Eine deutsche Erfindung will Kühlschränke und Klimaanlagen in den Ruhestand schicken - und setzt dabei auf künstliche »Muskeln«

Dabei wird Metall gestreckt und zurück geformt. Mithilfe dieses Tricks wird der Kühlkammer Wärme entzogen - was laut den Ingenieuren sehr effizient ist.

Die Studenten und ihr Prototyp: Auf der kommenden Hannover Messe vom 22. bis 26. April wird ihr Gerät ausgestellt sein. (Quelle: Universität des Saarlandes; Fotograf: Oliver Dietze) Die Studenten und ihr Prototyp: Auf der kommenden Hannover Messe vom 22. bis 26. April wird ihr Gerät ausgestellt sein. (Quelle: Universität des Saarlandes; Fotograf: Oliver Dietze)

Die Universität des Saarlandes hat im Zuge der anstehenden Hannover-Messe eine Erfindung präsentiert, die eine Alternative zu herkömmlichen Kühlschränken und Klimaanlagen sein könnte. In einer Uni-Mitteilung vom 02. April 2024 kündigen sie ein Gerät an, das zehnmal effizienter ist.

Warum es wichtig ist: Kühlschränke und Klimaanlagen verbrauchen jede Menge Strom. Im Sinne des Klimaschutzes und für unseren Geldbeutel wäre es eine positive Entwicklung, wenn hier dank einer höheren Effizienz gespart werden könnte .

Ein kurzer Überblick:

  • Erfindung bedient sich eines Tricks, bei der die Ausdehnung und Rückformung von Metalldrähten für Kühlung sorgt
  • Temperaturunterschied von 20 Grad Celsius zur Umgebungstemperatur ohne Einsatz schädlicher Kühlflüssigkeiten
  • Mini-Prototyp aus Nitinol (Nickel-Titan-Legierung) zeigt Potenzial

Die Erfindung im Detail

So funktionierts: Die Erfindung bedient sich des Prinzips des elastokalorischen Kühlkreislaufs. Vereinfacht gesagt könnt ihr euch die Technik dahinter wie einen menschlichen Muskel vorstellen.

In diesem Fall spricht man von Artificial muscles (künstliche Muskeln), da es sich um gebündelte Metalldrähte aus dem oben erwähnten Material Nitinol handelt. Diese besitzen als Eigenschaft ein sogenanntes Formgedächtnis und funktionieren ähnlich wie menschliche Muskelstränge.

Einfach erklärt: Die Drähte werden also gedehnt und formen sich anschließend wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurück. Wer sich das immer noch nicht vorstellen kann, schaut euch gerne das Video am Ende dieses Abschnittes an - dort wird die Verformung eines Nitinol-Drahtes gezeigt.

Der Clou: Dabei nehmen diese Nitinol-Drähte Wärme aus der Kühlkammer auf und geben diese an die Umgebung ab.

So erklärt Professor Paul Motzki, der eine institutsübergreifende Professur an der Universität des Saarlandes und am Saarbrücker Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik (ZeMA) innehat und dort die Forschungsgruppe Intelligente Materialsysteme leitet:

Das Formgedächtnismaterial gibt Wärme ab, wenn es in einem superelastischen Zustand gedehnt wird, und nimmt Wärme auf, wenn es losgelassen wird.

Wie effektiv das ist, erklärt Professor Stefan Seelecke, der ebenfalls an der Universität des Saarlandes und beim ZeMa forscht:

Mit unserem elastokalorischen Verfahren können wir Temperaturunterschiede von rund 20 Grad Celsius ohne den Einsatz von klimaschädlichen Kältemitteln deutlich energieeffizienter erreichen als mit den heute üblichen Technologien.

Sehenswert: Damit ihr euch visuell vorstellen könnt, was es mit diesem Formgedächtnis und den künstlichen Muskeln auf sich hat, empfehlen wir euch das folgende Video. Hier könnt ihr genau beobachten, wie sich Nitinol verhält - anhand des Beispiels einer Büroklammer:

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Einschränkungen und Pläne für die Zukunft

Bei dem Prototyp der Studenten im Titelbild ist sofort zu erkennen, dass die Kühlkammer lediglich Platz für eine Flasche liefert – ihre Pläne reichen aber weit darüber hinaus. Es geht also erst einmal darum, das Potenzial zu veranschaulichen.

Der zukünftige Plan: Laut der Universität sind Kühlschränke nur ein Anfang. Später soll diese Erfindung auch im großen Stil zum Einsatz kommen wie zum Beispiel:

  • in Kombination mit weiteren Haushaltsgeräten.
  • zur industriellen Kühlung.
  • zur Kühlung von Elektrofahrzeugen.

Komplexität der Technologie: Laut dem Studenten Nicolas Scherer, der im Rahmen seiner Masterarbeit an dem Projekt forscht, erzielt die Kühlkammer eine Abkühlung auf etwa 10 bis 12 Grad Celsius.

Auf den ersten Blick erscheint das nicht viel und das grundsätzliche Dehnen von Metall sehr simpel, doch dieser Eindruck täuscht.

Der Prototyp ist das Ergebnis von mehr als 10 Jahren Forschung und 17 Millionen Euro Forschungsgeldern des Bundesministeriums für Bildung und wurde mehrfach ausgezeichnet.

Das Potenzial liegt also deutlich über dem des kleinen Prototypen. So schreibt die Universität:

Sie kann viel größeren Räumen Wärme entziehen als die kleine Kühlkammer, mit der die Ingenieure jetzt auf der Hannover Messe die Elastokalorik demonstrieren. Und sie kann auch viel größere Räume mit Wärme versorgen.

Wir können also gespannt sein, ob wir in der Zukunft Kühlschränke und Elektroautos mit dieser Funktionsweise in der Wohnung und auf der Straße sehen werden.

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