Über die Jahre haben Videospiele sich zu einem festen Bestandteil unserer Unterhaltungskultur entwickelt. Im Bildungswesen wirken sie aber noch immer wie Fremdkörper. Schulisches Lernen wird in der Gesellschaft normalerweise nicht mit Spielen assoziiert. Schließlich sagt man vielen Kindern bei der Einschulung, dass ab nun der „Ernst des Lebens“ beginnen soll. Dabei ist das Spiel die überhaupt natürlichste Form Lernens. Doch die Schule steht für Ernst, Arbeit und Fleiß, während das Spielen mit Spaß, Freizeit und Entspannung verbunden wird. Die Teilnahme am Schulunterricht in Deutschland ist verpflichtend, gespielt wird jedoch in der Regel freiwillig und ohne Zwang. Wie kam es zu diesem antagonistischen Verhältnis, und warum haben es Videospiele gerade in Deutschland als Lernmedium schwer? Dieser Umstand mag zum einen mit der Inkompetenz der Lehrer im Umgang mit den neuen Medien und den Kosten für die technische Aufrüstung zusammenhängen. Andererseits aber auch mit der öffentlichen Wahrnehmung des Mediums „Videospiel“.
Lernen vs. Spielen
Zunächst lohnt sich ein kleiner Rückblick auf die Geschichte des Spielens, beginnend in der Antike, zwischen 800 v. und 400 n. Christus. Schon griechische Philosophen wie Aristoteles sahen im Spiel und den ernsthaften Tätigkeiten (Arbeit) einen Gegensatz. Dadurch erfuhr der Spielbegriff jedoch keine Abwertung, da er, wie die Arbeit, einen funktionalen Sinn besaß. Das Spiel sollte eine Erholung von der Arbeit ermöglichen und war damit unverzichtbar für das Funktionieren einer Gesellschaft. Die Muße, also die Gestaltung der Freizeit, wurde sogar als „höchste Betätigung des freien Mannes“bezeichnet. Spielen war somit ein essentieller Bestandteil der antiken griechischen Lebensweise. Dieser Status änderte sich jedoch mit dem Aufstieg des römischen Weltreichs. Der Spielbegriff erfuhr in der römischen Gesellschaft eine zunehmende Abwertung, und der „Ernst“ wurde zur obersten Maxime erklärt. Die fortschreitende Verbreitung des jüdisch-christlichen Glaubens wirkte dieser Entwicklung auch in keinster Weise entgegen, sondern verschärfte sie noch. Dies war prägend für die folgende Epoche des Mittelalters. Gottesfürchtigkeit bedeutete, ein fleißiger Arbeiter zu sein, während Spielen mit Faulenzen und Nichtstun gleichgesetzt wurde.
Selbst später, im Zeitalter der Aufklärung, erfuhr der Spielbegriff keine Rehabilitierung. Spielen stellte sogar eine Gefahr für die Allgemeinheit dar, da es die Menschen vom „echten Leben“ und somit von der Arbeit abhalten würde. In der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts wurden Arbeit und Spiel einmal mehr als Gegenbegriffe angesehen. Dieses Denken durchdrang auch die neu entstandenen Schulen, in denen die Arbeit während des Unterrichts (das Lernen) strikt vom Spielen, in der Pause oder in der Freizeit, getrennt wurde. Diese Separation von Spielen und Lernen prägt bis heute unser Schulwesen. Gleichzeitig wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts das Spielen erstmals zum Gegenstand der Wissenschaften. Es entstanden neue Theorien des Spielens, die sich mit der Bedeutung des Spielens für die Identitätsbildung sowie sozialer Kommunikation beim Spielen auseinandersetzen. Diese Arbeiten legten den Grundstein für die am Ende des 20. Jahrhunderts entstandene Ludologie, auch Game Studies genannt.
Somit bleibt festzuhalten, dass der Spielbegriff in neuerer Zeit wieder an Bedeutung für die Pädagogik gewonnen hat. Sein Verhältnis zum Arbeitsbegriff bleibt jedoch ambivalent. Einerseits werden sie als dichotome Begriffe wahrgenommen, die sich ergänzen, andererseits aber überwiegend als Tätigkeiten, die sich gegenseitig ausschließen oder sogar schädlich füreinander sein können.
