Morituri iacta carpe bono, non vici mundus iustitia!« Bevor Sie jetzt Ihre Lateinkenntnisse ausgraben und an diesem Zitat verzweifeln: Wir haben es willkürlich aus römischen Sprichwörtern zusammengewürfelt - sozusagen Rome's Greatest Hits. Aber weil gefühlt jeder zweite Rome 2-Artikel mit einem Zitat beginnt, wollten wir halt auch mal mit unserem Großen Latinum protzen. Eines zeigt der selbstgebastelte Ausspruch allemal: Dass uns das römische »Weltreich« bis heute prägt - nicht nur in Lateinstunden und als Erfinder dekadenter Bunga-Bunga-Gelage, sondern auch in
Rechtsprechung, Architektur, Sprache. Und natürlich in Spielen: Dutzende davon, vor allem Strategietitel, drehen sich um die Ewige Stadt - und da sind knubbelnasige Siedler nicht mal mitgerechnet. Auch Creative Assembly, der Schöpfer der Total War-Reihe, knöpft sich die legendäre Großmacht schon zum zweiten Mal vor: Rome 2 beerbt das erste Rome, dem wir in der Ausgabe 11/2004, also vor genau neun Jahren, 89 Punkte verliehen haben.
Doch wer da glaubt, dass die Römermesse längst gelesen und der Nachfolger in jedem Fall besser ein müsse - nun ja, dem antworten wir mit einem echten Zitat: »Errare humanum est.« Und das sollte sich vor allem die KI mal hinter die Ohren schreiben, denn die kann sich hinter diesem Spruch ja gerade nicht verstecken; schließlich heißt es »Irren ist menschlich« und nicht »Irren ist maschinlich.«
Michael Trier (Chefredakteur GameStar) zur Abwertung: Total War: Rome 2 ist ein Koloss von einem Spiel, eine Strategie-Erfahrung, die sich im Verlauf dieser ganz besonderen Beziehung zwischen dem Spieler und seinem Spiel auf vielfältige Weise ändert, wächst, zu immer neuen Erfahrungen führt. Mit jedem Neustart, mit jeder neuen Fraktion – und oft sogar beim zweiten Welteroberungsversuch mit dem gleichen Volk – passiert etwas völlig Neues, Unvorhergesehenes, oft Wundervolles – oder auch Schreckliches. So wurden zwar unsere Eroberungsfeldzüge von Anfang an von den Total-War-üblichen KI-Patzern begleitet, alles in allem lief der erste Durchgang mit der Testversion nach etwa einer Woche Spielzeit aber relativ glatt.
Als sich dann im Dauertest mit mehreren Versionen und parallel spielenden Testern die Fehler allerdings nicht nur häuften, sondern sich in manchen Partien zu komplett absurden, teils reproduzierbaren Situationen summierten, haben wird das ganze Testverfahren um Rome 2 neu aufgerollt, haben die erratische KI, die nicht komplett durchdachten Spielsysteme und das verschlimmbesserte Interface immer und immer wieder analysiert und sind zu dem Schluss gekommen: Unsere anfängliche Wertung von 89 Punkten war zu hoch. Die Mängel, die Rome 2 im Langzeittest offenbarte, rechtfertigen keine Wertung an der Schwelle zur 90. Vielmehr muss Rome für eine Wertung in den hohen 80ern oder gar für einen Platin-Award (ab 90) gehörig nachlegen. Was genau zur neuen Wertung geführt hat, lesen Sie natürlich im Test.
Steam-Pflicht
Rome 2 nutzt Valves Online-Plattform Steam. Sie müssen dort ein Benutzerkonto anlegen und das Spiel damit verknüpfen. Danach lässt sich das Taktikspiel nicht mehr weiterverkaufen.
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Antiker Weltkrieg
Das soll allerdings nicht heißen, dass Rome 2 ein schlechtes Spiel ist, im Gegenteil: Creative Assembly hat es schon immer verstanden, Geschichte höchst unterhaltsam zu inszenieren, ohne in Langeweile und Zahlenkolonnen zu versauern. Die grundlegende Spielmechanik ist zwar in jedem Total War gleich: Truppen ausheben und rundenweise verschieben, Echtzeit-Schlachten schlagen, Städte und Regionen ausbauen und verwalten, forschen und so weiter.
Doch anders als etwa in der Civilization-Reihe ist das Spielgefühl hier immer anders, weil jedes Total War die Besonderheiten seiner Epoche glaubwürdig einfängt. Das feudale Medieval 2etwa fühlt sich ganz anders an als das Schießpulver-geprägte Empire. Und noch etwas kriegt Creative Assembly jedes Mal hin: die KI zu versauen. Aber dazu kommen wir später, wir wollen ja nicht gleich meckern - schließlich hat Rome 2 auch herausragende Stärken.
