Warcraft: The Beginning - Der teuerste Fanfilm aller Zeiten

Die Kinokritik zu Warcraft: The Beginning fällt Michael Graf schwer. Er hat nämlich das Gefühl, zwei unterschiedliche Filme gesehen zu haben.

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Ich soll ein Review über den Warcraft-Kinofilm schreiben, aber irgendwie … kann ich das nicht. Ich kann nicht eindeutig sagen, ob mir dieser Film gefallen hat. Oh, ich kann sagen, dass ich gerne eine Fortsetzung sehen würde, sehr gerne sogar. Aber irgendwie will mir nicht in den Kopf, warum eigentlich. Das beschäftigt mich so sehr, dass ich diese Zeilen bereits auf dem Heimweg vom Kino in der U-Bahn in mein Handy tippe. Ja, ich habe Warcraft: The Behinderung … damn you, Autocorrect! Okay, das mit dem Handy ist vielleicht doch keine so gute Idee.

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Der Film fängt den Look der Warcraft-Rendersequenzen (hier Warcraft 3) perfekt ein. Der Film fängt den Look der Warcraft-Rendersequenzen (hier Warcraft 3) perfekt ein.

So, endlich daheim, also weiter im Text und im guten, alten Word. Ja, ich habe Warcraft: The Beginning gesehen. Eigentlich habe ich sogar zwei Warcraft-Filme in einem gesehen. Der eine ist der wohl teuerste Fanfilm aller Zeiten, ein mit unglaublicher und unglaublich verschwenderische Detailliebe produziertes, bildgewaltiges Epos, dem ich als Warcraft-Fan in jeder Sekunde anmerke, dass es seinen Machern eine Herzensangelegenheit war, Azeroth auf die Leinwand zu bringen. Es war ja auch eine schwere Geburt, die ewige Produktionszeit samt Regisseurswechsel macht Warcraft: The Beginning beinahe zum Duke Nukem Forever der Filmbranche. Man muss froh sein, dass es überhaupt noch fertig geworden ist.

Der zweite Film, sozusagen das zweite Gesicht von Warcraft: The Beginning, ist ein klassischer Fantasy-Film. Und … nun, kürzlich sagte eine Freundin, die keine Ahnung von Warcraft hat, zu mir: »Ach, das ist doch bestimmt nur so ein Herr der Ringe für Arme.« Ich hätte sie am liebsten an Ort und Stelle in ein Schaf verwandelt! Das ist keine x-beliebige Fantasy, das ist Warcraft! Das vielleicht ein ganz kleines bisschen von Warhammer abgekupferte und dennoch tollste Fantasy-Universum der verdammten Spielegeschichte, in dem ich mehr unvergessliche Stunden verbracht habe als Tolkien in Neuseeland. Der war da nämlich nie!

Jetzt habe ich Warcraft: The Beginning also gesehen. »Und«, fragt die Freundin, »ist das wirklich kein Herr der Ringe für Arme?« Ich … es … ich möchte diese Frage an dieser Stelle nicht beantworten.

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Spoiler oder nicht?
Ja, unsere Kritik zu Warcraft: The Beginning ist lang. Es musste raus. Wir verzichten darin allerdings auf Story-Spoiler. Zumindest im klassischen Sinne. Wie wir unserer Facebook-Community entnehmen, sehen manche Menschen es heutzutage schon als Spoiler, wenn man ihnen sagt, dass etwas am Film nicht so gut war. Nun, in diesem Sinne könnte es den einen oder anderen Spoiler geben. Sie sind gewarnt.

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Es ist Warcraft!

Warcraft: The Beginning ist immer dann ein guter, ein ganz bezaubernder Film, wenn es einfach Warcraft ist. Wenn ich als Azeroth-Veteran, der schon 1994 im allerersten Warcraft Orcs und Menschen aufeinander jagte und bis heute gelegentlich durch World of Warcraft geistert (und sei's nur, um mit dem Chefredakteur von IGN Deutschland ein paar Stunden Wartezeit und viele wilde Eber im Orc-Startgebiet totzuschlagen) – wenn also ich als Azeroth-Verehrer der ersten Stunde Dinge auf der Leinwand entdecke, die ich aus den Spielen kenne. Und davon gibt's so viele, dass ich im Kinodunkel immer wieder mein bestes Fangrinsen aufsetzen muss.

Dalaran dürfte zum Zeitpunkt der Filmhandlung eigentlich noch gar nicht schweben. Egal, es sieht cool aus. Dalaran dürfte zum Zeitpunkt der Filmhandlung eigentlich noch gar nicht schweben. Egal, es sieht cool aus.

Vom gurgelnden Murloc im Waldfluss bis zum Auftakt des Sturmwind-Musikthemas, der beim ersten Ausblick über die Metropole ertönt. Vom stilecht-überzogenen Design der Waffen und Rüstungen bis zur schwebenden Magierstadt Dalaran – die im ersten Orc-Krieg noch gar nicht schweben dürfte, aber wurscht, sie schaut cool aus. Vom Menschen-Wachturm, der aus einem Waldstück ragt, bis zum Greifen, der exakt an derselben Stelle im Wall von Sturmwind landet wie in World of Warcraft. Und schon in seiner allerersten Einstellung zitiert der Film eine bekannte Renderszene aus Warcraft 3.

Mit seinen grandiosen Panoramen, Kostümen und Kulissen fängt Warcraft: The Beginning den Look der Spiele und der legendären Blizzard-Rendersequenzen jedenfalls hervorragend ein. Zumindest in 3D, in 2D konnte ich den Film noch nicht sehen.