Kriegsverherrlichender Amoksucht-Unterricht für deutsche Schulen?
Dieses ambivalente Verhältnis allein mag schon ein Problem für einen Einsatz von Spielen im schulischen Unterricht darstellen. Das Problem verschärft sich noch, wenn man sich speziell die brisante Geschichte der Videospiele und ihrer öffentlichen Wahrnehmung in Deutschland betrachtet.
Die digitalen Spiele gehören heute zu den wichtigsten neuen Medien überhaupt. 91% der Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren nutzen Videospiele, und 68% spielen regelmäßig. Obwohl sie sich bei Jung und Alt immer größerer Beliebtheit erfreuen, zeichnet die öffentliche Diskussion zu dem Thema oft ein eher negatives Bild. Immer wieder werfen Politik und Medien den digitalen Spielen vor, die Jugend gezielt zu militarisieren, zu verrohen, zu potentiellen Amokläufern heranzuzüchten oder sie in die Spielsucht zu treiben. Dieses Bild ist keinesfalls neu; die Videospiele legten in Deutschland schon einen nicht allzu glanzvollen Start hin.
Den Startschuss gab die Veröffentlichung des Spiels „Pong“ im Jahr 1972. Daraufhin wurden immer komplexere Spiele entwickelt. In den 80er Jahren fand die Etablierung der Videospiele vor allem in den Spielhallen statt. Doch nach einer Novellierung des Jugendschutzgesetzes durften Spielautomaten in Deutschland, unabhängig vom Inhalt des jeweiligen Spiels, nur noch in Bereichen stehen, zu denen Jugendliche keinen Zutritt hatten. Somit standen Videospiele in einer Kategorie mit Schmuddelfilmchen und anderen jugendgefährdenden Unterhaltungsmöglichkeiten, was ihr öffentliches Image nachhaltig prägte. Mit dem Durchbruch der Heimspielkonsolen in der Mitte der 80er Jahre schafften es die Videospiele jedoch wieder, die jugendliche Zielgruppe zu erreichen. Fast zeitgleich wurde von der „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften“ mit „Riverraid“ das erste Videospiel in Deutschland mit der Begründung indiziert, es würde Kriegsverherrlichung betreiben. Lange blieb „Riverraid“ jedoch nicht einsam auf dem Index stehen. Über die Hälfte aller Videospiele, die in den 80er Jahren erschienen, wurden aus diesem Grund ebenfalls indiziert. Erst in den 90er Jahren verschwand dieser Indizierungsgrund langsam, bis er schließlich gar nicht mehr auftauchte.
Anfang der 90er fanden die Jugendschützer jedoch schnell einen würdigen Nachfolger. Nach dem Erscheinen der ersten 3D-Egoshooter wie „Wolfenstein 3D“ und „Doom“, stand die Gewaltdarstellung im Fokus der Jugendschützer. Der Vorwurf der Gewaltverherrlichung wird bis heute immer wieder in der Öffentlichkeit heftig diskutiert. Dazu gesellt sich auch regelmäßig die mögliche Suchtgefahr, die vor allem von Online-Rollenspielen wie „World of Warcraft“ ausgeht. Nach den Amokläufen von Erfurt und Winnenden rückten Videospiele erneut in den Fokus von Politik und Medien. Dort etablierte sich auch der Begriff „Killerspiel“, der als Schmähbegriff für alle Spiele gelten soll, die in irgendeiner Form Gewalt enthalten, unabhängig vom Kontext, in dem sie stattfindet. Konservative Politiker, aber auch Politiker aus der Mitte, fordern seit langem, diese Spiele komplett zu verbieten. So forderte auch beispielsweise die AfD in ihrem Wahlprogramm zur Landtagswahl 2016 in Baden-Württemberg: „FSK Angaben zu überarbeiten und jugendgefährdende Inhalte konsequent zu indizieren“.
