Der Geheimtipp To The Moon wird immer wieder angeführt, wenn es um Spiele mit einer guten Story geht. Trotz seiner unscheinbaren RPG-Maker-Grafik ist das Adventure gerade durch seine rührende Geschichte rund um zwei Wissenschaftler und einen sterbenden Mann, der unbedingt zum Mond fliegen will, ein Indie-Klassiker.
To The Moon hat allerdings einen großen Haken: Es ist zu wenig Spiel. Die wenigen Rätseleinlagen fallen ähnlich wie bei den Telltale-Spielen kurz und belanglos aus. Rakuen will es jetzt besser machen und verknüpft seine tiefgründige Story mit spaßigen Spielmechaniken, wie man sie von klassischen Point&Click-Adventures kennt.
Das Beste aus beiden Welten
Den Look hat Rakuen mit seinem Vorgänger im Geiste gemeinsam, wir sehen das pixelige Geschehen aus der typischen Iso-Perspektive der 90er-Jahre. Und wie bei den Genre-Größen von damals beginnen wir auch in Rakuen erst einmal damit, mit jedem zu reden und alles anzuklicken. Genug Zeit haben wir als kleiner Junge im Krankenhaus dafür ohnehin. Aber keine Sorge, wir schleichen nicht das ganze Spiel über durch gleichförmige weiße Gänge und Zimmer. Über das magische Buch Rakuen können wir in eine Parallelwelt wechseln und dort mit Leebes (kleine rosa Katzen) und anderen kuriosen Fantasiewesen interagieren.
Der Clou dabei: Die Welten existieren nicht separat voneinander, sie sind miteinander verbunden. Das bedeutet, dass jeder Charakter in beiden Welten vertreten ist und wir ihr Schicksal in beiden beeinflussen können. Helfen wir dem mürrischen Bären Tony in der Zauberwelt, indem wir seine Spieluhr reparieren, verändert das auch das Leben des menschlichen Patienten Tony zum Guten.
Aber die Zwei-Welten-Mechanik geht noch weiter: Erreichen wir zum Beispiel einen hohen Punkt in der Zauberwelt nicht, gießen wir einfach eine Pflanze im Krankenhaus und sehen anschließend zu, wie in der Parallelwelt eine Blumenranke in die Höhe sprießt und uns hinaufklettern lässt.
Spaßig, aber alternativlos
Große Teile des Spiels verbringen wir also damit, mit den Patienten zu reden, uns ihre Wünsche anzuhören und anschließend beide Welten nach einer Lösung abzusuchen. Dabei müssen wir diverse Objekte aufheben und kombinieren - etwa einen Eimer mit Wasser füllen, um anschließend die Pflanze zu gießen - oder Schränke nach Schlüsseln und Hinweisen durchsuchen. Obwohl es mit dem RPG-Maker erstellt wurde, ist Rakuen also kein klassisches Rollenspiel, sondern eher ein typisches Adventure.
Die Rätsel sind dabei nicht fordernd, unterhalten aber gut und fühlen sich nicht aufgesetzt an. Mal müssen wir eine zuvor gehörte Melodie aus dem Gedächtnis auf Klavieren nachspielen, mal Schachfiguren auf eine bestimmte Weise anordnen.
Was uns oft ein wenig fehlt, sind Alternativen: Jedes Rätsel hat nur einen Lösungsweg, und in den Gesprächen gibt es kaum Dialogoptionen. Auch die Hauptquest läuft sehr geradlinig ab: Wir können abseits davon lediglich einen kleinen Aufenthaltsraum im Krankenhaus dekorieren, richtige Nebenaufträge von NPCs gibt es aber nicht. Potenziell interessante Mechaniken wie Crafting wiederum werden nur an wenigen Stellen gezielt eingesetzt, um neue Bereiche zu öffnen - wir erhalten gegen Material beispielsweise eine Axt, um störende Bambus-Blockaden zu zerhacken. Selbst etwas bauen können wir aber nicht.
Zwischen Zwiebeln und echten Gefühlen
Die Story von Rakuen teilt sich in fünf Einzelgeschichten auf, die sich jeweils mit einem anderen Patienten auseinandersetzen. Davon profitiert auch die Abwechslung: Das Leben der Figuren führt uns an diverse Orte, in Fall von Tony zum Beispiel in ein riesiges Herrenhaus voller Schalter und Geheimnisse.
Im Gegensatz zum spielerischen Teil bietet die Story abseits vom gewohnten Weg viel zu entdecken: Überall finden wir Dokumente und Zeitungsausschnitte, die sich wirklich hochinteressant lesen und viel über die Hintergrundgeschichte verraten. Hiervon können sich die Spiele eine Scheibe abschneiden, die ihre Sammeldokumente regelmäßig mit belanglosem Geblubber füllen.
Die wahre Stärke von Rakuen liegt definitiv seiner Geschichte: Jede einzelne der Episoden wird vielschichtig und gefühlvoll erzählt. Und auch weil Rakuen viel mit eindrucksvollen Bildern, Momenten und dem perfekt eingesetzten Soundtrack arbeitet, werden wir emotional angesprochen. Selbst wenn uns kaum etwas erklärt wird, spüren wir, was gerade vor sich geht. Einziger Wermutstropfen bei der Story: Man braucht gute Englischkenntnisse, da es nicht einmal deutsche Untertitel gibt.
Die Charaktere bleiben durchweg glaubhaft und menschlich (Ja, auch die Leebee-Kätzchen!), und Rakuen wahrt perfekt die Balance zwischen Humor und Ernst, indem es uns mal ulkige sprechende Zwiebeln, mal einen emotionalen Moment zwischen einem Besucher und seiner komatösen Frau zeigt. So helfen wir beispielsweise einer jungen Frau dabei, ihr Teehaus allein zu führen, während ihr Mann durch seine Krankheit langsam den Verstand verliert.
Dabei erzählt uns das Spiel auch die Vorgeschichte, wir begleiten das Ehepaar durch Höhen und Tiefen. Auch in der Zauberwelt können wir keine Wunder vollbringen, wir können aber für die Menschen (und natürlich Tierwesen) da sein, die uns brauchen. Rakuen ist dabei mal fröhlich, mal traurig und zeigt perfekt, dass jedes Leben wie jede gute Geschichte immer mehrere Seiten hat.
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