Die Strompreise sind nach dem weltpolitisch bedingten Hochstand im Herbst 2022 wieder gesunken, was nicht nur Nutzer energiehungriger Gaminghardware freut. Wer jetzt seinen Anbieter wechselt, kann unter Umständen also bereits sparen.
Immer öfter tauchen auf der Suche nach günstigen Stromanbietern auch dynamische Stromtarife, beispielsweise von Awattar, Tibber, aber auch bekannten Stromlieferanten wie Eon auf. Allen gemein ist, dass sie Preise an der Strombörse direkter weitergeben als die bekannten Fixverträge.
Der Strompreis ändert sich also nicht nur bei den meist jährlichen Änderungsrunden der Stromanbieter, sondern, je nach Tarif, monatlich, täglich oder sogar stündlich.
Ich bin vor Kurzem in einen solchen dynamischen Tarif gewechselt und möchte euch an meinen Erfahrungen teilhaben lassen. Es gibt da nämlich ein paar Dinge, die zu wissen bares Geld sparen kann.
Warum ich zu einem dynamischen Anbieter gewechselt bin
Mit den Strompreiserhöhungen Ende 2022 standen in meinem Haushalt mit zwei IT-Selbständigen und zwei PC-affinen Teenagern teure Überraschungen ins Haus. Ein Wechsel des Anbieters und die Strompreisbremse brachten etwas Entspannung, in mir war aber der Ehrgeiz entbrannt, unnötig verbrauchten Strom einzusparen.
Nicht nur wegen der jetzt schmerzlich bewusst gemachten hohen Kosten, so richtig verantwortungsbewusst war meine Stromverschwendung in den Jahren davor auch in Sachen Umwelt nicht. So langsam bildete sich ein neues Bewusstsein für Energiemengen und -preise und nebenbei bringt es Spaß den PC statt auf höchste FPS auf niedrigen Energieverbrauch ohne spürbare Einschränkungen zu optimieren.
An meinen Experimenten mit Balkonsolar könnt ihr sogar teilhaben, meine Erfahrungen damit gibt es hier zu lesen.
Nachdem im Haushalt also so viel eingespart wurde, wie ohne spürbaren Verlust an Lebensqualität vertretbar ist, bleibt noch eine weitere Optimierungsrunde beim Stromanbieter und da erschienen die Angebote dynamischer Tarife verlockend.
Was ist ein dynamischer Stromtarif?
Die aktuell meisten Stromverträge enthalten einen pauschal fürs ganze Jahr angesetzten Preis pro verbrauchter Kilowattstunde Energie, dynamische Tarife hingegen lassen euch, je nach Anbieter und Vertragsmodell, stündlich, täglich oder wöchentlich an den Schwankungen der Preise teilhaben.
An der Leipziger Strombörse kostet der Strom je nach Verfügbarkeit günstiger Energiequellen wie Sonne oder Wind mehr oder weniger. In den Morgen- und Abendstunden wird es meist etwas teurer, da hier die Privatverbraucher am meisten Strom beziehen. An den Wochenenden wegen weniger Verbrauch durch die Industrie ist es oft etwas günstiger. An den Strompreisen lässt sich im Herbst und Winter sogar ablesen, wie windig es im Land sein wird - dann fallen die Preise meist stark.
Auf die Nettopreise der Strombörse kommen allerdings noch Steuern und weitere Abgaben, was meist den größten Teil des Preises ausmacht. Darauf hat der Stromanbieter allerdings keinen Einfluss.
Unterschiedliche Strompreise in Deutschland
In vielen Berichten wird oft ein durchschnittlicher Strompreis genannt, allerdings schwanken die Preise über Deutschland verteilt extrem stark und weichen mitunter spürbar von diesem Durchschnitt ab. Das liegt daran, dass der reine Strompreis nur einen sehr kleinen Teil des von euch gezahlten Kilowattstundenpreises darstellt.
Während ich gerade an diesem Artikel schreibe, kostet mich der um diese Zusatzkosten bereinigte Strom null Cent pro Kilowattstunde. Draußen ist es stürmisch, es ist spät - ich bin eindeutig Zielgruppe dynamischer Tarife was meine favorisierten Arbeitszeiten angeht.
Trotzdem zahle ich brutto pro Kilowattstunde ganze 23 Cent. Tatsächlich sind es hier in Schleswig-Holstein und in dem Kreis, in dem ich wohne, exakt diese 23 Cent, die immer oben drauf kommen.
Weiter im Süden des Landes hingegen kostet die Kilowattstunde gerade brutto nur 13 Cent. Der eigentlich recht unfaire Grund: In Gegenden, wo die Stromnetze nicht teuer ausgebaut wurden und wo wenig in neue Energiegewinnung investiert wird, fallen die entsprechenden Umlagen auf den Strompreis deutlich geringer aus.
Fallt also nicht auf pauschale Durchschnittspreise rein, sondern schaut lieber, wie hoch diese Abgaben bei euch liegen. Diese Abgaben machen allerdings auch den Preisvergleich deutlich schwerer. Behaltet das aber auch im Hinterkopf, wenn in Netzdiskussionen mit sehr verschiedenen Preisen argumentiert wird.
