Die amerikanische »Entertainment Software Association« (ESA) stellt sich gegen die Entscheidung der Weltgesundheitsorganisation WHO, Videospielsucht in ihren Katalog anerkannter Krankheitsbilder aufzunehmen. Ende des Jahres wurde bekannt, dass die WHO im ersten Entwurf ihres »International Compendium of Diseases« (ICD) auch wiederkehrende Muster von krankhaftem Spieleverhalten, wodurch andere Lebensbereiche vernachlässigt werden, aufgenommen hat. Die ESA gehört zu den wichtigsten und größten Lobbys in der Videospielindustrie und sind Ausrichter der E3.
Im Schreiben an die WHO (via. Gamesindustry.biz) vergleicht die Lobbygruppe Videospiele mit anderen Unterhaltungsmedien und stuft die Entscheidung als leichtsinnig und banalisierend gegenüber ihrer Meinung nach echten psychischen Problemen ein:
"Genau wie ein begeisterter Sportfan und Konsumenten aller Arten von fesselnder Unterhaltung, gehen Gamer leidenschaftlich und hingebungsvoll mit ihrer Zeit um. Videospiele faszinieren seit mehr als vier Dekaden, mehr als zwei Milliarden Menschen rund um den Globus genießen sie.
Die Weltgesundheitsorganisation weiß, dass gesunder Menschenverstand und objektive Recherche ergeben, dass Videospiele nicht suchtgefährdend sind. Ihnen diesen Stempel aufzudrücken, banalisiert leichtsinnig echte psychische Gesundheitsprobleme wie Depression und soziale Angststörung - Krankheiten, die eine Behandlung und die volle Aufmerksamkeit der Medizin verdienen. Wir ermutigen die WHO in aller Deutlichkeit, ihre Entscheidung rückgängig zu machen."
Keine einheitliche Meinung in der Wissenschaft
Nicht zum ersten Mal geht die ESA damit gegen offizielle Institutionen in die Offensive. In der Vergangenheit widersprachen sie immer wieder Berichten, dass Videospielgewalt und reale Gewalt zusammenhängen. Wie auch die Gewaltfrage, ist auch Spielesucht in der Wissenschaft Gegenstand vieler Diskussionen.
So hat die »American Psychological Association« nach dem Urteil der WHO ebenfalls die Anerkennung von Spielesucht bezweifelt. Symptome und Kriterien seien bisher noch nicht richtig erforscht und eine solche Einstufung als echte Krankheit käme zu früh. Ihre Kollegen der »Amercian Psychiatric Association« sehen schon seit 2013 »Internet Gaming Discorder« als eine mögliche Krankheit, die noch weiterer Forschung bedarf, bevor sie formal anerkannt werden kann. Ihr Krankheitsbild bezieht sich jedoch nur auf Aktivitäten in Online-Spielen.
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Auch der Psychologie-Professor Christopher Ferguson sieht die WHO-Entscheidung in einem Beitrag für die Huffington Post kritisch und befürchtet, dass enthusiastisches Spielen sofort als krankhaft bezeichnet werden könnte. Der Wissenschafts-Journalist Mark Zastrow fasst in seinem Artikel die verschiedenen Ansichten zusammen und kommt zu dem Schluss, dass sowohl Millionen Menschen geholfen als auch ein neues Stigma geboren werden könnte.
WHO-Entscheidung noch nicht final
Bei aller Diskussion hat sich die WHO aber noch nicht endgültig entschieden, Spielesucht auch wirklich in ihren Katalog aufzunehmen. Bisher findet man »Gaming Disorder« nur in im ersten Entwurf des ICD. Mitte 2018 wird die finale Fassung erwartet. Bis dahin könnte die Weltgesundheitsorganisation ihre Meinung noch ändern.
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