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Und ja, auch die von menschlichen Schauspielern verkörperten und dann digital vergrößerten sowie … na ja, orcifizierten Orcs sehen klasse aus, von den Lederschürzen bis zu den abgeschabten Eckzähnen. Nur Kämpfe zwischen Menschen und Orcs wirken teils merkwürdig träge. Da stehen die Soldaten König Wrynns einfach nur da, stochern wie Anfänger mit der Klinge herum oder lassen sich per Kriegshammer platt klopfen.

Man merkt, dass die Kampf-Choreographie nicht immer hinhaut, vielleicht, weil die Digital-Orcs so viel größer sind als Menschen. Gefechte Orc gegen Orc wuchten hingegen wunderbar, oder Kämpfe Orc gegen Pferd, hier bitte einen Zwinkersmilie denken. Besonders gelungen ist zudem das Zaubern: Coole Gesten, flammende Augen, satter Sound – die Magie kommt herrlich mächtig rüber.

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Vereinfacht? Egal!

Die Story von Warcraft: The Beginning folgt grob dem ersten Warcraft-Strategiespiel, die Orcs strömen durchs Dunkle Portal ins Menschenreich Azeroth. Und wenn ich »grob« sage, dann meine ich auch grob: Wer sich mit den Warcraft-Hintergründen auskennt und das eine oder andere Buch oder zumindest Wiki gelesen hat, merkt schnell, dass sich der Regisseur und Drehbuch-Mitautor Duncan Jones vieles zurechtgezurrt hat.

Spoilern möchte ich natürlich nicht, aber es ist nicht immer ganz korrekt, welcher Charakter nun genau wann welchen anderen trifft, oder wer wen aus welchem Grund umbringt. Und die Dämonen der Brennenden Legion, die eigentlich schon im ersten Warcraft heimlich die Strippen zogen, treten gleich gar nicht auf, sie werden reduziert auf das »Fel« – eine körperlose, neongrüne Magiesuppe, die die Orcs verdirbt. Aber das heißt ja nicht, dass sie nicht in einer eventuellen Fortsetzung mitmischen!

Warcraft: The Beginning Warcraft: The Beginning
World of Warcraft World of Warcraft

Die Menschen-Hauptstadt in World of Warcraft ...

Außerdem sind die Orcs – anders, als im ursprünglichen, von Blizzard abgelehnten Drehbuch vorgesehen – keine tumben Killermaschinen, sondern Charaktere mit eigenen Gedanken und Hoffnungen. Vielleicht nicht den komplexesten, aber immerhin. Wer mal in World of Warcraft auf Hordeseite gespielt hat, mag sich in den grobschlächtigen, aber ehrenhaften Hammerschwingern und Wolfsreitern durchaus wiederfinden. So erzählt Warcraft: The Beginning nicht die ausgefeilteste Fantasy-Geschichte aller Zeiten, wohl aber eine gefällige.

Ja, die Story und die Charakter-Biographien werden häufig vereinfacht und weichen vom Original ab, mich stört das jedoch wenig. Denn erstens ist die Warcraft-Lore inzwischen absurd komplex – wenn ein Warcraft-Film dieses Kuddelmuddel komplett abbilden wollte, müsste Universal jedem Kinobesucher ein Glossar in die Hand drücken, damit er beim Schauen nachblättern kann, welcher Dämon gerade mit welchem anderen was warum plant. Zumal Story-Auswüchse wie die Draenei-»Raumschiffe« einfach nur hanebüchen sind.

Es mag seltsam klingen, aber die computergenerierten Orc-Charaktere gehören zu den glaubwürdigsten Schauspielern, weil sie sich perfekt in die Szenerie einfügen. Es mag seltsam klingen, aber die computergenerierten Orc-Charaktere gehören zu den glaubwürdigsten Schauspielern, weil sie sich perfekt in die Szenerie einfügen.

Zweitens kann ich das im Film gezeigte Azeroth als »Cinematic Universe« von Warcraft akzeptieren. Alles wurde an Hollywood-Bedürfnisse angepasst, aber nicht komplett auf links gedreht. The Beginning ist immer noch unverkennbar Warcraft. Peter Jackson hat bei seiner Herr-der-Ringe-Trilogie ja auch diverses geändert oder weggelassen. Klar, es mag Warcraft-Experten geben, denen die Abweichungen aufstoßen – Leute, ihr seid gewarnt! Für »normale« Warcraft-Fans ist der Film genießbar, die Handlung in sich logisch genug.

Und für Warcraft-Neulinge oder gar solche, die das Universum überhaupt nicht kennen? Da wird die Sache kniffliger, denn The Beginning erklärt trotz seiner Vereinfachungen viel zu wenig. Warum gibt es grüne und braune Orcs? Warum sind selbst grüne, also vom Fel verdorbene Orcs an einen Ehrenkodex gebunden? Was ist Eisenschmiede, das ganz am Anfang auftaucht? Warum hocken in der Orc-Welt Draenor blaue Wesen in Käfigen? Wer sind diese Typen, die König Wrynn zum Einstieg in den Orc-Krieg überreden will? Kurzum: Wer das Universum nicht kennt, versteht oft nur Bahnhof. Natürlich kann man Warcraft: The Beginning immer noch als »normalen« Fantasy-Film begreifen. Aber dann verliert der Streifen einen Großteil seines Reizes.

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