Fall eines Imperiums
Das bekam auch Zynga zu spüren. Vor dem Börsengang im Dezember 2011 war der FarmVille-Hersteller noch als Goldkind mit einem potenziellen Börsenwert von 15 bis 20 Milliarden US-Dollar gehandelt worden - zum Vergleich: der Börsenwert des GTA-Publishers Take-Two lag seinerzeit bei knapp 800 Millionen. Doch 2012 vermeldete Zynga im Quartalstakt Millionenverluste, der Aktienkurs brach ein.
Wer zum Börsenstart 100.000 Dollar in Znyga-Aktien investiert hatte, bekam dafür ein Jahr später noch knapp 23.000 Dollar - ein Desaster. Das lag auch an sinkenden Spielerzahlen: von einst 80 Millionen aktiven FarmVille-Spielern waren im September 2012 »nur« noch 18 übrig.
Kürzlich vermeldete Zynga zudem erstmals einen Rückgang der monatlichen Gesamt-Spielerzahlen, und zwar um zehn Prozent auf 298 Millionen. Denn mit FarmVille 2 und CityVille 2 hat man zwar optisch aufpolierte, inhaltlich aber kaum verbesserte Neuauflagen seiner einstigen Erfolgstitel veröffentlicht. Wer die Vorgänger schon kennt, erlebt kaum Neues - und hörte auf. Niemand braucht ein zweites FarmVille.
Und schon gar kein drittes und viertes. Simpel gestrickte FarmVille-Klone wie Farmerama oder Goodgame Big Farm mögen immer noch ertragreich sein, als Zukunftsmodell taugen sie aber nicht. Gleiches gilt für andere Free2Play-Billigware, etwa ohne großen Aufwand importierte Asia-Rollenspiele wie das in Europa vom deutschen Kostenlos-Riesen Gameforge betriebene Metin 2, dessen weltweite Spielerzahlen zwischen 2010 und 2012 von acht auf sechs Millionen schrumpften.
Anpassen oder untergehen
Um auf dem zunehmend umkämpften Markt weiter zu bestehen, müssen sich die Free2Play-Pioniere anpassen. Gameforge etwa übernahm Ende 2011 Frogster, den Publisher von Runes of Magic, das als eines der ersten Free2Play-Rollenspiele auch bei westlichen MMO-Fans gut angekommen war. Nicht umsonst hatten es die GameStar-Leser anno 2009 zum besten Online-Abenteuer gewählt. Im selben Atemzug entließ Gameforge allerdings über 100 Mitarbeiter, Bigpoint strich Ende 2012 insgesamt 120 Stellen und schloss sein teures Studio in San Francisco.
Die Free2Play-Pioniere konsolidieren sich - und wappnen sich für die Zukunft. Denn der der Konkurrenzdruck wächst mit jedem neuen Gratistitel, zumal nun auch die klassischen Publisher mit Macht auf den lukrativen Markt drängen - und mit Millioneninvestitionen.
Einer, der Free2Play zur neuen Marschroute ausgerufen hat, ist Cevat Yerli. Der Gründer des Crysis-Entwicklers Crytek möchte seine Firma in den kommenden zwei bis fünf Jahren zum reinen Gratisspiele-Studio umbauen. Dass »gratis« im Spielerbewusstsein bis heute für »billig«, also minderwertig steht, liegt seiner Meinung nach an den vielen miesen Vertretern der Kostenlos-Gattung: »Da wurden rufschädigende Produkte auf den Markt geworfen, die schlecht aus Asien portiert wurden und qualitativ nicht mit den Titeln im Handel mithalten konnten.«
Yerli will's besser machen, sein Studio erprobt derzeit die deutsche Version des Gratis-Shooters Warface im geschlossenen Betatest, in Russland ist das Spiel bereits erschienen und verzeichnet laut Crytek über fünf Millionen registrierte Online-Soldaten. »Wir wollen beweisen, dass sich Qualität und Free2Play nicht ausschließen«, verspricht Yerli und meint mit »Qualität« auch »moderne Technik« - wie Crysis 3 basiert Warface auf Cryteks hauseigener CryEngine 3. Dieses Zusammenspiel zwischen Hightech und Free2Play haben die Entwickler »Triple-A for free« (in etwa: »Vollpreisspiel zum Nulltarif«) getauft, um sich von den Mitbewerbern abzuheben.
Aus AAA wird Free2Play
Und Mitbewerber gibt's immer mehr, und auch immer mehr namhafte. Electronic Arts verpflanzt mit C&C: Generals 2 eine strahlkräftige Strategiemarke ins Gratis-Genre und inszeniert ihre Brachialgefechte noch dazu mit der aus Battlefield 3 bekannten Frostbite-2-Engine. Ubisoft strickt mehr und mehr Free2Play-Ableger seiner etablierten Marken, zuletzt etwa Ghost Recon Online und Anno Online. Activision hat Mitte Januar in China den Betatest von Call of Duty Online gestartet, das bald auch nach Europa kommen könnte.
Command & Conquer (2013) - Screenshots ansehen
Angesichts dieser prominenten Rivalen müssen die »alten« Free2Play-Hersteller aufrüsten. Deshalb hat sich Gameforge zwei prominente Rollenspiele gesichert: das ehemals von NCsoft (Guild Wars 2) betriebene Aion sowie (dank der Frogster-Übernahme) das schicke Tera. Bigpoint feilt nach dem Weltraum-Actionspiel Battlestar Galactica am zweiten Ableger einer beliebten Fernsehserie: einem Rollenspiel zu Game of Thrones.
Andere Hersteller wie Travian (Travian) und Innogames (Forge of Empires) setzen auf Strategiespiele, die ihren Vollpreis-Vettern in Sachen Komplexität in nichts nachstehen sollen. Und das Berliner Social-Games-Studio Wooga (Diamond Dash), nach Zynga und Electronic Arts immerhin der drittgrößte Facebook-Spieleentwickler, orientiert sich verstärkt in Richtung Smartphones und Tablets. Kurzum: Die Gratissparte sucht nach neuen Strategien. »Die Bedeutung von hoher Qualität haben wir schon vor längerer Zeit erkannt, und solche Dinge sind schon in Entwicklung«, kündigt auch Nina Müller an. »Harrt der Dinge, die da kommen, das sind einige spannende Sachen.«
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