Ein 21-Jähriger entziffert 2.000 Jahre alte Schriftrolle mit KI und bekommt ein enormes Preisgeld

Wenn aus einem Hobby eine Schatzsuche wird, die sich auch noch bezahlt macht.

Keine klassischen Glyphen, sondern Altgriechisch. Das gilt es zu Überstzen, wenn man an insgesamt eine Million Dollar Preisgeld kommen will. (Bild: Ananya Mital) Keine klassischen Glyphen, sondern Altgriechisch. Das gilt es zu Überstzen, wenn man an insgesamt eine Million Dollar Preisgeld kommen will. (Bild: Ananya Mital)

Stellt euch vor, ihr verfolgt ein Hobby schon seit der Kindheit und auf einmal bietet euch jemand Tausende US-Dollar, wenn ihr euch noch genauer mit dem Thema beschäftigt. Ein Traum, oder? 

Genau dieser Traum ist für den 21 Jahre alten Luke Farritor in Erfüllung gegangen. Er hat es als erster geschafft, ein vollständiges Wort in einer 2.000 Jahre alten verkohlten Papyrus-Schriftrolle zu entziffern. Genauer gesagt eine der Herculaneum Papyri, doch dazu gleich mehr. 

Welches Wort hat er entziffert? Das altgriechische Wort für Purpur: »porphyras«.

Für diesen Erfolg hat Farritor als erster Teilnehmer der Vesuvius Challenge ein Preisgeld von 40.000 US-Dollar erhalten - doch es sind noch über 900.000 US-Dollar zu holen.

Die Vesuvius Challenge - Schatzsuche im Labor

Was ist die Vesuvius Challenge? Es handelt sich um einen Wissenschaftswettbewerb, bei dem bisher unlesbare Schriftrollen entziffert werden sollen. 

Ins Leben gerufen wurde der Wettbewerb wurde von den Tech-Unternehmern Nat Friedman (u.a. ehemaliger CEO von GitHub) und Daniel Gross (u.a. Gründer von Cue). Der Informatikprofessor Brent Seales von der University of Kentucky ist ebenfalls Mitbegründer.

Der Name des Wettbewerbs kommt vom berühmten Vulkan Vesuv in Neapel, Italien. Dieser hat im Jahr 79 n. Chr. die römischen Städte Pompeji und Herculaneum unter einer Schicht aus Vulkanasche und Bimsstein begraben (planet-wissen.de).  

»Es handelt sich um eine geheimnisumwitterte Epoche, von der wir den größten Teil des Materials verloren haben.«

- Brent Seales

Was genau ist die Aufgabe? Bei der Challenge geht es darum, die verkohlten Herculaneum Papyri mit Hilfe von Machine Learning (vereinfacht: KI-Technologie) zu entziffern. 

Wie der Name schon andeutet, wurden die Papyri in den Überresten eines Hauses im begrabenen Herculaneum gefunden. Laut dem Smithsonian Magazine könnten sie den Schwiegervater von Julius Caesar gehört haben.

Das Problem: Die Schriftrollen lassen sich nicht mehr physisch aufrollen, ohne sie zu zerstören. Man könnte sie durchaus mit verkohlten Holzstücken verwechseln. 

Die Schriftrolle, aus der Luke Farritor das Wort »porphyras« entziffern konnte. (Bild: Smithsonian) Die Schriftrolle, aus der Luke Farritor das Wort »porphyras« entziffern konnte. (Bild: Smithsonian)

Die Belohnung für die Lösung: Die Gründer und einige weitere Investoren haben insgesamt eine Million US-Dollar Preisgeld für die Entschlüsselung von Wörtern und Passagen aus den Herculaneum Papyri in Aussicht gestellt.

Je mehr entziffert wird, desto mehr Preisgeld gibt es. Der Hauptpreis von 700.000 Dollar wird für vier vollständige Absätze mit mindestens je 140 Zeichen vergeben. Es sollen auch noch mehr Geldpreise von insgesamt über 200.000 US-Dollar angekündigt werden.

Ein 21-Jähriger schafft den Durchbruch - doch nicht ganz ohne Hilfe

Luke Farritor, ein 21 Jahre alter College Student und Sommer-Praktikant von SpaceX hat es als erster geschafft, ein vollständiges Wort zu entziffern.

