Ausgiebige Beschwörung der 1980er
Regisseur Refn schafft gleich zweierlei Interpretation des typischen Männeractionfilms. Zum einen macht er den Fahrer zum unvergesslichen, übercoolen Helden. Gosling erinnert an James Dean und Steve McQueen. Zum anderen zerlegt er die typischen Elemente und verschärft sie. So wird ein Gespräch zum Duell, ein Messerkampf zum schmerzvollen Blutvergießen. Die kleine Romanze verzichtet sogar fast gänzlich auf Berührungen. Was in klassischen Hollywood-Streifen immer glimpflich ausgeht und heroisch aussieht, wird hier hinterfragt und in schonungsloser Hässlichkeit gezeigt.
Dass der Held töten muss, um seine Freundin zu beschützen, wird nicht glorifiziert. Plötzlich bröckelt die coole Heldenfassade und der Film fragt subtil, ob Figuren wie Vin Diesels Dominic Toretto oder Sylvester Stallones Lieutenant Cobretti in Die City Cobra wirklich zu bewundern sein sollten. Das macht er zudem mit Respekt, ohne auf derartige Werke herabzublicken. Refn spielt geschickt mit den Erwartungen und Konventionen, dreht sie durch die Mangel, um sie auf Weise eines Tarantino eigensinnig neu zu interpretieren.
Ein neuer Klassiker
Refns Regie ist schier sensationell. Drive ist in unzähligen Panorama-Bildern eingefangen. Selbst Tagesszenen erscheinen außerweltlich, da Refn die Welt des Fahrers mit größter Sorgfalt einfängt. So wird sie ebenso intensiv wie der Fahrer selbst. Viele lange Tages fordern wie auch die Handlung Geduld, und wer sich darauf einlässt, wird mit Atmosphäre belohnt. Der Sound-Design ist fantastisch. Eindrucksvoller als hier hat man Motoren lange nicht gehört. Man vernimmt jedes Knatschen der Lederhandschuhe am Lenkrad, das aufgeregte Atmen derer, die den Fahrer treffen.
In den Nebenrollen überzeugen Carey Mulligan (Wall Street – Geld schläft nicht) als scheue Nachbarin, Bryan Cranston (Breaking Bad) als väterlicher Mechaniker, sowie Ron Perlman (Hellboy) und Albert Brooks als hinterlistige Gangster. Christina Hendricks (Mad Men) ist kurz als Beteiligte an einem Überfall zu sehen und überrascht mit einer wenig glamourösen Rolle. Jeder von ihnen bekommt mindestens einen eindrucksvollen Moment, wodurch Drive zu einem starken Ensemble-Film wird. Selten wird derartige Mühe auf Nebendarsteller verwendet.
Fazit
Christian Mester: »Wer sich von Drive einen Actionfilm vom Formate eines The Transporter erhofft, wird maßlos enttäuscht werden. Stattdessen ist es ein intensives Charakterdrama, das durch Hochspannung besticht. Faszinierende Charaktere und eine selten erreichte Atmosphäre machen Drive sogar zu einem neuen Klassiker. Wer die notwendige Geduld aufbringen kann und keine Dauer-Action braucht, sieht einen der besten Filme des Jahres.«
(Zusammen mit den Kollegen des Filmmagazins bereitsgesehen.de stellt GameStar wöchentlich einen neu im Kino angelaufenen Film vor.)
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