ChatGPT als deutscher Priester - Erster Gottesdienst von KI abgehalten

Wenn Maschinen predigen: Leinwand, monotone Stimmen und ChatGPT. Nicht jeder ist begeistert vom Fortschritt in der Kirche.

Auch vor der Religion macht ChatGPT keinen halt. (Bild: AdobeStock - Paul) Auch vor der Religion macht ChatGPT keinen halt. (Bild: AdobeStock - Paul)

Technologie und Glauben haben im Alltag auf den ersten Blick nicht viel miteinander zu tun. Trotzdem kommt es vor, dass sich die beiden Bereiche kreuzen. So zum Beispiel am deutschen Kirchentag.

Am vergangenen Freitag versammelten sich über 300 Menschen zu einem experimentellen Gottesdienst in der St. Paul-Kirche im bayrischen Fürth, um einer ungewöhnlichen Premiere beizuwohnen: 

Denn der KI-basierter Chatbot ChatGPT hat den dortigen Gottesdienst verfasst und präsentiert. Wie die Webseite des Kirchentags berichtet, war die Predigt rund 45 Minuten lang und wurde von Avataren auf einer Leinwand abgehalten. Angeblich waren nur 2 Prozent der Texte nicht von der KI generiert.

Monoton in die Zukunft des Glaubens

Der Gottesdienst wurde im Rahmen des Deutschen Evangelischen Kirchentags vorgetragen - einer alle zwei Jahre in Deutschland stattfindenden Veranstaltung, die Zehntausende von Teilnehmern anzieht. 

Die Kirche war bis auf den letzten Platz gefüllt. (Bild: AP PhotoMatthias Schrader) Die Kirche war bis auf den letzten Platz gefüllt. (Bild: AP Photo/Matthias Schrader)

Die Idee für diesen außergewöhnlichen Gottesdienst kam von Jonas Simmerlein, Theologe und Philosoph an der Universität Wien. Er hat ChatGPT den Auftrag gegeben, den Gottesdienst zu verfassen, und den gesamten Prozess überwacht.

Der Gottesdienst konzentrierte sich auf Themen wie das Loslassen der Vergangenheit und die Überwindung der Angst vor dem Tod.

Die Meinungen sind gespalten

Die Reaktionen auf den von der KI geleiteten Gottesdienst waren gemischt. Der ein oder andere Prediger-Avatar musste sich gelegentlich Gelächter gefallen lassen. Das lag wohl hauptsächlich an der emotionslosen Darstellung und der monotonen Stimme. 

Jonas SImmerlein, Theologe und Philosoph von der Universität von Wien. Er hat das Projekt ins Leben gerufen. (Bild: AP PhotoMatthias Schrader) Jonas SImmerlein, Theologe und Philosoph von der Universität von Wien. Er hat das Projekt ins Leben gerufen. (Bild: AP Photo/Matthias Schrader)

Der experimentelle, KI-gesteuerte Gottesdienst zog so viel Interesse auf sich, dass sich schon eine Stunde vor Beginn eine lange Warteschlange vor der Kirche bildete. 

Einige Gemeindemitglieder wie die 54-jährige IT-Expertin Heiderose Schmidt fanden die fehlenden Emotionen und die schnelle, monotone Rede des Avatars abstoßend (via apnews):

»Es gab kein Herz und keine Seele. Die Avatare zeigten keinerlei Emotionen, hatten keine Körpersprache und sprachen so schnell und monoton, dass es mir sehr schwerfiel, mich auf das zu konzentrieren, was sie sagten. [...] Aber vielleicht ist es für die jüngere Generation, die mit all diesen Dingen aufgewachsen ist, anders.«

Andere, wie der 31-jährige lutherische Pastor Marc Jansen, hatten eine positivere Sichtweise:

»Ich hatte mir eigentlich Schlimmeres vorgestellt. Aber ich war positiv überrascht, wie gut es funktioniert hat. Auch die Sprache der KI funktionierte gut, obwohl es manchmal noch etwas holprig war.«

Die niederländische Anna Puzio, die auch an dem Gottesdienst teilgenommen hat, ist der Meinung, dass künstliche Intelligenzen der Religion von Nutzen sein könne. Sie warnt aber auch vor Gefahr:

»Die Herausforderung, die ich sehe, ist, dass KI sehr menschenähnlich ist und dass man sich leicht von ihr täuschen lassen kann«

Was war die Absicht hinter dem Experiment?

Simmerlein betont, dass seine Absicht nicht darin bestand, religiöse Führungspersonen zu ersetzen. Stattdessen wolle er KI als Werkzeug einsetzen, das ihnen helfen könnte. 

Zum Beispiel könnte KI Ideen für kommende Predigten liefern oder den Prozess des Predigtschreibens beschleunigen, um den Geistlichen mehr Zeit für individuelle geistliche Begleitung zu ermöglichen.

Die Gefahr: Wenn in Zukunft Geistliche vermehrt auf Sprachmodelle als Orientierungshilfe beim Schreiben von Predigten zurückgreifen, könnten Gemeindemitglieder möglicherweise unbeabsichtigt neuartige Interpretationen religiöser Lehren hören, da KIs noch lange nicht fehlerfrei agieren.

James Vincent, Senior-Redakteur beim Tech-Magazin The Verge, macht währenddessen schon auf eventuelle Probleme aufmerksam, die durch KI-Gottesdienste in Zukunft auftreten können:

»In Erwartung künftiger Spaltungen aufgrund von Sprachmodellhalluzinationen - das Äquivalent zu Fehlübersetzungen zwischen Aramäisch und Altgriechisch«

Simmerlein ist sich der Gefahr bewusst. Trotzdem ist er der Überzeugung, dass man den Umgang mit künstlichen Intelligenzen früh lernen sollten:

»Künstliche Intelligenz wird unser Leben in all seinen Facetten zunehmend übernehmen, [...] und deshalb ist es sinnvoll, zu lernen, damit umzugehen.«

Wie würdet ihr es finden, wenn euer Prediger oder andere Menschen in eurem Leben durch KI ersetzt werden würden? Lehrer und Professoren zum Beispiel. Oder einfach der Chef? Schreibt uns eure Meinungen gerne in die Kommentare!

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