Weder neu noch mit Perwoll gewaschen
Die Kampagne hat sich also leider nur von »taugt nicht mal als Tutorial« zu »taugt als Tutorial« verbessert - aber das interessiert den Wargame-Profi nicht weiter. Denn wie bei Battlefield im Shooter-Genre ist der Einzelspieler nur Beiwerk, der wahre Star ist der Mehrspielerteil.
Der bietet auf dem ersten Blick keine wahnsinnigen Neuerungen: Noch immer kämpfen Spieler in 1-gegen-1 bis 10-gegen-10 Matches in den Modi »Zerstörung«, »Eroberung« und »Ressourcen«. Ersterer ist die Taktikvariante von Team-Deathmatch: Jede zerstörte Einheit gibt uns so viele Punkte, wie sie den Gegner beim Kauf gekostet hat. Ab einem gewissen Verlustlimit ist die Runde vorbei. In Eroberung müssen wir die Mehrzahl der strategischen Orte auf der Karte halten, um langsam Siegpunkte zu bekommen. In Ressourcen wiederum sind unsere Aufstellungspunkte auch die Siegpunkte, jede gekaufte Einheit reduziert unsere Punktezahl also und wir müssen spätestens zum Partieende hamstern.
Im Grunde sind das alles solide und spannende Modi, allerdings sind sie bereits aus dem direkten Vorgänger bekannt - ein spannender neuer Multiplayermodus hätte Wargame: Red Dragon als Alleinstellungsmerkmal gut getan. Die drei Spielmodi wurden zudem auch nicht überarbeitet, was besonders Zerstörung gut getan hätte: Hier stehen sich beide Teams wie im Vorgänger im Grabenkampf gegenüber, sobald die Fronten im ersten Rush abgesteckt wurden. Schließlich sind Angriffe deutlich kostspieliger als die Verteidigung von Sektoren, und im momentanen Zustand ist Zerstörung eine reine Bilanzrechnung - wer schafft die geringeren Verluste. Wargame-Profis greifen deshalb weiterhin besser zu Eroberung in Multiplayer-Partien.
Der Multiplayer geht baden
Die Multiplayer-Neuerungen von Wargame: Red Dragon halten sich also eher auf Addon-Niveau: Neue Karten und Nationen aus Südostasien, neue Einheiten und eine neue Waffengattung. Die frisch dazu gekommene Marine ist das Herzstück der Änderungsliste von Red Dragon und liefert nun die gesamte Taktikbandbreite: Gefechte zu Land, zu Luft und zu Wasser. Dabei kommen nicht nur Zerstörer, Fregatten und Korvetten auf den Weltmeeren zum Einsatz, sondern auch kleine Kanonenboote für Flüsse, Landungsboote und Amphibientransporter mit konventionellen Truppen sowie Angriffsflugzeuge und Helikopter, die Anti-Schiffs-Raketen geladen haben.
Eigentlich sollten Seestreitkräfte bereits früh in der Beta verfügbar sein, tatsächlich wurden sie aber erst eine Woche vor Release zum Testen veröffentlicht. Unser Bauchgefühl aus der Beta-Preview hat sich bewahrheitet: Die Balance für Schiffe ist momentan in einem miserablen Zustand. Statt taktischer Finesse gewinnt der »Blob«, also wer die größere Menge Schiffe auf einen Punkt zusammenbringen kann. Das trifft auch auf Flugzeuge und Helikopter zu. Statt diese fragilen Einheiten vorsichtig einzusetzen, werfen wir alle Jagdbomber aufs Feld und lassen sie ihre Raketen gleichzeitig abfeuern, irgendwas wird schon treffen.
Und: Momentan ist die sowjetische Flotte der amerikanischen überlegen. Das steht nicht nur im Gegensatz zum Anspruch an ein Hardcore-Echtzeit-Taktikspiel, sondern auch zur restlichen Balance von Red Dragon. Denn die aus AirLand Battle bekannten Luft- und Bodenschlachten sind nicht perfekt, aber für über 1.000 Einheiten und 17 Nationen ordentlich austariert. Kein Wunder also, dass Wargame-Profis momentan einen Bogen um die Seestreitkräfte machen und lieber reine Land-Maps spielen.
Zoom-Zoom-IRISZOOM
Auch grafisch bewegt sich Wargame: Red Dragon auf dem Level eines Addons: Statt neuer grafischer Höhen hat sich optisch nicht viel verändert. Nur am Wasser und den Wassereffekten ist ein deutlicher Fortschritt zwischen der Version 3.0 und 4.0 der IRISZOOM-Engine zu erkennen. Das tut dem Spiel aber keinen Abbruch, das immer noch fantastisch aussieht und vor allem beim Zoomen die Muskeln spielen lässt: Wir können von über der Wolkendecke bis hin zum einzelnen Infanteristen scrollen und sehen jedes einzelne Detail wie Rettungsringe an den Schiffen. Wie auch sein Vorgänger leidet Wargame: Red Dragon aber unter Clipping-Fehler. Gerade bei der Infanterie wird das deutlich, die sich in Städten gerne von Haus zu Haus »warpt« und unter Beschuss Animationen wild durcheinander abspielt. Auf nächster Zoomstufe und bei der Physik hat das 2007 erschienene World in Conflict weiterhin die Nase vorne - das aber auch nicht diese Schlachtfeldgröße und Einheitenmasse bot.
Der Sound ist auch auf gutem Niveau und passend positioniert: Oberhalb der Wolken hören wir nur Hintergrundgeräusche wie das Klicken von Tastaturen in der Kommandozentrale. Bei näherer Kamera können wir die Triebwerke von Jets und Panzermotoren orten und sogar das Rauschen des Windes in Wäldern vernehmen. Dass die Einheiten sich in ihrer jeweiligen Landessprache melden, kommt der Atmosphäre genauso zu Gute. Kritik gibt es aber trotzdem: Jets pfeifen über die Landschaft, anstatt zu donnern. Auch hier hat World in Conflict nach sieben Jahren die Nase vorne.
Bei der Bedienung hat sich nichts verändert, das Interface ist annähernd gleich geblieben und auch die Steuerung ist noch immer dieselbe. Neu ist ein Einheitenfenster, bei dem wir eine herangezoomte Version der ausgewählten Gegner- oder Freundeinheit sehen. So müssen Spieler nicht alle 1.400 Truppen beim Namen kennen, sondern können schon auf einem Blick erkennen, um was es sich unterhalb des Mauszeigers handelt. Ohne ein Händchen für Mikromanagement geht aber auch in Wargame: Red Dragon nichts, wir müssen uns um alles wieder einmal selbst kümmern. Wer nicht die gleichzeitige Kontrolle über neun Truppengattungen und zig Einheiten behalten kann, der muss auch um das dritte Wargame einen Bogen machen.
Ein kleiner Fortschritt macht das Tutorial, das nun tatsächlich alle Grundzüge des Spiels erklärt und damit immerhin brauchbar wird. Enttäuschend dagegen, dass es nun nur auf Text und Bildern basiert und nichts innerhalb des Spiels erklärt. Offensichtlich möchte Eugen Systems keine neuen Spieler gewinnen, die nur einen einfacheren Einstieg benötigen würden. Anders können wir uns zumindest den Umgang mit Tutorials nicht erklären, wenn sogar die Community zu ausgezeichneten YouTube-Tutorials im Stande ist.
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