Stundenbasierte dynamische Tarife sind nicht für jeden geeignet
Bei Pauschalpreisen für ganze Abrechnungstage ist die Ersparnis eher gering, die größten Schwankungen gibt es bei stundenbasierten Tarifen - allerdings nach oben und nach unten. So kann in den Abendstunden an Tagen mit wenig Wind und Sonne der Preis pro Kilowattstunde schon einmal spürbar steigen.
Oder eben auch so tief fallen, dass in sehr seltenen Fällen sogar Geld ausgezahlt wird. Im Sommer gab es für einige Nutzer bis zu 50 Cent pro Kilowattstunde ausgezahlt - ein guter Zeitpunkt, alle Akkus im Haus vollzuladen und die Wäsche zu waschen.
Wer nun allerdings den Tag über außer Haus arbeitet oder studiert und seinen primären Verbrauch ausgerechnet in den teuren Morgen- und Abendstunden hat, zahlt hier eher drauf. Generell sind die Preisunterschiede zu günstigen Fixpreistarifen im Mittel weniger groß als die Werbung der Anbieter suggeriert.
Am meisten profitieren Haushalte, die große Verbraucher wie Wärmepumpen oder ein eAuto haben, deren Energieaufnahme sich zeitlich anpassen lässt. Es ist daher nicht ganz unwichtig, darauf zu achten, dass der Stromanbieter eine Automatisierung unterstützt. So lädt beispielsweise das Auto erst dann, wenn der Preis unter einer selbst festgelegten Schwelle liegt.
Wärmepumpen lassen sich meist ähnlich automatisieren, das funktioniert bei ungedämmten Häusern allerdings weniger gut, da dort das warme Wasser als Energiepuffer zu schnell wieder abkühlt und die Heizung zu oft anspringen muss. Je besser die Dämmung, desto höher ist die Ersparnis - und das gleich doppelt.
Auch der Stromzähler muss passen
Damit der Stromanbieter überhaupt stundenbasierte Daten über den Verbrauch bekommt, muss ein passender Stromzähler vorhanden sein. Wer noch ein altes Ferraris-Modell, das mit der sich drehenden Scheibe, hat, ist außen vor. Aber auch viele modernere Zähler, Messeinrichtungen genannt, sind mitunter nicht kompatibel.
Die Anbieter informieren darüber meist auf ihren Webseiten, ansonsten kommt aber auf jeden Fall eine Ablehnung des Vertrages, wenn bei Vertragsabschluss festgestellt wird, dass der Zähler nicht passt.
Da bislang nur sehr wenige echte Smart Meter mit Direktübertragung der Verbrauchsdaten in deutschen Haushalten verbaut sind, bietet Tibber beispielsweise ein Messgerät namens Pulse zusätzlich an. Es wird auf den an vielen Zählern vorhandenen optischen Kommunikationsport geklemmt und empfängt Daten per Lichtimpuls.
Um den Zähler dafür freizuschalten, muss übrigens vorher eine PIN beim Netzanbieter angefordert werden, die in bester Hightechmanier per Blinksignal einer Taschenlampe eingegeben werden muss. Kein Witz, auch wenn es zum Kopfschütteln ist.
In einer recht übersichtlichen App lässt sich dann der Stromverbrauch der ganzen Wohnung live anschauen. Das ist durchaus praktisch, um verborgenen Stromverschwendern auf die Spur zu kommen und ein Gefühl für den Verbrauch zu bekommen.
Fazit: Ich bin privilegiert, ich kann sparen
Für mich lohnt sich der dynamische Tarif, mein durchschnittlicher Preis pro Kilowattstunde lag im letzten Monat ein paar Cent unter dem des günstigsten Anbieters im Preisvergleich. Zudem arbeite ich von Zuhause und bevorzugt nachts - also dann, wenn es günstig wird. In der Zeit lassen sich dann auch Waschmaschine und Geschirrspüler nutzen.
Da mein Balkonkraftwerk inzwischen um einen Akku erweitert wurde, lässt sich ein wenig des günstigen Stroms auch speichern und zu teureren Zeiten nutzen. Das rechnet sich allerdings aufgrund von Verlusten beim Laden und Entladen, aber nur bei spürbar großen Preisdifferenzen. Wer einen Akku mit EEG-Förderung nutzt, darf übrigens nicht aus dem Netz laden und später wieder einspeisen, mein Energielieferant stammt allerdings eher aus dem Campingzubehör.
Würde ich anderen zu einem dynamischen Tarif raten? Das kommt darauf an... Wer die Möglichkeit hat, seinen Stromverbrauch in die günstigen Zeiten zu legen und zudem ein bisschen wagemutig ist, kann durchaus profitieren.
Besitzer eines elektrisch angetriebenen Autos sind definitiv die Zielgruppe. Wer aber nicht gut damit schlafen kann, dass der Strompreis, wie im Herbst 2022, auch kräftig steigen kann, sollte Abstand nehmen - selbst bei nur einem Monat Kündigungsfrist einiger Anbieter.
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