Im antiken Epos steckt nämlich mehr Vielfalt als in einem Second-Hand-Laden, denn traditionsgemäß genießt jede der neun spielbaren Fraktionen (zu denen per DLC noch drei griechische Stadtstaaten stoßen) individuelle Vorteile, steht aber auch vor individuellen Herausforderungen - in den im Artikel verteilten »So spielt sich«-Kästen stellen wir vier exemplarische Völker vor. Die Kampagne beginnt stets im Jahr 272 v. Chr., bis 48 n. Chr. muss man alle Ziele erfüllt haben, darf dann aber auch noch weiterspielen.
Pro Runde vergeht ein Jahr, insgesamt dauert der Feldzug also bereits ohne Nachspielzeit 300 Runden und damit locker 30 Stunden - wohlgemerkt pro Fraktion. Schade nur, dass aufgrund der »Ein Jahr pro Zug«-Regel die Jahreszeiten des ersten Rome entfallen, die mit zufrierenden Alpenpässen und Winterschlachten noch mehr Tiefgang hätten bringen können. Nun ist Germanien eben immer verschneit und Italien immer sonnig - wenigstens müssen Armeen, die durch Frostpässe, Sümpfe oder Wüsten marschieren, mit Verschleiß rechnen.
Martin Deppe: So spielt sich Rom
+ sehr viele strategische Möglichkeiten
+ starke Infanterie
+ Kulturbonus
- von Feinden umgeben
So viele Möglichkeiten, so viele Gefahren! Wegen meiner geographischen Ausgangslage bin ich als Römer nirgends sicher – ich habe schlicht kein Hinterland, mein Stiefel ist von See her überall angreifbar, und diese Barbaren im Norden verbreiten auch keine Kuschel-Atmosphäre.
Noch schlimmer: Im Osten stellen die Griechen eine starke Fraktion, mit Boni auf Seefahrt und Forschung – die Hellenen habe ich deshalb mit Handelsabkommen beruhigt.
Überraschend schwach hingegen sind meine Erzfeinde: Karthago habe ich fast nebenbei von Sizilien aus erobert, weil seine Hauptarmee gerade irgendwelche Afrikaner überfallen musste. Nach rund 50 Spielrunden war mein Stiefel also relativ sicher: Sizilien und Sardinien erobert, die Etrusker auf Korsika vernichtet, Karthago besiegt, mehrere Schlachten gegen die Libyer und Neu-Karthager gewonnen, die Flotte auf Vordermann gebracht, Durchmarschrechte durch die nördlichen Nachbarprovinzen. Momentan erobere ich Nordafrikas Küstenregion, quasi 2.165 Jahre vor Rommel und Montgomery. Als nächstes ist der barbarische Norden dran – nur um den Teutoburger Wald werde ich einen grooooßen Bogen schlagen...
Kleine Pizzen backen
Zum Beginn wirft uns Rome 2 nicht einfach in ein Weltreich, das wir vor lauter Provinzen und Armeen gar nicht überblicken können. Stattdessen backen wir selbst als Römer anfangs kleine Pizzen und starten mit nur sechs Städten, Rom inklusive. Das ist gerade mal der Mittelteil plus Absatz des italienischen Stiefels - daraus soll mal ein Imperium werden, das 389 echte Jahre später den gesamten Mittelmeerraum, Westeuropa bis rauf nach England und den Osten bis nach Armenien und den heutigen Irak umfasst?
Das ist durchaus möglich, aber wir können die Geschichte auch umschreiben, als Karthager die Römer schlagen, als östlicher Parther mit unseren schwergepanzerten Kataphrakten-Reitern den Westen überrollen, als Suebe die germanischen Stämme vereinigen. Denn Rome 2 schafft den Spagat zwischen einer Art »Open World« und einzelnen Missionen, die wir erfüllen können, aber nicht müssen.
Dabei hat jedes Volk unterschiedliche Zielvorgaben. Karthago etwa soll unter anderem 110 Militäreinheiten unter seinen Fittichen haben, davon 40 Marine- sowie 30 Söldnereinheiten, und 60 Hafenstädte halten. Rom hingegen muss 140 Einheiten sammeln, davon 40 Seestreitkräfte, und insgesamt 140 Siedlungen erobern. Außerdem gibt's für jede Nation Vorgaben, welche Landstriche sie besetzen muss - und die haben sich gewaschen. Denn Rom zu erobern bedeutet für die weit im Osten startenden Parther einen halben Weltkrieg.
Gerade das macht den großen Reiz von Rome 2 aus: Es setzt nicht wie etwa Europa Universalis 4 auf Hunderte Nationen, die sich zum großen Teil ähnlich oder völlig chancenlos spielen. Sondern auf lediglich neun (mit DLC zwölf) handverlesene, dafür besonders interessante Fraktionen. Was nicht heißt, dass es Rome 2 an Völkern fehlt: In den 183 Regionen der antiken Spielwelt siedeln insgesamt 117 Fraktionen.
