Silence - The Whispered World 2 im Test - Ein neuer Adventure-Meilenstein

The Whispered World 2 entpuppt sich im Test nicht nur als eines der schönsten Adventures der letzten Jahre, es hebt auch die technische Genre-Messlatte auf ein neues Niveau. Das hat allerdings seinen Preis.

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Im Test zeigt sich, ob die vielen Änderungen in The WHispered World 2 eine gute Entscheidung waren. Im Test zeigt sich, ob die vielen Änderungen in The WHispered World 2 eine gute Entscheidung waren.

Im Jahr 2009 war The Whispered World ein zauberhafter Mittelfinger an die damalige Spielebranche. In einer Zeit, in der große Triple-A-Mächte das Land regierten, der PC als tot galt, The Saboteur seinen Entwickler Pandemic ruinierte und das Indie-Phänomen Minecraft noch ein kleiner Stern am Firmament war, da sagte ein kleines deutsches Entwicklerstudio mit stolzem Herzen: Ihr könnt uns mal, wir machen trotzdem Point&Click-Adventures.

Okay, wir überspitzen hier ein wenig (schließlich gab's 2009 auch Dragon Age: Origins, Batman: Arkham Asylum, Demon's Souls und Assassin's Creed 2), aber trotzdem war es ein mutiger Schritt für Daedalic, auf ein klassisches Rätsel-Adventure zu setzen, um sich groß zu machen.

Dass es jetzt mit Silence knapp sieben Jahre später einen für Adventure-Verhältnisse recht üppig budgetierten Nachfolger gibt, zeigt deutlich, dass sich das Experiment gelohnt hat: The Whispered World ist ein meisterhaftes Beispiel für innovatives Charakterdesign (man spielt einen depressiven Clown, über den keiner lacht), fantastische Szenerien, witzige Dialoge (nochmal: ein depressiver Clown) und gleichzeitig eine liebevolle Hommage an Klassiker wie Loom und Monkey Island.

Warum wir das so ausdrücklich erwähnen? Weil Silence sich traut, viele Dinge anders zu machen als der Vorgänger - und damit in einigen Bereichen neue Genremaßstäbe setzt, in anderen dafür hinter dem ersten Teil zurückbleibt. Doch eine Sache bleibt gleich: Der Star der Show ist immer noch und mehr denn je eine kleine Raupe namens Spot.

Unglaublich, wie dieses Spiel aussieht!

Aber bevor wir uns mit der Story austoben, müssen wir erst für einen kurzen Augenblick andächtig den Atem anhalten, um dann von den Dächern zu rufen, wie zauberhaft schön dieses Spiel aussieht! Daedalic hat mit der Welt Silence eine der malerischsten und visuell beeindruckendsten Umgebungen erschaffen, die wir seit langem in einem Spiel erlebt haben.

Silence - The Whispered World 2 - Screenshots ansehen

Lichtstimmungen, Schauplatzdesigns, Musik- und Sounduntermalung - all diese Aspekte greifen so passend ineinander, als wäre alles von derselben Person entworfen worden, um nur einen Zweck zu erfüllen: den Spieler in eine magische Märchenwelt zu entführen, die ihn nicht mehr loslässt. Wenn man das erste Mal aus dem Maul des riesigen Weltenwurms die Wälder von Silence betritt, mit den skurrilen Gummipilzen, Leuchtkäfern und Wuschelgnomen (wir haben den Fachbegriff vergessen) vor einem kleinen Wasserfall interagiert, nur um in der nächsten Szene die gigantische Hauptstadt Kalimar in der Ferne zu erblicken, dann kann man nur staunen.

Aber Silence ist nicht einfach ein bunter Märchenwald mit schrägen Tieren und abgedrehter Natur. Am besten lassen sich Atmosphäre und Setting mit dem Film »Oz - Eine fantastische Welt« vergleichen. Dort kehrt Dorothy nach den Ereignissen des ursprünglichen Oz-Musicals auf der Flucht vor der Irrenanstalt ins Zauberland zurück, nur um zu merken, dass sich hier alles irgendwie zum Schlechteren gewendet hat.

Die Fortsetzung hat einen spürbar düstereren Ton als das Original. Unter die klassischen Fabelwesen mischen sich verzerrte Kreaturen, alles wirkt ein bisschen verfallen und unheimlich. Beim Schauen des Films wechselt sich das Staunen über die Fantasywelt mit einem melancholischen Schauer ab. Und genauso sieht es auch in Silence aus, wo dunkle Sucher einer falschen Königin die putzigen Einwohner terrorisieren.

Die Sucher sind furchterregende Kreaturen, die Leben assimilieren. Quasi die Borg von Silence. Die Sucher sind furchterregende Kreaturen, die Leben assimilieren. Quasi die Borg von Silence.

