Bei Minusgraden im Winter mit dem PC heizen: Geht das wirklich - und sollte man es tun?

Die aktuelle Lage in Europa hat mich zu einem Gedankenexperiment verführt, das gleich mehrere Probleme von Stromalternativen zum Heizen per Gas aufzeigt.

Update, 16. Dezember: Ich habe den Artikel aktualisiert und Messungen zur Heizleistung eines Gaming-Systems bei den aktuell sehr niedrigen Außentemperaturen durchgeführt. Ihr findet die konkreten Werte im Abschnitt PC als Heizung im Selbsttest bei Minusgraden.

Den wichtigsten Aspekt dieses Artikels schicke ich direkt vorweg: Es gibt gute Argumente dagegen, per Strom zu heizen. Das gilt auch für einen Gaming-PC - selbst wenn er im Gegensatz zu Alternativen wie den in diesem Jahr zeitweise schlecht lieferbaren Heizlüftern und Radiatoren oft bereits vorhanden ist und durchaus einige Abwärme erzeugen kann.

Aber springen wir zunächst zum Beginn dieses Gedankenexperiments, das durch Äußerungen eines Professors für Thermodynamik und durch aktuelle Warnungen des Verbands der Elektrotechnik (VDE) und des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) ergänzt wird.

Wie kommt man auf die Idee, per PC zu heizen?

Der durch die Folgen des Ukraine-Konflikts befürchtete Gasmangel ist immer noch ein Thema, insbesondere mit Blick auf die Sorge, im weiteren Verlauf des Winters nicht genug heizen zu können. Das gilt nicht nur für die Medienpräsenz, sondern auch für mein privates Umfeld. So gehört mein Vater beispielsweise bereits seit dem Frühjahr zu den vielen neuen Besitzern eines elektrischen Heizgeräts.

Hinweis
Der Ukraine-Krieg kann Sorgen und Ängste auslösen. Ihr seid damit nicht allein. Lasst euch helfen, wenn es zu viel wird und ihr jemanden zum Reden braucht (alle Angebote kostenfrei):
Deutschen Telefonseelsorge:

Ebenfalls Ansprechpartner bei Angst und Panik ist das Hilfe-Telefon Mutruf. Den Verein erreichen ihr telefonisch unter 04191 / 2749280.

Mit zwei kleinen Kindern wird man bei solchen Themen vielleicht nochmal schneller hellhörig. Um so deutlicher hat eine Frage meiner Frau bei mir nachgehallt, die sie vor ein paar Monaten beim Betreten meines Büros stellte: Puh, ist das warm hier drin - hast du die Heizung an?!. Verständlich, dass sie irritiert war, schließlich gab es damals bei einer Außentemperatur von 21 Grad keinen Grund, die Heizung anzumachen.

Des Rätsels Lösung: Ich habe eines meiner Testsysteme für einen Artikel zu einem sehr empfehlenswerten Grafikkartentrick im Hintergrund mit Cyberpunk 2077 gequält - und das bedeutet Temperaturen im Bereich von 70 Grad für die CPU und die GPU, was die Raumtemperatur auf Werte im Bereich von 26 Grad erhöht hat.

Es handelt sich wohlgemerkt um ein offenes Testsystem, die Hardware ist also nicht in einem Gehäuse verbaut. Außerdem ist mein Büro mit etwa zehn Quadratmetern recht klein, hat nur ein Fenster und die einzige Außenwand ist sehr schmal.

Da meine Frau und ich erst kurz zuvor über das mögliche Heizproblem im Winter und die zu dem Zeitpunkt deutlich teureren und schlechter verfügbaren Gas-Alternativen per Strom wie Ölradiatoren (siehe das Bild unten) gesprochen haben, wurde ich spontan hellhörig: Könnten wir zur Not wenigstens mein Büro mit meinem Gaming-PC heizen?

