Seite 2: Pillars of Eternity im Test - Spitzenspiel mit Seele

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Dialog-Optionsvielfalt

In vielen Spielen sind Dialogoptionen unbefriedigend oder eindimensional - beispielsweise in Dragon Age: Inquisition. Was wir sagen, ist dort eigentlich egal, emotionale bewegen uns die Gespräche kaum. In Pillars of Eternity bekommen wir fast immer eine Reihe Dialogoptionen vorgelegt, die enorm viele Reaktionen und mögliche Gefühle abbilden. Nein, längst nicht jede Dialogoption ändert den Gesprächsverlauf - auch wenn wir durchaus andere Informationen bekommen können.

Für Veränderungen sorgen vielmehr die Entscheidungen an den Schlüsselpunkten der Dialoge. Wir fangen an, uns mit dem Charakter zu identifizieren, denn wir dürfen wählen, wie wir unsere Gedanken und Gefühle auszudrücken. Und auch spielmechanisch wirkt sich unsere Wortwahl aus: Je nachdem was wir sagen - viele Optionen hängen auch von unserer Klasse und Attributen ab - verändert sich unser Ruf. Und das hat bis zuletzt deutliche Auswirkungen, beispielsweise darauf, ob uns jemand sensible Informationen gibt, weil wir den Ruf haben, aufrichtig zu sein - oder ob wir uns die Informationen auf anderem Wege beschaffen müssen.

Mit äußerst dünnen Informationen gehen wir ständig in verbale – oder auch etwas gewalttätigere – Entscheidungsgefechte. Mit äußerst dünnen Informationen gehen wir ständig in verbale – oder auch etwas gewalttätigere – Entscheidungsgefechte.

Beides zusammen, die Entscheidungen und die Dialogvielfalt erschaffen frustrierende, traurige, spannende und wahnsinnig befriedigende Momente. Da verlangt beispielsweise jemand von uns, ein Kind zu entführen und zu töten, damit er dessen starke Seele für sich und seine Nachkommen verwenden kann. Viele Spiele würden uns einschränken, unsere Dialogoptionen beschneiden, uns vielleicht in eine Richtung zwingen, die uns nicht passt. Pillars of Eternitiy gibt uns mehrere Möglichkeiten. Unter anderem auch die Ultima Ratio: nämlich Richter und Henker in einer Person zu sein. Nie haben sich Entscheidungen so gut, so echt, so nachhaltig angefühlt! Und nie war der Zweifel über die Richtigkeit unseres Handelns so bittersüß wie in der Welt Eora.

Persönlichkeiten, nicht bloß NPCs

Unsere Begleiter machen das ständige Dilemma um Gut und Böse, Richtig und Falsch nicht leichter, denn: Sie haben Charakter und mischen sich ein. Okay, Begleiter haben seit Baldur's Gate 2 und den anderen Infinity-Engine-Spielen ein hartes Los: Wenn die Messlatte erst mal hoch genug hängt, gibt sich niemand mehr mit Niveau-Limbo zufrieden. Gemessen wird, was gut ist - und die Begleiter in einem Baldur's Gate 2 waren großartig geschrieben, interagierten mit unserem jeweiligen Hauptcharakter und reagierten auf Handlungen und Situationen. Kann Pillars of Eternity mithalten?

Hall of Fame: Baldurs Gate Saga - Warum Baldurs Gate 1+2 so genial waren Video starten 8:17 Hall of Fame: Baldur's Gate Saga - Warum Baldur's Gate 1&2 so genial waren

Viel können wir nicht über die Gefährten im Spiel sagen, ohne denen, die es spielen möchten, das Erlebnis zu verhageln. Aber so viel darf gesagt sein: Unsere Begleiter sind dermaßen gut geschrieben, dass sie in unseren Augen ganz schnell zu echten Persönlichkeiten mit Seele geworden sind. Sie haben Geschichte. Emotionen. Probleme. Launen. Und sie sind ganz großartig vertont. Sie mischen sich ein und sagen ihre Meinung, teilweise unverblümt. Sie sind mal tiefsinnig, mal gesprächig, mal ruppig, mal gemein, mal überaus witzig. So fragt der lakonische Edér die Waldläuferin Sagani, nachdem deren Fuchsbegleiter ihn gebissen hat: »Wenn ich ihn nicht streicheln soll, warum ist er dann so weich?«

Die Gefährten sind keine stereotypen Kampfroboter, die wir an der Partyleine hinter uns herziehen und die nur unsere Kampfkraft erhöhen. Sie haben glaubhaft dargestellte Gefühle und Bedürfnisse - und jeder bringt eine Aufgabe mit, die sich nicht immer so verläuft, wie wir es erwarten.

Quest-Fest(ung)

Es ist eine ausgesprochene Kunst, Aufgaben so in eine Welt zu integrieren, dass sie sich nicht aufgesetzt anfühlen, nicht generisch wirken. Pillars of Eternity bietet diesbezüglich schlicht Perfektion. War bisher Baldur's Gate 2 eine der Referenzen für homogen eingebettete Aufgaben in eine Welt, schwingt sich der Entwickler Obsidian über diese Höhenmarke mit beängstigender Leichtigkeit hinweg.