Die jahrelange Abwertung und Dämonisierung des Videospiels in Deutschland erschwerte lange Zeit eine ernsthafte Auseinandersetzung mit diesem neuen Medium. Zu sehr wurde sich auf die negativen Aspekte und Sensationalismus konzentriert. Dadurch wurde viel Potential verschenkt, das sich aus den Videospielen hätte ergeben können - auch für das schulische Lernen.
Lernen mit Computerspielen
Dass es Videospiele schwer haben, als Lernmedium akzeptiert zu werden, mag angesichts ihrer heiklen Geschichte nicht verwunderlich sein. Dabei existieren schon Forschungsergebnisse, die belegen, dass sich Videospielen durchaus als Lernmittel eignen. So konnten Forscher der „University of Toronto“ nachweisen, dass gerade die oft geschmähten „Killerspiele“ mit ihrer Actionlastigkeit das sensomotorische Lernen signifikant verbessern können. In anderen Experimenten wurde zudem nachgewiesen, dass die geschlechtsspezifischen Unterschiede beim räumlichen Denken durch das Nutzen von Videospielen nachhaltig reduziert oder sogar ganz aufgehoben werden können. Das könnte viele Möglichkeiten für einen schulischen Einsatz bieten, wie beispielsweise einer Förderung in den Fächern Mathematik, Technik und den Naturwissenschaften, also gerade den Fächern, die eher von Männern dominiert werden. In den folgenden drei Abschnitten möchte ich näher auf bestimmte Spiele eingehen, mit denen auf verschiedene Weisen gelernt werden kann. Dabei werde ich bewusst nicht auf Videospiele eingehen, die speziell für das Lernen konzipiert wurden. Keine Serious Games, sondern Spiele, die eigentlich als Unterhaltungssoftware entwickelt wurden, sollen hier vorgestellt werden. Denn es ist schließlich genau dieser Aspekt der das spielerische Lernen zu etwas Besonderem macht. Im Zentrum steht die Unterhaltung, während das Lernen eher beiläufig passiert, ohne dass es als Arbeit empfunden wird. Umso bemerkenswerter ist es, dass es manche Spielentwickler sogar schaffen, ein Unterhaltungsspiel zu kreieren, das ganz nebenbei bessere Lernerfolge erzielen kann, als so manche Lernsoftware.
Lernen mit Portal 2
In „Portal 2“ aus dem Jahr 2011 muss sich der Spieler mithilfe der sogenannten „Portal Gun“ (einer Kanone, die Portale in der Umgebung erzeugen kann) durch parcoursartige Levels bewegen. Dabei steht das Lösen von Rätseln im Mittelpunkt des Spiels, um die Handlung voranzutreiben. Nun kann man annehmen, dass ein auf Puzzles ausgelegtes Spiel an sich schon einen gewissen Lerneffekt innehaben müsste. „Portal 2“ erreicht jedoch weit mehr als nur seinen Spieler im Lösen von Rätseln zu schulen.
Entwickler „Valve“ erkannte bald, dass das Spiel zu weit mehr taugte als der reinen Unterhaltung, sondern auch als experimentelle Lernunterstützung dienen kann. Gerade Fächer wie Mathematik, Physik, aber auch abstraktes Denken im allgemeinen und die Kreativität sollen mit „Portal 2“ gefördert werden können. Im Jahr 2012 veröffentlichte „Valve“ als Teil des „Steam for Schools“-Programms das Paket „Teach with Portals“. Dies enthielt eine Version von „Portal 2“ sowie den „Portal 2 Puzzle Maker“ und kann von Lehrpersonen kostenlos für den Unterricht genutzt werden. Bei dem „Puzzle Maker“ handelt es sich um einen Level-Editor, mit dem die Schüler eigene Spielräume und Puzzles kreieren können. Für das Projekt wurde zusätzlich eine Website angelegt, auf der sich die Lehrerinnen und Lehrer über das Programm informieren können. Zudem bietet die Seite auch fertige Stundenentwürfe, mit denen eine komplette „Portal 2“-Unterrichtseinheit abgehalten werden kann. Momentan gibt es Entwürfe für die Fächer Physik, Mathematik, Gamedesign sowie für Sprach- und Literaturunterricht.