Was man auf den ersten Blick leicht für einen Kinderzeichentrickfilm halten könnte, entwickelt sich rasch zu einem dramatischen Abenteuer mit wirklich bedrückenden Schicksalsschlägen. Selten hat uns ein Spiel so berührt wie Silence, und selten waren wir am Ende einer Reise emotional so ergriffen wie hier.

In der Inszenierung scheut man keine Kosten - mit der neuen 3D-Projektionstechnik erschafft Daedalic das technisch stärkste Adventure seiner Studiogeschichte: Im ersten Moment mag man wegen der statischen Szenerien an ein 2D-Adventure denken (das ist es rein spielerisch auch), aber bereits kurz nach dem Intro fliegt die Kamera stufenlos zwischen Cutscenes und klassischer Ansicht hin und her wie in einem Spielfilm.

Unser einziger Kritikpunkt: die Farbpalette. Silence behält sich in der Inszenierung über einen Großteil des Spiels hinweg einen grünlichen Stich bei, der die traumhafte Stimmung unterstreicht, die die Story erschaffen will. Eine nachvollziehbare Designentscheidung, allerdings wirken dadurch viele Schauplätze einander ähnlicher, als sie eigentlich sind. Das ursprüngliche Whispered World mit seinem Zirkusplatz, der nächtlichen Stadt, der Echsenfestung und all den anderen Orten machte auf uns einen visuell weitaus vielseitigeren Eindruck.

Silence - The Whispered World 2 - Wunderschöne Ingame-Grafik im Gamescom-Trailer Video starten 1:10 Silence - The Whispered World 2 - Wunderschöne Ingame-Grafik im Gamescom-Trailer

Aber das trübt den extrem positiven visuellen Gesamteindruck dieser magischen Welt nur unwesentlich - und ist am Ende des Tages wohl auch Geschmackssache. Ob man die Reise nach Silence überhaupt genießen kann, hängt ohnehin vom wichtigsten Kern eines guten Adventures ab: der Story.

Was ist real?

Im Fantasy-Reich Silence feiern Serienkenner ein Wiedersehen mit Sadwick, Spot, den lebenden Steinen Yngo und Ralv und Prophetin Shana. Gleichzeitig treten einige bisher unbekannte Charaktere ins Rampenlicht: die Rebellen Kyra, Samuel und Janos, die gegen die finsteren Sucher der falschen Königin kämpfen. Und es mischen auch zwei neue Helden mit: das tapfere Mädchen Renie und ihr schreckhafter großer Bruder Noah, die sich beide in der Zauberwelt verloren haben und einen Weg zurück nach Hause suchen.

Die kleine, aber furchtlose Renie ist die Hauptfigur von Silence. Die kleine, aber furchtlose Renie ist die Hauptfigur von Silence.

Als Spieler steuern wir mal Renie, mal Noah und rätseln uns durch die verschiedenen Schauplätze, um an der Seite der Rebellen die falsche Königin zu stürzen. Nach dem ersten Drittel der Reise wird auch Sadwick ein spielbarer Charakter, während Noah sich fortan zurücknimmt. Die Story des Vorgängers (inklusive Plot-Twists) wird vorausgesetzt und direkt am Anfang des Spiels rekapituliert. Wer The Whispered World noch nachholen will, sollte das also unbedingt vor dem Spielen von Silence erledigen. Zusammengefasst klingt das alles (Rebellen stürzen eine grausame Königin) nach einer klassischen Heldenreise.

Allerdings verschwimmen in der Welt von Silence die Grenzen zwischen Realität, Traum, Fantasie und Tatsache. Renie und Noah stammen eigentlich aus einer Welt, die wie unsere aussieht, stolpern aber plötzlich in dieses Zauberreich, in dem alles auseinanderfällt. Ältere Adventure-Kenner fühlen sich da an Loom erinnert.

Alte Bekannte kehren zurück: Die Steine Yngo und Ralv sorgen erneut für die witzigsten Momente. Alte Bekannte kehren zurück: Die Steine Yngo und Ralv sorgen erneut für die witzigsten Momente.

Daedalic erschafft hier eine spannende Ausgangssituation, denn eigentlich hätte es nach The Whispered World gar keine Fortsetzung der Story geben können. Sadwicks Geschichte war definitiv zu Ende, wird hier aber in einem neuen Kapitel wiedereröffnet, und das macht uns als Spieler extrem neugierig, was es damit auf sich hat. Ohne zu viel zu verraten: Silence konzentriert sich vor allem auf das Spiel mit verschiedenen Realitäten und will seine Geschichte rasant zum Finale treiben.

Diese Eile mag dem hohen technischen Produktionsaufwand geschuldet sein, denn das eigentliche Abenteuer fällt mit rund vier bis sechs Stunden arg kurz aus und fühlt sich an einigen Stellen stark überhastet an.

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