Um zu verstehen, wie ihm etwas gelungen ist, was seit dem Fund der Schriftrollen vor rund 300 Jahren noch niemandem gelang, beschäftigen wir uns kurz mit der Forschung von Professor Brent Seales.

20 Jahre Forschung: Brent Seales arbeitet bereits seit zwei Jahrzehnten daran, Papyri zu entschlüsseln. Er behauptet, ein wichtiger Schritt sei die Perfektionierung des Einsatzes von CT-Scans gewesen. Ihm war klar, dass man nur so sehen kann, was sich in den Rollen befindet, ohne sie tatsächlich zu berühren. Diesen Prozess nennt er »Virtual Unwrapping« (zu Deutsch »virtuelles Auspacken«).

Professor W. Brent Seales (links) und sein Team. (Bild: Vesuvius Challenge) Professor W. Brent Seales (links) und sein Team. (Bild: Vesuvius Challenge)

Mit dieser Methode ist es ihm gelungen, die sogenannte En-Gedi-Schriftrolle zu entziffern. Das war möglich, weil die Tinte auf dem Papyrus Metalle enthielt, die im CT-Scan sichtbar wurden. 

Die Herculaneum Papyri konnten mit dieser Methode allerdings nicht entziffert werden, da die Tinte kein Metall enthält. Trotzdem liefert seine Arbeit den Grundstein für Farritors Entdeckung.

Die virtuell entfaltete En-Gedi-Schriftrolle. (Bild: University of Kentucky) Die virtuell entfaltete En-Gedi-Schriftrolle. (Bild: University of Kentucky)

Doch nicht nur Professor Seales Arbeit war Voraussetzung für Farritors Erfolg.

Wer war noch beteiligt? Im August dieses Jahres hat Casey Handmer, ein Teilnehmer der Challenge, nachgewiesen, dass sich überhaupt noch Tintenüberreste in den Schirftrollen befinden.

Ihm seien beim Überfliegen der CT-Scans gewisse »crackle pattern« (zu Deutsch »Knistermuster«) aufgefallen. Diese haben sich dann tatsächlich als Tinte erwiesen. Für seine Entdeckung hat er ein Preisgeld von 10.000 Dollar bekommen.

Wie hat Luke Farritor geschafft, etwas daraus zu entziffern?  Er hat auf dem Discord-Server der Vesuvius Challenge von Handmers Entdeckung erfahren und fortan eine KI darauf trainiert, das »crackle pattern« in den CT-Scans zu erkennen - mit Erfolg.

Wie oben bereits erwähnt, konnte er so das altgriechische Wort »porphyras«, also »Purpur« entziffern. 

Die Entzifferung des Wortes »porphyras«. (Bild: Vesuvian Challenge) Die Entzifferung des Wortes »porphyras«. (Bild: Vesuvian Challenge)

»[Luke Farritor] war in diesem August der erste Mensch seit zwei Jahrtausenden, der ein ganzes Wort aus einer ungeöffneten Schriftrolle herauslesen konnte. Wir freuen uns sehr, Luke den mit 40.000 Dollar dotierten Preis für die ersten Buchstaben zu verleihen. Bei dem Wettbewerb mussten die Teilnehmer mindestens 10 Buchstaben auf einer Fläche von 4 cm2 in einer Schriftrolle finden«

- Webseite der Vesuvian Challenge

Hier seht ihr die Bekanntgabe der Entdeckung auf dem YouTube-Kanal der University of Kentucky:

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Laut der Webseite der Vesuvius Challenge gehen viele Historiker davon aus, dass noch tausende weitere Schriftrollen in den Ruinen von Herculaneum gefunden werden können. Wenn diese entdeckt und entziffert würden, könnte das einige neue Erkenntnisse über die Zeit des römischen Reiches geben.

Habt ihr Lust, auch bei der Challenge mitzumachen? Wenn ihr euch mit Machine Learning auskennt, könntet ihr vielleicht sogar noch eine Chance haben. Wie findet ihr solche Wissenschaftswettbewerbe? In welchem Fachgebiet müsste es eine solche Challenge geben, damit ihr den Hauptpreis absahnt? Schreibt es uns gerne in die Kommentare!

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