Das Angebot ist also vorhanden, doch kann das Programm tatsächlich leisten, was es bewerkstelligen möchte? Genau dieser Frage gingen Forscher der „Florida State University“ im Jahr 2014 nach. Dabei wurden die Lerneffekte von „Portal 2“ mit denen der bekannten Gehirntrainingssoftware „Lumosity“ verglichen. Die Probanden mussten sich dabei zunächst verschiedenen Online-Tests unterziehen, in denen ihre Problemlösungsfähigkeit, ihr räumliches Denken und ihre Beharrlichkeit gemessen wurden. Nach achtstündiger Nutzung der jeweiligen Software wurden erneut Tests durchgeführt. Die Ergebnisse zeigten, dass die „Portal 2“-Spieler in allen drei Testkategorien besser abschnitten, als die „Lumosity“-Nutzer. Besonders beim räumlichen Denken waren signifikant höhere Leistungen deutlich zu beobachten. Damit ist „Portal 2“ ein eindrucksvolles Beispiel für eine pädagogisch einsetzbare Unterhaltungssoftware, die sich sogar mit einer Lernsoftware messen kann. Gerade in den eher schwer zugänglichen mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern bietet dieses Spiel ganz neue Möglichkeiten der Lernunterstützung.
Lernen mit Grim Fandango
Das Point & Click – Adventure „Grim Fandango“ erschien 1997 und zählt zu den Klassikern des Genres. Im Spiel steuert man den Reisevertreter Manny Calavera, der den frisch Verstorbenen Reisepakete durch das Reich der Toten verkauft. Im Lauf des Spiels kommt er einer großen Verschwörung auf die Spur, die es fortan aufzudecken gilt. Mit der Tastatur (in der 2015 erschienen Remastered-Edition auch optional mit der Maus) kann der Spieler sich durch die im Stil des mexikanischen Totenkultes gestaltete Welt bewegen und mit ihr interagieren. Es müssen verschiedene Rätsel gelöst werden, um die relativ linear verlaufende Handlung voranzutreiben.
Wegen seiner persönlichen Vorliebe für dieses Kultspiel, wählte der Kinderpsychologe Wolfgang Bergmann dieses Computerspiel exemplarisch für eine seiner Untersuchungen aus. Er betrachtete die lernpsychologischen Vorgänge, die Kinder beim Spielen am Computer durchlaufen. Neben einigen anderen Bereichen wurde auch die Wirkung von Computerspielen im Verhaltenstraining mit hyperaktiven Kindern untersucht. Laut Bergmann leiden bis zu 60% aller Schulkinder an einer Form von Hyperaktivität, was mit einer verminderten Konzentrationsfähigkeit einhergeht.
In der Untersuchung wird ein Fall beschrieben, an dem die Wirkung des Spiels „Grim Fandango“ auf ein solches verhaltensgestörtes Kind veranschaulicht wird. Das Kind merkte im Spiel schnell, dass zielloses, unkonzentriertes Spielen nicht zum Erfolg führt. Es folgte eine selbstständige Verhaltenskorrektur des Kindes, wofür in der Kinderpsychologie normalerweise viele Übungen notwendig sind. Im Spiel passierte dies ganz nebenbei. Überlegtes, konzentriertes Vorgehen wurde von dem Spiel sofort mit spielerischem Fortschritt belohnt, wodurch die Handlung vorangetrieben wurde. Die Videospielwelt dient als Plattform, auf der neue Verhaltensweisen eingeübt werden können. Wie eine Beratungsstelle oder Praxis, bietet das Computerspiel einen geschützten Raum, in dem diese Einübung stattfinden kann. Das Ziel ist das Gleiche. Die hyperaktiven Kinder sollen eine Impulskontrolle erlangen. Das Computerspiel bietet in dieser Hinsicht einen großen Vorteil. Es ist eine Therapiemaßnahme, die aber nicht wie eine solche wirkt. Tatsächlich kommt auch Bergmann nach Durchsicht des verfügbaren Spielangebots zu dem Schluss, dass es insgesamt zu wenig gute Lernsoftware gibt und gerade Spiele ohne pädagogische Intensionen erheblich förderlicher für die Intelligenz zu sein scheinen. Seit Bergmanns Untersuchung im Jahr 2000 hat sich in dieser Hinsicht jedoch einiges bewegt. Selbst die Synthese eines reinen Unterhaltungsprodukts und einer Lernsoftware ist mittlerweile realisiert worden.