Durch die Bank sind alle Aufgaben mit der extrem reichhaltigen Hintergrundgeschichte verzahnt. Selbst die simple Suche nach einer gestohlenen Schriftrolle hat irgendwie mit Allem zu tun und kehrt kurz vor Schluss in einer feinsinnigen Bemerkung wieder. Diese Art, zu schreiben, verdient absolute Hochachtung.

Aber auch die Hintergründe der Welt sind vielschichtig - ohne dass uns Logiklücken oder erzwungen wirkende Handlungssprünge auf die Nerven gehen. Im Gegenteil: Die Beweggründe der vielen involvierten Parteien, die Ziele der Protagonisten und Antagonisten sind jedes Mal herausragend dargestellt, erleben großartige Wendungen, präsentieren uns unglaublich tiefsinnige und durchdachte Motivationen. Waffen und Rüstungen haben Seele, erzählen herrliche kleine Geschichten und bereichern die ohnehin dichte Atmosphäre zusätzlich. Das wir das heute, im Jahre 2015, erneut in einem Spiel erleben dürfen ist der schiere Wahnsinn!

Invasoren! Wir verteidigen unsere Festung gegen angreifende Schufte.

Die eigene Burg Unsere Festung ist anfangs ein einziger Schutthaufen.

Renovierungsmenü Ein einfaches Menü zeigt uns den Ausbaustatus und die Renovierungsmöglichkeiten unserer Festung an.

Bibliothek vorher Die Bibliothek sah anfangs so aus ...

Bibliothek nachher ...und nach etwas (kostenpflichtiger) Auftragsarbeit können wir jetzt gemütlich Bücher darin lesen.

Wir bekommen sogar ein Zuhause, eine eigene Festung. Die wandelt sich zwar nicht wie in Baldur's Gate 2 je nach Charakterklasse, lässt sich dafür aber mehrstufig ausbauen, dient als Handelsplatz sowie Zwischenlager für ausrangierte Charaktere und wird hin und wieder sogar angegriffen. Dann können wir entweder unsere angeheuerte Wachmannschaft in die Automatikschlacht schicken oder uns den Invasoren höchstpersönlich entgegenstellen. Nur in Aufträge wird die Festung selten bis nie eingebunden - schade. Unter der Trutzburg erstreckt sich dafür die Endlosen Tiefen, ein Riesen-Dungeon mit 17 Stockwerken, wertvollen Schätzen - und knallharten Gegnern. Soll ja keiner sagen, hier gäbe es zu wenig Heldenarbeit.

Mit einem Lied auf den Lippen in die Schlacht

Wer Pillars of Eternity anspielt, merkt sofort, dass der Geist der alten Infinity-Engine-Spiele hier wiedererweckt wurde. Bewegung, Gruppensteuerung, Fähigkeitenverwaltung, Zauber und sogar der Cursor erinnern ans große Vorbild. Dabei haben es die Entwickler aber nicht belassen, sondern die alte Formel behutsam an die Neuzeit angepasst.

Das Gruppeninventar erleichtert die Ausrüstung der Gefährten erheblich. Das Gruppeninventar erleichtert die Ausrüstung der Gefährten erheblich.

Ein Gruppeninventar, einfache Klamottenfärbung, Vergleichsmöglichkeiten, selbst erstellte Formationen, Aufgabenupdates, die bei Betreten einer Karte unaufdringlich eingeblendet werden, die mitschreibende Biografie - Obsidian hat sein Rollenspiel erheblich freundlicher für Einsteiger gestaltet, als Baldur's Gate und Co. es damals getan haben. Und auch der pausierbare Echtzeitkampf hat einige Kniffe drauf, die für eine Verbesserung des Spielgefühls sorgen.

Wir können die Kampfgeschwindigkeit halbieren, was ein flüssigeres Spielerlebnis erzeugt und weniger Pausen verlangt. Laufwege legen wir per Vierfach-Zeitraffer viel schneller zurück. Aber auch die aus Baldur's Gate berüchtigte Schutz- und Stärkungszauber-Orgie vor einem Kampf ist Geschichte: Fähigkeiten und Zauber können nur noch begrenzt eingesetzt werden, entweder pro Begegnung oder pro Ruhephase. Rasten ist allerdings nicht mehr jederzeit möglich: Auf normalem Schwierigkeitsgrad haben wir maximal vier Ruhepausen, bevor wir wieder die benötigte Campingausrüstung kaufen müssen.

Eine Spinnenkönigin wartet in den Kellern unserer Burg auf Opfer. Eine Spinnenkönigin wartet in den Kellern unserer Burg auf Opfer.

Zudem erfüllen Ruhepausen jetzt einen essentiellen Zweck, denn nur darüber können wir Gesundheit regenerieren. Nimmt unsere Gruppe im Kampf Schaden, teilt dieser sich zwischen Ausdauer und Gesundheit auf. Ist die Ausdauer futsch, geht der Charakter K.O. Sinkt die Gesundheit unter den Wert Null, stirbt der Charakter. Permanent! Zum Glück gibt es die Schnellspeicherfunktion. Und zumindest eine Handvoll Talente, die verlorene Lebenspunkte wiederherstellen.

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