Publisher auf Kuschelkurs - Meinung: Was EA, Ubi und Co. zum Umdenken gezwungen hat

Die großen Konzerne entscheiden, in welche Richtung sich die Spielelandschaft entwickelt. Oft genug finden Spieler diese Richtung gar nicht gut. Aber 2017 läuft einiges anders.

Publisher rücken näher an ihre Communitys: Dieser Kuschelkurs ist notwendig, sagt Dimi. Publisher rücken näher an ihre Communitys: Dieser Kuschelkurs ist notwendig, sagt Dimi.

Zur Zeit stelle ich mir vor, dass irgendjemand Anfang des Jahres 2017 ein Schwarzes Buch der Schändlichkeit geschrieben hat. Darin verzeichnet er die größten PR-Fiaskos und Fehlentscheidungen der Großkonzerne, also von Ubisoft, Sony, Activision, EA und so weiter. Auf einer Seite in diesem Buch steht dann beispielsweise der katastrophale Launch von SimCity, das unter massiven Serverausfällen litt bei gleichzeitigem Always-On-Zwang. Im nächsten Absatz gibt's noch einen kleinen Einschub für die vorgetäuschten Simulationsprozesse, denn viele Sims wurden überhaupt nicht korrekt simuliert.

Eine Seite gehört Evolve und seiner kritikwürdigen DLC-Politik, und dann gibt's natürlich eine schöne Collage verbuggter Releases mit Großaufnahmen von Arno Dorian, Lincoln Clay und dem gelähmten Gesicht von Foster Addison aus Mass Effect: Andromeda. Ich stelle mir außerdem ein Rückblicks-Special in diesem Schwarzen Buch der Schändlichkeit vor, in dem Oblivion eine Watsche für die Pferderüstung bekommt, Bandai Namco sich einen Seitenhieb für den On-Disc-DLC von Tekken X Street Fighter einfängt und Sony nachträglich auf die Finger gehauen wird, weil sie bei der Release-Party von God of War 2 eine geköpfte Ziege als Tieropfer inszeniert haben. Naja, und No Man's Sky hat sich sogar ein eigenes kleines Kapitel ganz für sich allein verdient.

Von Echtgeld-Shops in Vollpreis-Spielen fange ich jetzt gar nicht an, sonst kann ich das Buch auch gleich selbst schreiben. Auf jeden Fall nimmt der ominöse Autor dieses Schwarzen Buchs, spaziert damit in die Führungsetage der großen Publisher und appelliert so lange an die Entscheider vor Ort, bis sie sich reumütig zusammenschließen und als künftiges Credo auf ihre Fahne schreiben: Ab jetzt hören wir auf die Fans!

Feedback statt Fiasko

Okay, das Schwarze Buch der Schändlichkeit mag nur ein unwahrscheinliches Gedankenexperiment sein (schließlich beginnen viele Prozesse, die 2017 relevant werden, schon Jahre zuvor), und natürlich war früher nicht alles schlecht - ich überspitze hier bewusst. Aber irgendwas tut sich gerade in der Publisher-Landschaft - und dieses Etwas kommt uns Spielern zugute. Jüngster Anlass für diesen Eindruck ist die Ankündigung von Star Wars: Battlefront 2. Ich war selbst beim Reveal in Orlando zugegen, Stift und Notizzettel in der Hand, auf dem Papier standen all die Dinge, die Fans sich von einem Battlefront wünschen. Damit wollte ich im Anschluss den Entwicklern auf den Keks gehen.

Star Wars: Battlefront 2 - Video-Preview: So gut soll es werden Video starten 5:09 Star Wars: Battlefront 2 - Video-Preview: So gut soll es werden

Beim Reveal vom ersten Battlefront 2015 hat das prima geklappt. Ich fragte Dice nach der Präsentation, warum es nur vier Planeten gibt, wo die Klonkriege sind, warum es keine Weltraumschlachten gibt und wohin all die Dinge verschwunden sind, die ich von einem neuen Battlefront erwarte.

