Warum habe ich für meinen Urlaub auf eine Digitalkamera verzichtet?

Kann man für Urlaubsfotos komplett auf Elektronik und Automatiken verzichten? Ich habe es für euch getestet.

Um euch die Feiertage und die Zeit zwischen den Jahren mit unterhaltsamen und informativen Inhalten zu versüßen, haben wir handverlesen GameStar-Tech-Artikel ausgesucht, die uns 2023 in besonderer Erinnerung geblieben sind und deren Lektüre wir euch sehr ans Herz legen.

Dieser Artikel ist einer davon. Die Redaktion wünscht frohe Feiertage!

In meinem letzten Urlaub nach Vietnam habe ich mir eine ganz besondere Herausforderung gestellt: Ich wollte alle Urlaubsfotos mit einem kompletten Verzicht auf Elektronik machen. Falls sich jetzt einige von euch fragen: »Wie soll man Fotos ohne Elektronik schießen können?« Die Antwort darauf: Mechanische Kameras.

Bei solchen Kameras sind alle Funktionen, die zum Fotografieren notwendig sind, komplett mechanisch und deswegen können sie ganz ohne Akkus und Batterien verwendet werden. Wie ich dabei vorgegangen bin und ob mein kleines Experiment erfolgreich war, zeige ich euch hier.

Worauf habe ich mich beschränkt? 

Als Kamera habe ich die Nikon FM2n verwendet. Das M im Namen steht für »Mechanical« und sie ist eine meiner absoluten Lieblings-Kameras der letzten Jahre. Sie besteht fast komplett aus Metall, das Design ist zeitlos und für das Nikon F-Bajonett gibt es eine riesige Menge an hochwertigem Glas. 

Ein Selfie mit der Kamera darf nicht fehlen. Ein Selfie mit der Kamera darf nicht fehlen.

Wie der Name also verraten mag, sind alle Einstellungen der Kamera ohne Batterie verfügbar. Die Blende verstellt man am Objektiv - zu dem ich gleich komme - die Belichtungszeit über ein Rädchen auf der Oberseite und die Empfindlichkeit gibt der eingelegte Film vor.

Die FM2n hat zwar einen Belichtungsmesser, damit man im Sucher die korrekten Belichtungs-Einstellungen sehen kann, jedoch habe ich bewusst vor dem Urlaub die Batterien aus der Kamera entfernt - ich wollte für jedes Bild jede Einstellung selbst wählen und einschätzen. 

Eine Traum-Kombination: Nikon FM2n und das Voigtländer 28mm F2.8. Eine Traum-Kombination: Nikon FM2n und das Voigtländer 28mm F/2.8.

Beim Objektiv habe ich mich für eine weitere Beschränkung entschieden - Kein Zoom, sondern eine Festbrennweite: Das Voigtländer Color Skopar 28mm f/2.8 SLII-S. Dabei handelt es sich um ein Weitwinkelobjektiv, das allerdings nicht so weitwinklig ist, dass Perspektiven verzerrt werden. 

Auch bei diesem Objektiv ist keine Elektronik verbaut. Der Fokus und die Blende wird manuell eingestellt. 

Und wenn wir schon beim Thema Einschränken sind: Alle Fotos sollen nur in Schwarz-Weiß geschossen werden - das zwingt mich dazu ein gespitztes Auge auf Kompositionen zu setzen, da Farben als Stilmittel wegfallen. Für den etwa zweiwöchigen Urlaub habe ich 10 Rollen Fomapan 100 eingepackt - also genug »Speicher« für 360 Bilder. 

Wer ein Fan der 28mm-Brennweite ist, aber kein Fan von Einschränkungen, kann natürlich auch zu einer modernen Kamera mit Autofokus greifen. Für Canon-Systemkameras gibt es hierfür ein sehr kompaktes 28mm-Objektiv.

Wie habe ich die korrekten Einstellungen eingeschätzt?

Vollkommen manuell zu fotografieren klingt in Zeiten von High-Tech-Smartphones, die mithilfe von KI Bilder kreieren, absurd und schwer - ist es aber nicht.

Um die korrekten Einstellungen zu finden, habe ich eine Technik verwendet, die heute kaum noch zum Einsatz kommt: »Sunny 16«.

Die Regel besagt: Strahlt die Sonne an einem wolkenfreien Tag, wird die Blende auf f/16 und die Belichtungszeit auf 1/100 eingestellt, wenn man einen Film mit ISO/ASA 100 verwendet.  

Set it and forget it: Ich habe sehr selten die Belichtungszeit verändert und meistens bei 1100s belassen. Set it and forget it: Ich habe sehr selten die Belichtungszeit verändert und meistens bei 1/100s belassen.

Mit 1/100 Sekunde kann man sehr gut verwacklungsfreie Schnappschüsse machen, weshalb ich diese Einstellung so gut wie nie verändert habe. Der Film ist ebenfalls fixiert auf 100. Bleibt also nur die Blende als Variable. 

Bei strahlendem Sonnenlicht habe ich die Blende bei f/16 belassen, bei Sonnenlicht mit Wolken habe ich sie auf f/11 geöffnet, bei stärkerer Bewölkung auf f/8 und so weiter. Erst bei dunklen Indoor-Szenen habe ich die Belichtungszeit verlängert auf maximal 1/30 Sekunde. 