Viele davon sind aber Statisten mit nur einer einzigen Stadt und kleinen Armeen, trotzdem wirkt die Spielwelt ungeheuer lebendig. Allerdings verlängert die Vielfalt auch die Zugberechnung: Wer die Runde beendet, wartet schon mal drei Minuten lang auf die anderen Völker - und zwar selbst dann, wenn Rome 2 per Menübefehl gezwungen, nicht alle Einheitenbewegungen zeigt.
Kriege gegen Kinder
Entsprechend viele Möglichkeiten stehen uns offen, Beispiel Rom: Wir können anfangs dem Missionsziel folgen und die Stiefelspitze samt der beiden sizilianischen Städte erobern - das bringt uns nicht nur einen Batzen Dinare als Belohnung, sondern macht unsere zweite Provinz komplett. Denn neuerdings bilden bis zu vier einzelne Städte so einen Landstrich, und wer alle Siedlungen besitzt, profitiert von Vorteilen: Wir können Edikte erlassen, etwa »Brot und Spiele«, was provinzweit die Nahrungsversorgung und Stimmung hebt - kennt man ja.
Auch der Ausbau einer einzelnen Stadt bringt der ganzen Provinz Vorteile: Wenn wir in A eine Reiterei-Kaserne errichten, dürfen B, C und D ebenfalls Reiter ausheben - solange dort ein General campiert, denn nur noch Befehlshaber dürfen Truppen rekrutieren. Einzelne Divisionen lassen sich nicht mehr über die Karte bewegen. Das Provinzprinzip hört sich nach viel Verwaltungskram an, macht aber spielerisch viel her, weil wir wie in einem Quartettspiel unbedingt alle Siedlungen haben wollen.
Dadurch wird man auch mal unvernünftig und schnappt sich Städte, nur um die Provinz zu komplettieren - und stößt dadurch gerne mal in Hornissennester. Denn just die fehlende vierte Stadt gehört vielleicht zu einem Reich, das mit zwei weiteren Fraktionen verbündet ist. Schwupps, schon hat man drei potentiell tödliche Hornissenschwärme im Nacken. Denken wir zumindest, als wir mit den Römern die letzte Stadt auf Sizilien erobern - denn die gehört zu Karthago, das wiederum mit Libyen und Neu-Karthago verbündet ist.
Tatsächlich schwärmen mehrere wütende Flotten von der afrikanischen Metropole in unsere Richtung, als Karthago am Zug ist. Doch der gefürchtete Hornissenschwarm entpuppt sich allenfalls als harmlose Mückenplage: Die dämliche Feind-KI hat tatsächlich mehrere Winzflotten aufgeboten, statt ihre Schiffe und Bodentruppen zu einer mächtigen Armada zusammenzuziehen. Teilweise paddeln gar einzelne Generäle auf unsere Stiefelküste zu!
Eine Runde später haben wir die meisten »Flotten« versenkt, doch die afrikanischen Völker geben nicht auf: Immer wieder blockieren sie unsere Hafenstädte, was clever ist - aber nicht, wenn sie wieder nur mit einer winzigen Flotte antanzen. Nur selten erleben wir, dass mehrere große Flotten gemeinsam eine unserer Städte belagern - nur um auseinanderzustieben, als wir mit einer (deutlich schwächeren!) Entsatz-Armee angerudert kommen. Das strategische KI-Verhalten erinnert uns an Kleinkinder, die geschickt ein, zwei Bonbons mopsen - aber sich nicht an die komplette Dose trauen. Nie haben wir das Gefühl, gegen eine Fraktion anzutreten, die selber eine Weltmacht werden will.
Noch schlimmer: Weil sie ihre Armeen zu weit verstreuen und ihre Städte unzureichend schützen, werden selbst Großreiche wie Rom oder Karthago im Verlauf einer Partie gerne mal von kleineren Nachbarn vernichtet, noch bevor wir sie - etwa als Germane oder Parther - überhaupt zu Gesicht bekommen. Wer sich auf einen Showdown gegen das mächtige Rom freut, auf dem Stiefel aber nur zersplitterte Griechenvölkchen trifft, dürfte erst mal ein lateinisches »cacata Roma« murmeln. Nein, das übersetzen wir nicht.
Unterm Strich scheint die KI von Rome 2 kaum in der Lage zu sein, ihr Reich zusammenzuhalten - und zwar auf allen Schwierigkeitsgraden. Selbst auf der höchsten der fünf Stufen stoßen wir zwar auf stärkere Feindarmeen, die aber immer noch wie Kinder herumgondeln, nur halt mit mehr Muckis. Gut, manchmal schaffen es die Feinde, mehrere Armeen zu versammeln und gezielt eine unserer unbewachten Städte zu überfallen - eine der wenigen KI-Sternstunden.
Dennoch fehlt Rome 2 über weite Strecken der spielerische Anspruch, Eroberungsfeldzüge fallen zu leicht. Wenigstens haben wir es wegen der vielen Fraktionen teils mit sehr vielen Kindern auf einmal zu tun - und vier oder fünf aggressive Blagen sind dann doch eine Bedrohung für unsere Bonbondose.
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