Balkonkraftwerke sind momentan in aller Munde und verkaufen sich wie ein neues FIFA, sie haben aber einen entscheidenden und auf der Hand liegenden Nachteil: Wenn die Sonne nicht scheint, wird kein Strom produziert. Und scheinen tut sie meist in der Zeit, wo viele Menschen bei der Arbeit, in der Schule oder an der Uni sind.
Die häufig angebotenen Balkonkraftwerke kommen zudem meist mit zwei Solarpanels für mehr als 800 Watt Peakleistung und einem Wechselrichter, der davon maximal 600 Watt ins Stromnetz einspeisen darf. Ab Januar 2024 sollen es sogar 800 Watt werden.
Nur liegt der Grundverbrauch vieler Haushalte, also der Energiebedarf von immer aktiven Geräten wie Kühlschrank, Router und so weiter, viel niedriger als 600 Watt. Richtig Energie verbrauchen die meisten nach dem Aufstehen, beim Kochen und zum Feierabend. Meist sonnenarme Zeiten.
Helfen könnte hier ein Akku, der den tagsüber produzierten Strom speichert und dann abgibt, wenn er benötigt wird. Also beim Zocken.
Eines solcher Systeme, zudem ein vergleichsweise flexibles, ist vor kurzem von der für ihre Powerstations bekannten Firma Ecoflow veröffentlicht worden: Powerstream. Wir haben es uns die letzten Wochen genau anschaut und für euch getestet.
Was genau ist Ecoflow Powerstream eigentlich?
Die den meisten aktuell verkauften Balkonkraftwerken beiliegenden Wechselrichter, also die Geräte, die den geernteten Solarstrom in für unsere Stromnetze nutzbaren Wechselstrom umwandeln und einspeisen, sind dumm. Das ist nicht böse gemeint, ihre Aufgabe erledigen sie zumeist wie gewünscht und ohne zu murren. Einfach und ohne Basteln einen Akku daran anschließen, wie bei den großen Dach-PV-Anlagen, geht aber üblicherweise nicht.
Dafür braucht es einen sogenannten Hybrid-Wechselrichter, der sich auf den Umgang mit Akkuspeichern versteht und sowohl in Akkus einspeisen als auch Energie aus ihnen heraus ins Stromnetz leiten kann. Diese Funktion bietet bislang allerdings keiner der populären Micro-Wechselrichter von Hoymiles, Deye oder ähnlichen Anbietern.
Vorhang auf für Ecoflow Powerstream: An diesen technisch für bis zu 800 Watt Einspeisung (in Deutschland vorerst auf 600 Watt gedrosselt) vorgesehenen Wechselrichter lässt sich auch eine Powerstation als Hausakku anschließen. Und natürlich aus dem Akku ins Hausnetz einspeisen.
Nachteil dabei ist allerdings, dass das nur mit Powerstations von Ecoflow funktioniert. Ein proprietäres Kabel verbindet die Powerstations der Reihen River und Delta mit dem Powerstream, andere Hersteller wie Jackery oder Bluetti bleiben außen vor.
Hier ist Konkurrent Zendure mit Solarflow einen anderen Weg gegangen: Dort wird euer bestehendes Balkonkraftwerk um eine Zusatzstation mit angeschlossenem Akku erweitert, allerdings kann dieser auch nur für das Balkonkraftwerk genutzt werden. Der Ansatz von Ecoflow ermöglicht euch, die Powerstation zum Festival zu schleppen während Powerstream weiterhin Strom ins Haus speist.
Mit Akku durch die Nacht
Das von uns getestete Set besteht aus dem Powerstream-Wechselrichter, der Ecoflow Delta 2 Max Powerstation mit 2 kWh Kapazität, zwei Smart-Plugs und vier flexiblen Panels mit je 100 Watt, die uns von Ecoflow zum Test zur Verfügung gestellt wurden. Der Preis dieses Bundles liegt momentan bei 3.239 Euro, Powerstream selbst bekommt ihr für 279 Euro und das Bundle ohne Solarpanels für 2.073 Euro.
Der teuerste Posten hierbei ist die Powerstation: Die Ecoflow Delta 2 Max kostet alleine bereits gut 2.000 Euro im Einzelkauf. Wenn ihr einen sehr geringen Grundverbrauch habt, reicht eventuell bereits ein Modell mit nur einer Kilowattstunde Kapazität, mir persönlich wäre aber sogar noch mehr Speicher lieb gewesen.