Letztendlich musste ich vor jedem Foto abschätzen, wie viel Licht das Objektiv benötigt und dementsprechend einstellen. Hatte ich dabei Erfolg? Seht selbst.

Die Fotos aus Vietnam

Die Halong-Bucht ist eines der sieben Naturwunder der Welt und einfach traumhaft zu fotografieren. Wir haben dort drei Nächte verbracht - eine davon sogar auf einem Schiff. Leider war das Wetter eher trüb, was für die Fotos nicht weiter schlimm war - Schatten und Lichter wirken dadurch weicher. Die meisten Fotos habe ich bei f/4.0 geschossen.

Ein großer Teil meiner Verwandten lebt in Ho Chi Minh-City und diese Stadt ist einfach perfekt geeignet für die Street-Fotografie. Es sind unzählige Menschen mit Motorrollern und Autos unterwegs und an jeder Ecke gibt es kleine Läden und Street-Food-Verkäufer. Hier habe ich die meiste Zeit bei kleinen Blenden von f/8 bis f/16 geschossen - für viel Schärfentiefe und weil es sehr sonnig war.

Zu guter Letzt haben wir einen Abstecher in die ländlichen Gegenden von Vietnam gemacht - Tây Ninh, um genau zu sein. Hier wohnt ein anderer Teil meiner Verwandtschaft.

Das Leben hier könnte sich nicht stärker vom Stadtleben unterscheiden. Es ist idyllisch und ruhig. Gleichzeitig sind die Menschen deutlich entspannter. Es war sehr sonnig, weshalb ich auch hier überwiegend mit kleinen Blenden fotografiert habe.

So, das waren erstmal die Bilder. Natürlich sind es noch viel mehr - immerhin habe ich alle 10 Rollen verbraucht - jedoch sollten diese hier euch einen kleinen Einblick in meine Challenge und Vietnam geben.

Zu meiner eigenen Überraschung war so gut wie kein einziges Bild dabei, dass ich maßlos falsch eingeschätzt habe. Die meisten Bilder wurden so belichtet, wie ich es haben wollte - wer braucht schon einen Belichtungsmesser oder Automatik?

Wie habe ich die Bilder auf den PC bekommen?

Einer der Gründe, warum ich sehr gerne analog fotografiere, ist der damit verbundene Überraschungsfaktor: So schräg wie das klingen mag: Ich konnte es kaum erwarten, vom Urlaub zurückzukehren, um die Bilder zu entwickeln und zu sehen, wie sie geworden sind.

Damit ich die Filmrollen nicht extra in ein Labor schicken muss, entwickle ich alle meine Filmrollen selbst. Das ist mit Schwarzweiß-Film auch relativ einfach und geht im Gegensatz zu Farbfilm auch mit weniger streng kontrollierter Temperatur - 20 bis 24 Grad kaltes Wasser funktioniert bei mir am besten. 

Eine Dunkelkammer benötigt man auch nicht. Es reicht ein dunkler Raum, der möglichst staubfrei ist. Ich gehe dafür einfach ins Badezimmer, mache das Licht aus und lege ein Handtuch unter den Türschlitz - Voilá, Finsternis! 

Ich muss auch nicht lange da drinnen bleiben. Es muss nur dunkel sein, während man den Film aus der Filmdose holt und ihn in die Entwicklerdose packt. Der gesamte Entwicklungsprozess kann bei Tageslicht durchgeführt werden. 

Zum Entwickeln von zwei Rollen brauche ich etwa 15 bis 20 Minuten. Danach müssen die Negative aufgehängt werden und trocknen.

Sind sie erstmal alle trocken, muss ich sie zurechtschneiden und sie in meinen Scanner einlegen. Ich verwende dafür einen Flachbettscanner, der Negative im Kleinbild- und Mittelformat scannen kann.

Nach dem Scannen entferne ich in der Bildbearbeitung noch sichtbare Staubkörner von den Bildern und passe bei Bedarf Kontrast und Helligkeit an. Fertig! 

Was habe ich durch diese Challenge gelernt? 

Nachdem ich diese »Challenge« überwunden hatte, ist mir erst klar geworden, dass es gar nicht so herausfordernd war, wie ich anfangs gedacht habe - es hat sogar extrem viel Spaß gemacht. 

Das allerbeste daran: Jedes geschossene Foto ist wirklich meine eigene Kreation:

  • Ich habe die Einstellungen selbst gewählt
  • Ich habe die Bilder selbst entwickelt
  • Ich habe sie selbst gescannt
  • Ich habe sie selbst digital aufgearbeitet
  • Ich habe sie selbst gedruckt

Dieses Gefühl, die Bilder selbst kreiert zu haben, von Anfang bis Ende, ist für mich überaus wertvoll. Genau deswegen werde ich in Zukunft öfters auf diese Art und Weise fotografieren - nur nicht mehr als eine Challenge. 

Habt ihr schon einmal eine ähnliche Fotografie-Challenge gemacht? Habt ihr selbst schon manuell fotografiert oder würdet ihr eher ungern auf Automatiken verzichten? Oder gibt es andere Fotografie-Herausforderungen, die ihr euch gestellt habt und könnt davon erzählen? Oder wollt ihr lieber eine Kamera, die einfach alles kann und kaum eingeschränkt ist? Schreibt es mir in die Kommentare! 

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