abwechslungsreiche Schlachtfelder sorgt. Gerade im Mehrspielermodus -- bis zu sechs Mitspieler sind möglich -- wäre dieser Generator sinnvoll. »Wäre«, weil in der Mehrspieler-Lobby während unseres Tests gähnende Leere herrschte. In drei Tagen haben wir jedenfalls kein einziges offenes Spiel gesehen.

Der übermäßige Einsatz von Bloom-Effekten taucht die Schlachten buchstäblich in ein märchenhaftes Licht. Der übermäßige Einsatz von Bloom-Effekten taucht die Schlachten buchstäblich in ein märchenhaftes Licht.

Was wir stattdessen vor die Augen bekamen: unglaublich viele Bloom-Effekte. Während die Einheiten und Landschaften durchaus hübsch anzuschauen sind, wirkt Real Warfare 1242 dank des Bloom-Overkills eher wie ein Fantasy- als ein Historienspiel. Richtig gruselig sind übrigens die Animationen -- davon hat jede Einheit gefühlte zwei. Resultat: Die Kämpfe sehen aus, als habe man den Armeen kollektiv einen Stock in den Hintern gesteckt.

Der konsequent durchwachsene Eindruck findet schließlich bei der musikalischen Untermalung seinen Abschluss. Die passt zwar zum historischen Setting, übertönt aber konsequent sowohl den Erzähler als auch das Feedback der eigenen Einheiten. Schade übrigens, denn die deutsche Übersetzung und Vertonung sind ausgezeichnet.

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