Ein immer häufiger zu sehendes Bild: Elektrische Heizgeräte, die erst in ein paar Monaten lieferbar sind. Ein immer häufiger zu sehendes Bild: Elektrische Heizgeräte, die erst in ein paar Monaten lieferbar sind.

Durchaus charmant ist in dem Zusammenhang auch der Umstand, dass der von mir kontaktierte Professor Dr. Burak Atakan vom Lehrstuhl für Thermodynamik an der Universität Duisburg-Essen überlegt, aus meiner Anfrage eine Klausurfrage zu machen. Aber zurück zum Thema.

Der PC hat einen großen Vorteil...

An dieser Stelle kommen zunächst die bereits oben angesprochenen Warnungen des VDE und des DVGWs in Spiel. Sie haben sich bereits vor Monaten klar für eine Vermeidung von elektrischen Direktheizgeräten ausgesprochen und meinen damit die besagten Heizlüfter, Radiatoren und Co.

Der Grund: Unsere Stromversorgung ist für eine derartige gleichzeitige Zusatzbelastung nicht ausgelegt, so Dr. Martin Kleimaier, Leiter des Fachbereichs Erzeugung und Speicherung elektrischer Energie der Energietechnischen Gesellschaft im VDE (VDE ETG).

Kein Wunder, schließlich verbrauchen solche Direktheizgeräte meist Werte im vierstelligen Watt-Bereich. Ein mehr als beachtlicher Zuwachs, der durch die zahlreichen Neuanschaffungen zu einem großen Problem werden könnte, wie die folgende Annahme verdeutlicht:

Etwa 50 Prozent der ca. 40 Millionen Haushalte in Deutschland heizen derzeit mit Gas. Bei der einfachen Annahme, dass an einem sehr kalten Wintertag im Mittel in der Hälfte dieser Haushalte ein elektrisches Heizgerät mit einer typischen Leistungsaufnahme von 2.000 Watt in Betrieb wäre, kommt man überschlägig zu einem zusätzlichen elektrischen Verbrauch von rund 20 Gigawatt. Dies entspricht einer Steigerung der aktuellen Jahreshöchstlast in Deutschland um ein Viertel, was weder die Stromnetze noch die vorhandenen Kraftwerke leisten könnten, zumal Gaskraftwerke in einer Gasmangellage ebenfalls nicht verfügbar wären.

Pressemitteilung des VDE und DVGW

Gaming-PCs mildern zwei der damit verbundenen Nachteile deutlich ab. Zum einen verbrauchen sie viel weniger Strom, typisch sind selbst bei schnellen Rechnern unter Spielelast Werte im Bereich von 300 bis 500 Watt. Zum anderen sind sie bereits vorhanden und ohnehin oft im Einsatz. Ganz so leicht ist es bei genauerem Hinsehen dann aber doch nicht.

Apropos Oft im Einsatz: Ob es zum Sparen von Energie und Geld empfehlenswert ist, euren Rechner während des Schlafens vom Strom zu trennen, erfahrt ihr im folgenden Artikel.

...der aber auch ein großer Nachteil ist

Gaming-PCs mögen zwar bereits oft vorhanden sein und genutzt werden. Es wäre aber trotzdem nochmal eine ganz andere Belastung der Stromnetze, wenn sie im Winter auf einmal in vielen Haushalten gleichzeitig und dauerhaft zum Heizen unter hoher Last laufen würden.

Außerdem bedeutet eine geringere Leistungsaufnahme letztlich auch eine geringere Heizleistung, was Dr. Atakan auf meine Anfrage zu dem Thema hin bestätigt: Am Ende ist Ihr PC eine Elektroheizung, aber mit 300 Watt keine besonders leistungsstarke.