Lernen mit Minecraft
„Minecraft“ wurde seit seinem erscheinen 2009 weltweit 72 Millionen mal verkauft und ist damit eines der erfolgreichsten Videospiele weltweit. Das Spiel folgt keinem Ziel im herkömmlichen Sinn. Es besteht aus einer offenen Welt, die in einer Bauklötzchenoptik gestaltet wurde. Hier kann man entweder im Überlebensmodus spielen, in dem man Ressourcen sammeln und auf seine Gesundheitsleiste achten muss, oder man spielt im Kreativ-Modus, in dem man unbegrenzte Ressourcen zur Verfügung hat und die Welt nach Belieben umbauen kann. Mit der Zeit wurde das Spiel um zahlreiche Funktionen erweitert. Vor allem die aktive Community sorgt für einen ständigen Nachschub an neuen Inhalten.
„Minecraft“ erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit, vor allem bei Jugendlichen im Schulalter. Laut der JIM-Studie 2015 ist es sogar das beliebteste digitale Spiel der 12-15-Jährigen. Warum also sollten sich Schulen diese Begeisterung nicht zunutze machen, denn der Welt von „Minecraft“ sind noch nicht einmal fachliche Grenzen gesetzt. Mathematisch-geometrischen Visualisierungen, die Funktion von Neurotransmittern oder die Geschichte der Kolonisierung Amerikas sind nur ein paar Inhalte die über „Minecraft“ vermittelt werden können. Eine Auflistung aller Lerninhalte, die mit dem Programm erarbeitet werden können, würde hier den Rahmen sprengen. Entsprechende Ressourcen für die Unterrichtsgestaltung sind auf Websites wie http://minecraftedu.com oder dem deutschen http://minecraftbildung.de zu finden.
Die Möglichkeiten eines pädagogischen Einsatzes von „Minecraft“ sind vielfältig und mit der „Minecraft: Education Edition“, die im Januar 2016 erschienen ist, verfügt es über eine Version, die speziell für den schulischen Unterricht geeignet sein soll. Eine Nutzungslizenz kostet pro Schüler 5€ pro Jahr. Dafür erhält dieser die Vollversion des Programms und kann sie sowohl in der Schule, als auch zu Hause uneingeschränkt nutzen. Bei der Entwicklung wird gezielt mit Lehrkräften zusammengearbeitet. Die Seite http://education.minecraft.net bietet dabei die Plattform, auf der Unterrichtspläne vorgestellt und diskutiert werden können. Diese neue Version basiert auf einer bereits 2011 erschienen Modifikation des Hauptspiels, der „MinecraftEdu“. Diese Mod aus Finnland hat bereits ihre eigene kleine Erfolgsgeschichte hinter sich, da sie schon in tausenden Klassenzimmern in über 40 Ländern der Welt erfolgreich eingesetzt wird.
Das nächste Level des Lernens
Das volle Potential des digitalen Lernens ist noch lange nicht ausgeschöpft, und die Zukunft wird noch weitaus vielfältigere Möglichkeiten bieten. Ob diese Möglichkeiten auch genutzt werden, wird sich erst noch zeigen. Die immer noch wahrgenommene Feindschaft von Lernen und Spielen sowie die problematische Geschichte der Videospiele hierzulande machen es den Computerspielen schwer, von deutschen Bildungseinrichtungen als vollwertiges Lernmedium akzeptiert zu werden. In anderen Ländern herrscht in diesem Bereich ein wesentlich offenerer Umgang. So wird in schottischen Schulen bereits das Fach „Gamedesign“ unterrichtet, oder das zuvor erwähnte Spiel „Minecraft“ wurde in einer schwedischen Schule sogar zum Pflichtfach erklärt.
