Android-Apps beenden: Es gibt gute Gründe, warum ihr das nicht tun solltet

Meinung: Wer auf Nummer sicher gehen und Akku sparen will, beendet Android-Apps manuell. Richtig? Falsch, sagt unser Autor Sören Diedrich.

Es gibt Artikel, die nicht auf Grundlage einer ausführlichen Recherche oder eines internen Brainstormings entstehen, sondern aus dem Privatleben heraus - so wie dieser kleine Ratgeber. Ihr könnt euch nämlich bei meiner Frau bedanken, die mich jeden Abend erneut vor dem Zubettgehen zur Weißglut treibt.

Der Grund dafür liegt in einem Ritual, dass sie tagtäglich mit beeindruckender Gewissenhaftigkeit vollzieht. Sie dreht zunächst ihre Runde, das heißt: Reddit, Instagram, Facebook, Mahjong (schnarch). Und dann? Dann öffnet sie den App-Switcher ihres Huawei P30 und beendet fein säuberlich alle Apps manuell.

Bitte, macht das nicht. Es ist meiner Meinung nach Unfug, auch wenn meine bessere Hälfte es einfach nicht einsehen möchte und darauf beharrt: Es bleibt alles so, wie es ist, und es wird sich nichts ändern! Aber wenn bei ihr schon Hopfen und Malz verloren ist, kann ich vielleicht wenigstens einigen von euch noch die Augen öffnen. Denn es gibt für mich keinen vernünftigen Grund, eure Apps derart zu behandeln.

Sören Diedrich
Sören Diedrich

Hardware-Redakteur Sören hat selbst zahlreiche Marotten, die er im Zusammenhang mit Technik an den Tag legt. Bis heute legt er zum Beispiel Wert darauf, dass sein Desktop komplett leer ist und keine Icons sein Wallpaper verdecken. Auf seinem Smartphone kriegt er die Krise, sobald sich mehr als zwei Benachrichtigungen angesammelt haben, hier muss Ordnung herrschen. Und sein Startmenü hat gefälligst unten links zu sein (ja, Windows 11, ich meine dich!). Deshalb kann er seine Frau ja irgendwie schon verstehen. Das bleibt aber unter uns, hört ihr?!

  • Apps im Hintergrund fressen meinen Akku!
  • Apps im Hintergrund kosten Leistung!
  • Apps im Hintergrund belegen zu viel Speicher!

Android-Mythen, die ich immer wieder zu hören bekomme, wenn ich verlorene Gestalten wie meine Gattin nach den Gründen frage. Dabei sieht die Wahrheit ganz anders aus.

Vor dem Schlafengehen immer alle Apps manuell schließen - oder etwa doch nicht?! Vor dem Schlafengehen immer alle Apps manuell schließen - oder etwa doch nicht?!

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Ja, eure Akkulaufzeit kann leiden - aber auch dann, wenn ihr Apps schließt!

Klingt paradox, ist mit etwas Nachdenken aber durchaus einleuchtend. Android versetzt eine nicht aktive App in einen tiefen Ruhezustand, damit sie bei Bedarf schnell wieder aufgeweckt werden kann und parat steht. In diesem Zustand nimmt sie bis auf wenige Ausnahmen wie der Anzeige einer Benachrichtigung keinerlei Rechenpower von der CPU in Anspruch.

Wenn ihr eine App aber manuell komplett schließt, sieht die Sache ganz anders aus: Alle Daten müssen erst wieder in den Arbeitsspeicher geladen und eine ganze Reihe an Prozessen abgearbeitet werden, damit euch die Anwendung wieder zur Verfügung steht.

Es ist naheliegend, welche Methode wohl mehr Leistung frisst. Wir reden hier zwar meist nur von einem kurzen Augenblick, immerhin starten Apps auf modernen Smartphones so oder so rasant. Wer aber mit dem Argument des Akkusparens kommt, der muss einsehen: Eine App komplett zu beenden, verlangt eurem Androiden wohl mehr ab als das schnelle Aufwecken aus dem Ruhezustand.

Auch Hiroshi Lockheimer, VP of Engineering für Android, bestätigte dies vor einigen Jahren in einem Tweet, als er seine Meinung zu dem Thema abgeben sollte. Leider ist die vollständige Konversation nicht mehr einsehbar, seine Antwort war aber klar:

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Auch ein Blick in die offizielle Dokumentation für Android-Entwickler legt nahe, dass ich nicht ganz Unrecht mit meiner Behauptung habe. Dort führt Google drei verschiedene Stadien auf, in die Apps versetzt werden können:

  • Kalter Start: Apps, die komplett neu gestartet werden müssen. Laut Google verbraucht das System bei diesem Vorgang kurzzeitig am meisten Systemressourcen.
  • Warmer Start: Eine App, die aus dem Zwischenspeicher geholt wird. Da nur einige Funktionen neu angestoßen werden müssen, benötigt dieser Vorgang weniger Ressourcen.
  • Heißer Start: Eine App, die einfach nur wieder in den Vordergrund geholt wird, aber die ganze Zeit im Hintergrund weitergelaufen ist. Im Alltag könnt ihr dieses Verhalten beobachten, wenn ihr in kurzer Zeit zwischen Apps hin und her wechselt.