Immerhin: In einem kleinen Raum wie meinem Büro merkt man den Effekt auch laut Atakan durchaus, was ja bereits die überraschte Reaktion meiner Frau gezeigt hat. Konkret sagt er dazu Folgendes:

Wie groß der Beitrag zum Heizen Ihres Raumes oder Ihrer Wohnung ist, hängt natürlich von der Größe der Wohnung, der Isolation und so weiter ab. Über den Daumen gepeilt geht man von etwa fünf bis sechs Kilowatt pro 100 Quadratmeter Heizleistung aus, das heißt ihr Rechner trüge in diesem Fall ca. fünf Prozent der Energie der gesamten Wohnung bei. Wenn Sie aber einen kleinen Raum damit heizen, zum Beispiel fünf bis zehn Quadratmeter, sieht es besser aus und dann bemerken Sie das schon gut.

PC als Heizung im Selbsttest bei Minusgraden

Mittlerweile ist es Dezember und ich kann die obige Aussage nun anhand eigener Erfahrungen bei Minus drei Grad Außentemperataur bestätigen.

Läuft mein Testsystem ein gewisse Zeit mit Geforce RTX 3080 und Ryzen 9 7900X beim Spielen vom aktuellen Next Gen Update zu The Witcher 3, messe ich in meinem Büro eine Raumtemperatur von 22 Grad. Die Temperatur der Luft, die nahe an dem offenen Testsystem austritt, erreicht dabei bis zu 55 Grad.

Zum Vergleich: In den anderen Räumen, in denen keine Heizung läuft, liegt die Temperatur gleichzeitig bei etwa 17 bis 18 Grad. Arbeitet man wie ich am PC ohne viel Bewegung, wird das auf Dauer auch bei dicker Kleidung mit Zwiebelprinzip durchaus unangenehm frisch, zumindest meinem Empfinden nach.

Es gibt aber einen großen Haken dabei: Selbst wenn wir von einem gut isolierten, kleinen Raum mit wenig Fenstern ausgehen, gibt es meist Nachbarräume - und wenn die auskühlen und die Temperatur im gewünschten Raum einmal zu sehr sinkt, wird es für eine so vergleichbar leistungsschwache Elektroheizung wie einen Gaming-PC laut Atakan schwer, dauerhaft dagegen anzukämpfen.

Durch den offenen Aufbau meiner Testsysteme kann sich die Wärme, die sie erzeugen, schneller im Raum verteilen als bei geschlossenen Gehäusen. Allzu groß ist die Heizleistung eines PCs mit Blick auf eine ganze Wohnung letztlich aber nicht. Durch den offenen Aufbau meiner Testsysteme kann sich die Wärme, die sie erzeugen, schneller im Raum verteilen als bei geschlossenen Gehäusen. Allzu groß ist die Heizleistung eines PCs mit Blick auf eine ganze Wohnung letztlich aber nicht.

Weder Gaming-PCs noch Heizlüfter sind eine echte Alternative

Zu guter Letzt spricht Atakan dasselbe Problem an wie der VDE und der DVGW: Am Ende bleibt [...] die Frage, wo der ganze Strom herkommt, wenn wir alle damit direkt elektrisch heizen wollten. Bisher ist der Energiebedarf für Wärme größer, als der für Strom und es gibt keinen großen Überfluss an Strom.

So sehr ich es als Vater von zwei Kindern und aufgrund meiner spontanen Impulse zu dem Thema auch verstehen kann, dass man sich nach Alternativen umschaut und dabei schnell auf vergleichsweise günstige Lösungen wie Heizlüfter und Radiatoren stößt, so wenig scheinen sie mir dazu geeignet zu sein, einen möglichen Gasmangel auszugleichen - und das betrifft auch Gaming-PCs.

Sehr teuer ist das Heizen per Strom obendrein, was in Anbetracht der steigenden Preise immer mehr auch für das Heizen per Gas gilt. Wenn ich aber bedenke, was die Menschen in der Ukraine und in anderen Ländern der Welt erleiden müssen, sind das letztlich Luxusprobleme, so gravierend sie uns teilweise auch erscheinen mögen.

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