In der Ecoflow-App lässt sich bequem auf dem Smartphone einstellen, wie viel Strom ins Hausnetz fließen soll. Dafür solltet ihr grob wissen, wie hoch euer Grundverbrauch ist. Dieser wird dann immer abgedeckt, im Zweifel durch den Akku wenn gerade eine Wolke die Sonne verdunkelt. Wird mehr produziert als nötig, landet der Überschuss in der Powerstation.
Sehr praktisch sind auch die Ecoflow Smart-Plugs. Genehmigt sich ein damit verbundenes Gerät Strom, wird das auf den eingestellten Grundbedarf addiert, im Zweifel aus dem Akku. So werden beispielsweise die Kühlphasen des Kühlschranks abgedeckt. Oder die Lastphasen des Gaming-PCs.
Geladen wird mit Sonnenenergie
Der Powerstream-Wechselrichter verfügt über zwei sogenannte MPPTs (Maximum Power Point Tracker) mit je 400 Watt Leistung. Diese messen den eingehenden Strom und sorgen dafür, dass immer der beste Ertrag erzielt werden kann, selbst wenn sich eine Wolke vor die Sonne schiebt.
Die soliden und fest sitzenden aber proprietären Stecker von Ecoflow enden in handelsüblichen MC4-Steckern, ihr könnt also so gut wie jedes Solarmodul daran anschließen, das einen maximalen Leerlaufstrom von 55V nicht überschreitet. Wir haben testweise problemlos sowohl 2x 425 Watt als starre Module als auch 4x 100 Watt in Form flexibler Module (in Reihe geschaltet) angeschlossen.
Der Ertrag damit fiel immer ein wenig geringer aus als beim zum Vergleich genutzten Hoymiles, zudem war am Anfang der Testzeit auch der Ertrag bei schlechtem Licht ungewöhnlich schlecht. Es dauerte spürbar länger, bis hier Strom erzeugt wurde, die Panels am Hoymiles konnten da bereits einiges an Sonnenenergie umwandeln. Dieses unpraktische Verhalten wurde aber kürzlich per Firmwareupdate behoben.
Unser Tipp: Besorgt euch Fensterdurchführungen für Solarkabel mit MC4-Stecker. Mit diesen braucht ihr keine Löcher in Wände bohren oder Fenster zur Kabeldurchführung auf Kipp stellen. Ich habe mir inzwischen auch die Dachfenster mit Solarpanels bestückt (schützt neben der Stromerzeugung auch vor Sommerhitze) und möchte diese Durchführungen nicht mehr missen:
Optimierungsbedarf: Die Software fühlt sich an wie aktuelle AAA-Games
Und wo wir schon bei Updates sind: Sowohl die Stabilität der WLAN-Verbindung von Wechselrichter und Powerstation als auch die App selbst stecken in Sachen Powerstream noch in den Kinderschuhen. Teilweise werden keine Erträge geloggt: Ab 18 Uhr scheint der Cloudserver von Ecoflow zudem in Feierabend zu gehen und keine Erträge mehr zu verzeichnen. Einstellungen zur Priorisierung von Akku oder Hausverbrauch werden nicht immer sofort übernommen.
Und das simultane Akku-Laden mit Powerstream und an die Delta 2 Max zusätzlich angeschlossenen Panels funktioniert noch nicht - ein Update ist für die nächsten Wochen oder Monate angekündigt. Bislang speist Powerstream den Strom der damit verbundenen Panels immer ins Hausnetz wenn die Delta 2 Max mit eigenen PV-Modulen geladen wird, statt die Option zu bieten, die Powerstation ebenfalls zu laden.
Wenn 2024 eine Gesetzesänderung voraussichtlich 800 Watt statt 600 Watt Einspeiseleistung erlaubt, wird Ecoflow laut eigener Aussage ein Update für den Wechselrichter anbieten. Allerdings wohl leider nicht kostenlos. Jetzt schon 800 Watt Solarleistung rauskitzeln geht aber trotzdem: Wird ein Teil (bis 600 Watt also) ins Hausnetz eingespeist und der Rest in den Akku, können die maximal möglichen 800 Watt genutzt werden, die die Solartracker verarbeiten können.
Ähnlich wie bei AAA-Games wie Hogwarts Legacy wird an App und Firmware also weiter geschraubt. Wer sich Powerstream und Powerstation aber zum aktuellen Zeitpunkt kauft, sollte die Kinderkrankheiten im Hinterkopf haben.