2017 blicke ich am Ende der Präsentation stattdessen auf einen Zettel voll mit durchgestrichenen Fragen. Denn EA, Dice und Motive decken jeden einzelnen Aspekt ab: Es gibt eine Singleplayer-Kampagne, alle Ären, Einheitenklassen, mehr Planeten, Raumschlachten und, und, und. Ein Fan-Traum (sofern das eigentliche Spiel am Ende auch liefern kann).

Und dieses Phänomen (ich nenne es: auf die Fans hören) findet im Moment an diversen Stellen statt. EA gibt Premium-Pass-Besitzern in Battlefield 1 die Chance, ihre Freunde mit auf die DLC-exklusiven Karten zu bringen. Ein Ende der Community-Spaltung durch teure Kartenpakete? Ubisoft beschließt pauschal, Multiplayer-DLCs für Rainbow Six: Siege, For Honor, Watch Dogs 2 und Co. künftig komplett kostenlos zu veröffentlichen und das Geld über optionale Kosmetik-Shops wieder reinzuholen. Die jährlichen Releases der Marke Assassin's Creed gehen zurück, stattdessen nehmen sich Publisher Kreativzeiten, um die eigenen Qualitätsstandards neu auszutarieren.

Kurz: Die großen Triple-A-Spiele wollen Spielern anscheinend wieder mehr von dem geben, was sie wirklich wollen - und das auch noch an vielen Stellen kostenlos, wo früher nervige Paywalls auf uns warteten. Sicher, bei »den Fans« darf man nicht zu grob pauschalisieren - es wird beispielsweise immer Gruppen geben, die jede Form von DLC verteufeln. Aber meine These ist, dass diese Gruppe unzufriedener Fans 2017 bei vielen Triple-A-Titeln kleiner als in den letzten Jarhen ausfallen könnte. Auch wenn es den Publishern natürlich immer noch ums Geld geht.

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Gleiches Ziel, anderer Weg

Profit bleibt das wichtigste Ziel der großen Konzerne, da darf man sich keine Illusionen machen. Und das werfe ich ihnen auch nicht vor, man muss schließlich Mitarbeiter bezahlen und die nächsten Projekte finanzieren. Aber der Dialog mit der Community wandert anscheinend mehr in Richtung Augenhöhe. Die Wünsche der Fans werden häufiger respektiert, Verkaufsmodelle riechen weniger stark nach »Cash Grab«-Wölfen im Schafspelz. Das kann haufenweise Gründe haben.

Vielleicht zwingen rückläufige Verkaufszahlen die Publisher zum Umdenken. Vielleicht ist Feedback im Social-Media-Zeitalter einfach ein zu gewichtiger Faktor in der Vermarktung geworden und man kann sich schlicht keinen Steam-Review-Eklat leisten. Womöglich haben auch Community-Lieblinge wie The Witcher 3, Resident Evil 7 und Hitman gezeigt, wie elegant man einen weltweiten Megahit an den Mann bringen kann, wenn man das Fan-Feedback gezielt einpflegt - und jetzt bekommen wir zwei Jahre später die Früchte dieses Umdenkens serviert.

Vielleicht stecken auch ganz andere, individuelle Gründe dahinter - zumindest Ubisoft hat uns gegenüber aber schon bestätigt, dass man heutzutage viel aktiver in die Communitys hinaushorcht und auf Feedback eingeht. Wer Spiele als langfristigen »Service« begreift und aufzieht, braucht eben die Hilfe und den guten Willen der Fans. Sonst kann er gleich wieder einpacken.

Aber ich will hier auch keine korrekte Analyse von Marktprozessen abliefern, sondern schlicht festhalten, dass 2017 ein wirklich angenehmes Jahr für die Triple-A-Landschaft sein könnte (und schon ist). Spielejournalist hin oder her, der Spieler in mir schreibt immer ungern darüber, wenn gute Spiele verbuggt veröffentlicht werden. Oder spaßige Multiplayer-Erlebnisse durch schlechte Monetarisierungsmodelle vom Tisch fallen. Und wenn ich das, wie ich jetzt begründet hoffe, 2017 nicht so häufig tun muss, dann gewinnen wir alle.

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