Wenn wir heute von Computern sprechen, meinen wir in erster Linie PCs. In zweiter Linie denken wir vielleicht an Großraumrechner respektive Server. Doch das war einmal ganz anders. Denn Computer gab es bereits im 19. Jahrhundert. Nur waren das keine Maschinen, sondern Menschen. Um genau zu sein, waren es Frauen.
Frauen wie Henrietta Swan Leavitt. Sie wurden ab 1886 am Harvard College Observatory eingestellt, um Fotos auf Glasplatten auszuwerten (zu »computen«). Damals war die Fotografie von Himmelsbeobachtungen völlig neu und sie erzeugte bis dahin nie dagewesene Mengen an Daten, die sortiert und katalogisiert werden mussten.
Frauen verdienten viel weniger als Männer
Die angestellten männlichen Astronomen reichten dafür nicht aus. Gleichzeitig war es gängige Praxis, Frauen viel schlechter zu bezahlen als Männer, weshalb die Wahl des Sternwarten-Direktors Edward Charles Pickering auf Frauen fiel.
Während dessen Amtszeit arbeiteten insgesamt 80 Frauen am Harvard College Observatory. Sie verdienten dem Tagesspiegel zufolge zwischen 25 und 50 (amerikanischen) Cent in der Stunde, während Männer in etwa doppelt so viel bekamen.
An sich handelte es sich bei den Aufgaben, die den »weiblichen Computern«, wie sie offiziell hießen, zugewiesen wurden zwar um astronomische Routinetätigkeiten, allerdings heißt das nicht, dass daraus keine bahnbrechenden Erkenntnisse gezogen werden konnten.
Die Entdeckung der Cepheiden durch Henrietta Swan Leavitt
So war oben genannte Henrietta Swan Leavitt anhand der Auswertung dieser Fotos imstande, einen Zusammenhang zwischen der absoluten Leuchtkraft von Sternen und deren Helligkeitsschwankungen herzustellen.
Die sogenannte Perioden-Leuchtkraft-Beziehung
von Cepheid-Sternen, die Leavitt im Jahr 1912 entdeckte, leistete wichtigen astronomischen Entdeckungen Vorschub.
Cepheiden sind pulsierende Sterne, die eine streng periodische Schwankung der Helligkeit aufweisen.
Aus dieser Schwankung lässt sich die absolute Helligkeit des Sterns errechnen. Durch den Vergleich zur messbaren Helligkeit kann wiederum die Entfernung bestimmt werden. Cepheiden werden darum auch als Standardkerzen bezeichnet.
Mithilfe der Perioden-Leuchtkraft-Beziehung konnten Astronomen auf einmal Entfernungen bis zu 20 Millionen Lichtjahre messen. Zuvor waren sie auf wenige Hundert Lichtjahre beschränkt.
Hubble profitierte von der Entdeckung Leavitts
Eine wichtige Erkenntnis, die direkt daraus resultierte, ist, dass es neben unserer Milchstraße auch noch weitere Galaxien gibt. Edwin Hubble hatte dazu im Jahr 1920 Cepheiden identifiziert, die aufgrund ihrer großen Entfernung außerhalb unserer Galaxie liegen mussten – die Milchstraße hat in etwa einen Durchmesser von 100.000 Lichtjahren. Bis heute wird Hubble unter anderem deshalb gerühmt.
Ohne die Vorarbeit von Henrietta Swan Leavitt hätte Hubble diese Entdeckung aber womöglich niemals gemacht. Ihr gebührt also dieselbe Ehre, die auch dem weltbekannten Astronom zuteilwurde.
Wissenswertes zu Hubble und Nebeln
Bis zu Hubbles Fund hielten Astronomen Nachbargalaxien wie die Andromedagalaxie lediglich für Nebel innerhalb der Milchstraße. Auch heute noch wird der Begriff Nebel in der Astronomie verwendet. Allerdings für interstellare Wolken aus Staub und Gas.
Hubble ist aber nicht nur deshalb bekannt. Er hat unter anderem auch die sogenannte Hubble-Konstante entdeckt, die die gegenwärtige Expansion des Universums beschreibt.
Auch Williamina Fleming steht zu Unrecht im Schatten
Ebenso große Bekanntheit wie Hubble hätte sich auch Williamina Fleming verdient. Die amerikanische Astronomin arbeitete ab 1886 als Sternenguckerin am Harvard College Observatory. Sie entwickelte anhand der Fotos auf Glasplatten ein System zur Klassifizierung von Sternen.
Aber sie entdeckte auch eine ganze Reihe an Gasnebel, Sterne und Novae. Dazu zählt der berühmte Pferdekopfnebel, den sie 1888 bei der Durchsicht von Fotografien auftat:
Auch die NASA beschäftige Frauen als Computer
Einige Jahre nach Hubble, Leavitt und Fleming bedienten sich die NASA und deren Vorgängerorganisation NACA (National Advisory Commitee for Aeronautics) ebenfalls »weiblicher Computer«, wie Smithsonian Magazine berichtet. So wurden 1935 Frauen in das Langley Memorial Aeronautical Laboratory berufen, um die Luftfahrtingenieure mit handschriftlichen Berechnungen zu unterstützen und zu entlasten.
In den 1950er- und 1960er-Jahren trugen diese Frauen entscheidend zum Erfolg von Amerikas Weltraummissionen bei. Im Gegensatz zu vielen ihrer männlichen Kollegen erlangten sie jedoch niemals Ruhm. Zumindest nicht bis vor wenigen Jahren, als der Film Hidden Figures (2016) ein Licht auf die heimlichen Heldinnen warf.
Um einen echten Computer, einen wahren Klassiker sozusagen, geht es im folgenden Beitrag:
30 Jahre Amiga - Die bewegte Geschichte des Kult-Computers
Wie geht es euch mit dieser Geschichte? Wusstet ihr bereits, dass Frauen als Computer im 19. und 20. Jahrhundert eingesetzt wurden? Habt ihr vielleicht den Film Hidden Figures gesehen? Und wie schätzt ihr die Leistungen von Henrietta Swan Leavitt und Williamina Fleming ein? Stehen sie zu Unrecht im Schatten von Hubble und Co.? Schreibt es uns gerne in die Kommentare
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