Was kann ich mit einem Akku am Balkonkraftwerk sparen?
Wenn es um die möglichst schnelle Amortisierung der Investition geht, solltet ihr vorerst die Finger von Akkuunterstützten Balkonkraftwerken lassen. Selbst wenn wir von einem Strompreis von 40 Cent die Kilowattstunde (Strompreisbremse, es gibt auch wieder günstigere Tarife) ausgehen und naiv annehmen, wir würden die Powerstation jeden Tag mit 2 kWh aus der Sonne füllen können ohne dabei die Hauseinspeisung zu benachteiligen, habt ihr die 2.000 Euro Erstinvestition erst nach 5.000 Tagen wieder heraus.
Selbst wenn in Zukunft Powerstream und Zusatzakku mit eigenen Panels geladen werden können (hier fehlt noch das passende Firmwareupdate), damit auch genug Strom reinkommt, solltet ihr von mindestens 10 Jahren ausgehen, bis ihr Geld spart. Gute Nachrichten: Immerhin setzt Ecoflow zumindest bei der Delta 2 Max auf LiFEPo4-Akkus, die weniger schnell an Leistung verlieren als Lithium-Ionen-Akkus. Die Powerstation dürfte also tatsächlich gute 10 Jahre durchhalten, bis sie auf 80% ihrer Kapazität degradiert ist. Und auch dann lässt sie sich meist ja noch problemlos nutzen.
Balkonkraftwerk bei Blackout
Auch wenn ein echter Blackout in Deutschland eher unwahrscheinlich ist, stellt sich vielen Menschen die Frage, ob ihr Balkonkraftwerk im Falle des Falles trotzdem Strom produziert. Nein, tut es nicht. Auch der Powerstream-Wechselrichter benötigt eine anliegende Netzspannung um Strom ins Hausnetz zu leiten. Bei Stromausfall bleibt es daher dunkel, auch der Akku darf seinen Strom dann nicht einspeisen.
Was möglich wäre: Verbraucher direkt in die Powerstation stecken. Deren AC-Ausgänge vertragen sogar die hohen Anlaufströme von Wäschetrockner, Waschmaschine (zumindest von meiner) oder Kaffeemaschine. Einen Elektroherd werdet ihr aber üblicherweise nicht anschließen können. Achtung allerdings, Waschmaschine und Trockner leeren eine volle Powerstation sehr schnell, 2 kWh sind für diese Verbraucher schon eher wenig Kapazität.
Fazit
Auch wenn die Kinderkrankheiten der Ecoflow-App und der Produktfirmware noch etwas nerven und einige eigentlich automatisierte Funktionen noch manuell angestoßen werden müssen, halte ich Ecoflows Powerstream für ein gutes und in vielen Punkten durchdachtes Produkt. Den Powerstream-Wechselrichter würde ich sogar einfach so empfehlen, statt eines Hoymiles oder Deye beispielsweise - alleine die Option, mit einer Powerstation ein Akku-Balkonkraftwerk zu schaffen, ist praktisch.
Dabei ist die Amortisation der Anlage natürlich eher schwer zu realisieren, das sollte jedem bewusst sein, der damit liebäugelt. Wer hingegen eh eine Powerstation für Camping oder Festivals anschaffen möchte oder bereits eine Delta oder River von Ecoflow besitzt, kann anders rechnen. Die Powerstation kann einfach aus dem Balkonkraftwerk entnommen werden, die restliche Funktionalität bleibt erhalten.
Besitzer von Powerstations anderer Hersteller wie Bluetti oder Jackery hingegen haben keine Möglichkeit, diese an Powerstream anzuschließen, da die proprietären Ports fehlen. Bluetti allerdings arbeitet bereits selbst an einer vergleichbaren Lösung.
Generell ist zu beobachten, dass der Trend zum Balkonkraftwerk mit Zusatzakku geht. Zendure Solarflow, Ecoflow Powerstream, sogar Anker bringt ein Solix-Erweiterungssystem für Balkonsolar auf den Markt. Jetzt müssen nur die Preise für die Akkus noch stark nach unten gehen, damit es auch finanziell eine sinnvolle Option ist.
Eines gilt aber jetzt schon: Es fühlt sich sehr gut an, auch Nachts kaum noch Strom vom Anbieter kaufen zu müssen und das Herumspielen mit den Möglichkeiten der App und der Geräte bringt sehr viel Spaß. Jedenfalls, wenn Hard- und Software machen, was sie sollen.
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