Wasteland 2 - Ein Kick für die Endzeit

In unserer Preview zum Kickstarter-Rollenspiel Wasteland 2 analysieren wir das Skill-System, begegnen den höflichsten Kannibalen der Welt und wundern uns mit Brian Fargo, warum kein Publisher dieses Projekt wollte.

GameStar Plus Logo
Weiter mit GameStar Plus

Wenn dir gute Spiele wichtig sind.

Besondere Reportagen, Analysen und Hintergründe für Rollenspiel-Helden, Hobbygeneräle und Singleplayer-Fans – von Experten, die wissen, was gespielt wird. Deine Vorteile:

Alle Artikel, Videos & Podcasts von GameStar
Frei von Banner- und Video-Werbung
Einfach online kündbar

Als Brian Fargo im März 2012 dem Beispiel von Tim Schafer folgt und Wasteland 2 bei Kickstarter ins ungewisse Rennen schickt, ist das seine letzte Chance; er hat alle denkbaren Alternativen erschöpft. Seit zehn Jahren pitcht er das postapokyptische Rollenspiel an traditionelle Publisher, die Reaktionen wären mit »ablehnend« noch höflich umschrieben.

Es gibt Meetings, in denen er die Geschichte von Wasteland und Fallout erzählt, das taktische Rundenkampfsystem im Detail erklärt, die Story vorstellt und am Ende gefragt wird: »Aha, und wie viele Level hat das?« Bei anderen Herstellern sitzen die anwesenden Produzenten mit gesenkten Köpfen am Tisch und sind zu sehr mit ihren Handys beschäftigt, um Fargo überhaupt zuzuhören.

Vielleicht haben sie ihn ohnehin nur deshalb eingeladen, weil sein Name einmal Gewicht hatte, damals, als Interplay unter seiner Führung quasi im Alleingang das Rollenspiel-Genre wiederbelebte, und vielleicht fühlen sie sich dem deplatzierten Anstand verpflichtet, ihn wenigstens eine halbe Stunde reden zu lassen, bevor sie sein Konzept ablehnen.

Im Laufe der Jahre wird der Pitch drängender, aber eine echte Chance bekommt Fargo nie. »Ich sagte ihnen, ich habe Teile des kreativen Teams von Wasteland, ich habe die Miterfinder von Fallout, ich selbst war Produzent bei beiden Titeln, und Bethesda hat gerade ein paar Millionen Exemplare von Fallout 3 verkauft, besser wird's nicht mehr, aber ich kam nicht mal zu dem Teil, an dem sie normalerweise fragen: Wie viel?«

»Beinahe feature complete«

Jetzt also Kickstarter. Tim Schafer ist gerade dabei, mit seinem Double Fine Adventure die Drei-Millionen-Dollar-Marke zu knacken, aber niemand weiß, ob das eine Eintagsfliege oder ein zukunftsfähiges Modell ist. Würde Fargo an einem Pokerturnier teilnehmen, man würde sagen, er wäre »all in«. Wenn die Fans sein Projekt nicht finanzieren, tut's niemand.

Wasteland 2 - Screenshots ansehen

Vier Wochen später hat er 2,9 Millionen Dollar gesammelt, nicht ganz so viel wie Tim Schafer, aber rund zwei Millionen mehr, als er ursprünglich veranschlagt hatte. Nach einem Jahr entwickeln sich die beiden Spiele allerdings in verblüffend unterschiedliche Richtungen: Während das inzwischen in Broken Age umbenannte Spiel der Double Fine Studios sein Budget nahezu durchgebracht hat, ohne auch nur ansatzweise in einem veröffentlichungsfähigen Zustand zu sein, scheint Wasteland 2 den angepeilten Release-Termin im Oktober halten zu können.

»Wir sind beinahe feature complete«, sagt Produzent Chris Keenan und meint, dass ein Großteil der Spielmechaniken implementiert wurden und es jetzt hauptsächlich um das Balancing und das Polieren geht, aktuell arbeitet das rund dreißigköpfige Team an der finalen Version des Benutzerinterface.

Unity statt Unreal

Die Unity-Engine ist zwar sehr vielseitig, besonders eindrucksvoll sieht Wasteland 2 aber nicht aus. Die Unity-Engine ist zwar sehr vielseitig, besonders eindrucksvoll sieht Wasteland 2 aber nicht aus.

Warum sich Wasteland 2 in einem offenbar gesunden Zustand befindet, während Broken Age in massiven finanziellen Schwierigkeiten steckt? »Die Unity-Engine hat uns kolossal geholfen«, erklärt Brian Fargo. »Dabei sind wir ja eigentlich eine Unreal-Firma und kennen die Engine verflixt gut, aber wenn wir das Spiel in der Unreal-Engine gemacht hätten, dann hätten wir bis jetzt bestenfalls die Hälfte der Inhalte geschafft.« Außerdem hat sich Fargo frühzeitig dafür entschieden, lieber externe Tools einzukaufen als teure und mitunter aufwändige interne Lösungen zu entwickeln.

»Wir bauen zum Beispiel keine eigenen Leveleditoren wie wir das bei Fallout gemacht haben. Da draußen gibt's etliche Tools für die Unity-Engine, die uns monatelange Arbeit ersparen, und für 50 oder 100 Dollar zu kriegen sind.« Er ist sich nicht nur sicher, den Zeitplan einhalten zu können (jedenfalls sofern keine unvorhergesehenen Probleme dazwischen kommen), sondern auch überzeugt, dass dieses in knapp eineinhalb Jahren entwickelte Wasteland 2 problemlos mit anderen komplexen Rollenspielen mithalten kann. »Ich glaube, dass manche Leute überrascht sein werden, wie groß das Spiel tatsächlich ist und wie viele Nuancen es hat. Ich habe noch nie ein umfangreicheres Spiel gemacht.«

Ganz schön viel Spiel

Das ist eine mutige Ansage, aber wie umfangreich ist Wasteland 2 wirklich? Fargo und Keenan versprechen zwölf bis fünfzehn »major hubs«, also umfangreiche Areale, dazu sollen noch etliche kleinere Maps kommen, die Gesamtzahl wird bei Release zwischen 40 und 50 Karten betragen. Zum Vergleich: Auf der Weltkarte von Fallout 2 lassen sich insgesamt 23 Orte besuchen.

Die von einigen Beobachtern geäußerte Befürchtung, dass eine Entwicklungszeit von circa 15 Monaten nicht ausreichen würde, um tatsächlich ein großes Rollenspiel zu machen, teilt Fargo nicht: »Wir haben eher die Befürchtung, dass es zu groß wird«. Alleine 20 Stunden veranschlagt er für die Hauptstory, hinzu kommen Nebenquests und alternative Lösungswege, »du kannst unmöglich alles, was wir in das Spiel gepackt haben, in einem einzigen Durchgang sehen«.

1 von 4

nächste Seite


zu den Kommentaren (46)

Kommentare(46)
Kommentar-Regeln von GameStar
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.