Computerspiele sind ein fester Bestandteil der jugendlichen Lebenswelt in Deutschland. Das „Digital Game-based Learning“ versucht genau diese Faszination für Computerspiele in den Unterricht zu übertragen. Die Probleme bei der Umsetzung dieser neuen Lernkonzepte sind einerseits die fehlende Akzeptanz für Computerspiele und Spielen im Allgemeinen sowie die mangelhafte technische Ausstattung der Schulen, aber auch die Medieninkompetenz der Lehrkräfte. Die drei genannten Beispiele sollten demonstrieren, auf welche Art und Weise Computerspiele pädagogisch eingesetzt werden können (und auch schon eingesetzt werden). Diese Beispiele bilden natürlich bei weitem nicht das volle pädagogische Potential, das Videospiele aktuell bieten. Zudem ist es ein Potential, das ständig wächst, sodass eine Grenze des Realisierbaren nicht ersichtlich ist.
Warum sollen Schüler auf muffigen Sportmatten trainieren, wenn sie ihre Fitness auch per Bewegungssteuerung in ihrem Lieblingsspiel verbessern können? Warum soll man sich eine mäßig gespielte Reenactment-Szene der Potsdamer Konferenz in einer ZDF-Dokumentation ansehen, wenn man per Virtual-Reality-Brille mit Attlee, Stalin und Truman an einem Tisch sitzen und mit ihnen selbst über die Zukunft von Nachkriegsdeutschland verhandeln kann? Es kann nicht nur davon gelesen oder passiv dabei zugesehen werden, sondern man kann es selbst erleben. Das Lernen mit Computerspielen wäre die konsequente Weiterentwicklung der Nutzung von Lernmedien.
Vor langer Zeit wurde Wissen noch von Person zu Person weitergegeben. Gelernt wurde durch das Zeigen einer Handlung oder eine mündlichen Überlieferungen. Mit der Entwicklung der Schrift konnte Wissen auch über viele Generationen weitergegeben werden. Es wurde mit Schriftrollen, einem Kodex oder später mit Büchern gelernt. Während der fortschreitenden Verbreitung von Film und Fernsehen im 20. Jahrhundert wurde das Medium Film immer häufiger auch für pädagogische Zwecke eingesetzt. Lehrfilme, Dokumentationen und Wissenssendungen fanden ihren Weg ins Bildungswesen. Buch und Film sind seit langem in den Schulunterricht integriert. Warum sollte man jetzt nicht den nächsten Schritt gehen? Schon heute bieten Computerspiele mehr Möglichkeiten als die traditionellen Lernmedien, da sie nicht nur deren Funktionen in sich vereinen, sondern auch um eine interaktive Komponente erweitern.
Damit wäre der pädagogische Einsatz von Computerspielen das nächste Level des Lernens.
Interessante Literatur zu dem Thema:
Bergmann, Wolfgang (2000): Computer machen Kinder schlau. Was Kinder beim
Computerspielen sehen und fühlen, denken und lernen. München.
Freyermuth, Gundolf S. (2015): Games, Game Design, Game Studies: eine Einführung. Bielefeld.
Ganguin, Sonja (2010): Computerspiele und lebenslanges Lernen. Eine Synthese von Gegensätzen (=Medienbildung und Gesellschaft, Band 13). Wiesbaden.
Hering, W. (1979): Spieltheorie und pädagogische Praxis. Zur Bedeutung des kindlichen Spiels. Düsseldorf.
Ke, Fengfeng/ Shute, Valerie J./ Ventura, Matthew (2015): The power of play. The effect of Portal 2 and Lumosity on cognitive and noncognitive skills. In: Heller, R.S./ Nussbaum, M./ Tsai, C-C. u.a. (Hg.): Computers & Education, 80, S. 58-67.
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