Erfolg macht unabhängig
Nach der Veröffentlichung von Diablo kommt Blizzard davon ab, im Jahresrhythmus neue Hits produzieren zu wollen, lässt der kontinuierlich wachsenden Belegschaft lieber Zeit zur Perfektion ihrer Arbeit (und streicht diverse, oft weit gediehene Projekte), während mit Addons zu bestehenden Produkten die Kunden bei Laune gehalten werden. Und die Investoren: 1996 wird Blizzards Mutterfirma vom Versandhändler CUC International gekauft, der Ende 1997 mit dem Dienstleister HFS zum Unternehmen Cendant verschmilzt, welches kurz darauf von einem Finanzskandal erschüttert wird.
In Folge geht Cendants Interactive-Bereich (zu dem neben Blizzard auch Traditionsentwickler Sierra On-Line gehört) an die französische Werbeagentur Havas, die noch 1998 vom Medienunternehmen Vivendi übernommen wird. Zehn Jahre später verschmilzt schließlich die Spielesparte Vivendis mit Activision zum Games-Konzern Activision Blizzard, in dem die Warcraft-Entwickler wie die Jahre zuvor ihre Eigenständigkeit bewahren können.
Dass die Chefs Morhaime und Pearce (Adham verlässt Blizzard 2004) bis heute mit großen Freiheiten ausgestattet sind, liegt nicht zuletzt an der verlässlichen Veröffentlichung von Megasellern. Nach dem Neustart der Entwicklung erscheint 1998 das SciFi-RTS Starcraft: Ausgestattet mit moderner Iso-Perspektive und drei aufregend unterschiedlichen, aber wunderbar ausbalancierten Fraktionen wird es vor allem in Südkorea zum E-Sport-Kult.
Zwei Jahre später kommt von Blizzard North (die 2005 abgewickelt werden) Diablo 2, das - wie ein halbes Dutzend nachfolgender Blizzard-Titel - den Rekord als bestverkauftes PC-Spiel aufstellt. Der größte Erfolg aber gelingt 2004: Mit der Veröffentlichung von World of Warcraft werden Online-Rollenspiele zum Massenphänomen - und Blizzard endgültig zum Umsatz- und Mitarbeiter-Schwergewicht der Spieleindustrie.
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Der Goldesel – und die Zukunft
Jahrelang kann sich Blizzard offensichtlich auf dem irrsinnigen Erfolg von World of Warcraft ausruhen, in seinem Zenit fesselt der MMO-Goldesel über 12 Millionen Spieler (Ende 2010) und bringt Blizzard eine Milliarde Dollar Gewinn. Pro. Jahr. Kein Wunder, dass sich die Entwickler mit Starcraft 2 14 Jahre und mit Diablo 3 zwölf Jahre Zeit lassen können: Sie sind nicht aufs schnelle Geld angewiesen. Das Konto quillt sowieso über.
Heute ist World of Warcraft von seinen Glanzzeiten bereits ein gutes Stück entfernt, wenn auch immer noch erfolgreich: Nach dem Start des Addons Warlords of Draenor vermeldete Blizzard – nach mehreren rückläufigen Jahren – kurzfristig wieder über zehn Millionen Abonnenten, im Folgequartal fiel die Zahl auf 7,1 Millionen. World of Warcraft, das zeichnet sich ab, wird zwar noch lange leben, aber nicht mehr ewig. Und das MMO Titan, das den Online-Koloss ablösen sollte, muss Blizzard 2014 nach längerem Konzept-Hickhack einstellen. Es sei nicht zukunftsfähig gewesen, heißt es.
Das große Geld wird nämlich längst nicht mehr auf dem klassischen Abo-MMO-Markt gemacht, sondern mit Gratisspielen, das Zauberwort heißt Free2Play. Der Dota-Ableger League of Legends etwa warf alleine zwischen Januar und Oktober 2014 satte 946 Millionen Dollar ab, das Panzer-Counter-Strike World of Tanks immerhin 369 Millionen. World of Warcraft brachte Blizzard im selben Zeitraum zwar immer noch grandiose 728 Millionen Dollar ein. Aber es ist absehbar, dass diese Zahl sinken wird.
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Der Goldesel wird lahmen, und Blizzard muss handeln. Deshalb haben sich die Kalifornier in den letzten Jahren neu orientiert – unter anderem in Richtung Free2Play. Das kostenlose Sammelkartenspiel Hearthstone begann als kleines Projekt, verzeichnet nun aber bereits über 30 Millionen angemeldete Spieler weltweit. Und das über mehrere Plattformen hinweg, Hearthstone gibt es nämlich auch als App für iOS und Android.
Das Kartenspiel ist damit zugleich Blizzards erster Brückenkopf auf dem boomenden Tablet- und Smartphone-Markt. Und gleich ein immens erfolgreicher. Mit der Diablo 3: Ultimate Evil Edition wagten sich die Entwickler zudem nach langer Abstinenz zurück auf den Konsolenmarkt. Ebenfalls nicht zu ihrem Nachteil, plattformübergreifend hat sich Diablo 3 inzwischen über 20 Millionen Mal verkauft.
Derzeit arbeiten die Kalifornier zudem an Overwatch, einem PC-Shooter, der dezent an Team Fortress 2 erinnert – und ebenfalls als Free2Play-Titel erscheinen wird. Genau wie Hearthstone ist auch Overwatch kein Megaprojekt à la Diablo 3 oder Starcraft 2, sondern ein überschaubares Spiel, das Blizzard in den Folgejahren dann weiter ausbauen möchte. Okay, mag sein, das es nach der letzten Starcraft-2-Episode Legacy of the Void und womöglich einem weiteren Diablo-3-Addon irgendwann auch wieder neue Blizzard-Großprojekte geben wird.
Aber eben nicht nur, auch kleinere, plattformübergreifende Spiele – Spiele, deren Entwicklung eben keine zwölf Jahre dauert – werden für das Studio eine wichtige Rolle spielen. Think small, klein denken, das musste das neue Blizzard erst mal lernen. Oder besser: wieder lernen. Klein waren sie damals, 1991, ja auch.
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