Das manuelle Beenden eurer Apps schont nicht den Akku - ganz im Gegenteil! Das manuelle Beenden eurer Apps schont nicht den Akku - ganz im Gegenteil!

Android sorgt effektiv dafür, dass keine Leistung verlorengeht

Kommen wir zum zweiten Argument, dem befürchteten Leistungsverlust. Diese Sorge kann ich an und für sich nachvollziehen, denn gerade bei hardwarehungrigen Applikationen wie Spielen möchte man auch mobil jedes bisschen Performance aus dem Gerät kitzeln.

Dennoch ist auch das kein Grund, jede App komplett zu beenden. Schon seit Android 6.0 Marshmallow verfügt das mobile Betriebssystem über den sogenannten Doze-Modus. Diese Standby-Funktionalität soll sicherstellen, dass Apps so effizient wie möglich in den Hintergrund treten und keine anderweitig benötigten Ressourcen belegen sollen.

Anfangs war dieses Feature sogar zu aggressiv: Benachrichtigungen der jeweiligen Apps wurden nicht mehr angezeigt, Synchronisierungen nicht mehr durchgeführt. Google musste nachbessern und inzwischen ist der Doze-Modus so ausgereift, dass ihr euch um nichts mehr kümmern müsst. Apps werden schlafen geschickt und fressen somit keine relevante Menge an Leistung, während gleichzeitig alle benötigten Features der App weiterhin im Hintergrund funktionieren.

Der sogenannte Doze-Modus kümmert sich darum, dass eure Apps das System so wenig wie möglich belasten. Unter anderem auch durch regelmäßige Wartungsfenster. (Quelle: Google) Der sogenannte Doze-Modus kümmert sich darum, dass eure Apps das System so wenig wie möglich belasten. Unter anderem auch durch regelmäßige Wartungsfenster. (Quelle: Google)

Deshalb braucht ihr euch auch keine Sorgen um den Speicher zu machen. Denn Apps im Doze-Modus verbrauchen nur noch einen verschwindend geringen Bruchteil des normalerweise benötigten Platzes in eurem Arbeitsspeicher. Wenn ihr alle Apps komplett beendet, erhaltet ihr dadurch keinen nennenswerten Vorteil, weder bei der Leistung noch beim verfügbaren Speicherplatz.

Lust auf ein ungewöhnliches Smartphone? Wie wäre es damit:

Wann es sinnvoll ist, Apps manuell zu beenden

Um zum Ende hin noch etwas die Wogen bei meinem Herzblatt zu glätten: Es gibt sie ja doch noch, die Situationen, in denen das manuelle Beenden einer App nicht nur empfehlenswert, sondern gar absolut notwendig ist.

Der Klassiker dürfte auf der Hand liegen: Eine App funktioniert nicht so, wie sie soll. Sie hat sich aufgehängt, das ganze Betriebssystem fängt bereits an zu lahmen. Hier ist es natürlich unumgänglich, die Anwendung über den App-Switcher zu beenden.

Wenn das nicht hilft, hier noch ein Extra-Tipp: Geht in die Einstellungen eures Android-Smartphones und ruft die Übersicht aller installierten Apps auf. Der Menüpunkt kann je nach Hersteller etwas anders lauten - bei Samsung heißt er zum Beispiel Apps, bei Huawei und bei Sony Apps und Benachrichtigungen.

Wenn selbst das manuelle Schließen der App nichts bringt, habt ihr in den Systemeinstellungen die Möglichkeit, den Stopp zu erzwingen. Wenn selbst das manuelle Schließen der App nichts bringt, habt ihr in den Systemeinstellungen die Möglichkeit, den Stopp zu erzwingen.

In der dort auftauchenden Liste scrollt ihr bis zur problematischen App und drückt dann auf die Schaltfläche Beenden erzwingen. Dadurch wird die App komplett gekillt und die Scherereien sollten der Vergangenheit angehören.

Ein weiterer Grund, der das manuelle Schließen von euch erfordern könnte: Eine App, die aufgrund eines Bugs euren Akku auch im Hintergrund stark belastet. In diesem Fall lohnt es sich, die App zu beenden, bis ein Update erscheint, das den Fehler behebt.

Habt ihr Lust auf weitere Mythen? In den Weiten des Internets tummeln sich noch eine ganze Menge weiterer Hardware-Märchen, denen ich mich bereits angenommen habe. Welche davon sind wahr? Welche völliger Unfug? Das erfahrt ihr hier:

Wie sieht es bei euch aus? Gehört ihr der selben Fraktion wie meine Frau an und habt bislang Apps manuell beendet, oder habt ihr dem Task-Management von Android schon immer vertraut? Lasst es mich gerne in den Kommentaren wissen!

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