Menschenverachtend
§ 131 StGB stellt die Verbreitung von Medien unter Strafe, die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen verherrlichen oder verharmlosen. Nach Einschätzung der BPjM war das bei Condemned nicht gegeben. Doch die BPjM ist eine Jugendschutzbehörde, kein Gerichtshof. »Wir können nur einschätzen, ob§ 131 StGB vorliegt oder nicht. Die tatsächliche Bewertung ist Sache der Gerichte «, sagt Petra Meier, stellvertretende Vorsitzende der BPjM.
Robert Grain, Richter am Amtsgericht München, beurteilt Condemned in seinem Beschlagnahmebeschluss entsprechend anders: »Dem Spiel wohnt eine äußerst menschenverachtende Grundhaltung inne. Das eigene Überleben steht im Vordergrund, nichts anderes ist von Wert. Somit gilt es, jeden, der sich in den Weg stellt, zu töten.« Das ist ein Vorwurf, den sich fast alle Ego-Shooter gefallen lassen müssen - insbesondere die, die auf Index-Liste A stehen. Droht denen nun ebenfalls die Beschlagnahme?
Nicht zwangsläufig, sagt Grain: »Gewaltverherrlichung ist immer ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren und lässt sich nicht zwingend an einem einzelnen Punkt festmachen.« Ego-Shooter stehen für ihn also nicht unter Generalverdacht. Die Gewaltakte in Condemned sind jedoch nach Ansicht von Grain besonders grausam. Als Beispiel nennt er das Manöver, in dem der Held des Spiels Gegnern das Genick bricht. Allerdings versteht das StGB unter »grausam« normalerweise, dass der Täter seinem Opfer besondere Qualen zufügt. Ein gebrochenes Genick klingt da makabererweise harmloser, als etwa an Piranhas verfüttert, in einem Ofen verbrannt oder mit einer Bohrmaschine gefoltert zu werden - alles Elemente aus dem Actionspiel The Punisher (2005), das die BPjM entsprechend auf die Liste B gesetzt hat. Dort steht es noch immer - bislang hat sich keine Staatsanwaltschaft um den Fall gekümmert.
Unter der Hand klagen Mitarbeiter der BPjM deshalb, die Gerichte sollten doch erst einmal die schwerwiegenden Fälle der Liste B abarbeiten, bevor Sie sich mit der weit weniger dringlichen Liste A auseinandersetzen. Auslöser des Condemned-Verfahrens war aber nicht etwa die Anzeige eines besorgten Familienvaters oder gar die Jagd auf gewaltverherrlichende Spiele, womöglich getrieben vom bayerischen Ministerpräsidenten Beckstein, dem »Killerspiele« zuwider sind. Stattdessen demonstriert der Fall, wie langsam die Mühlen der deutschen Justiz beizeiten mahlen: Der Titel habe halt auf einer dieser Listen der BPjM gestanden, sagt uns ein Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft München. Es habe jedoch eine Weile gedauert, bis das an die zuständigen Stellen durchgedrungen sei. Außerdem hätte man zuvor nicht die technischen Möglichkeiten gehabt, Condemned zu begutachten - es fehlte wohl ein spieletauglicher PC.
Einen tieferen Grund, ausgerechnet für dieses Spiel eine Beschlagnahme zu beantragen, habe es nicht gegeben. Der Staatsanwaltschaft scheint der Unterschied zwischen den Listen A und B entgangen zu sein.
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