Hinter den Kulissen von GOG.com - Jäger der verlorenen Spiele

Die Download-Plattform GOG.com ist seit Jahren ein Geheimtipp für Fans klassischer Spiele. Jetzt startet die Webseite auch auf Deutsch, und das Angebot umfasst immer mehr aktuelle Titel – alle DRM-frei. Aber wie machen die Betreiber das? Wir haben sie in Warschau besucht.

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Fast 46 Jahre nach der Mondlandung ist die Technik von einst verschollen. Die Raketenbaupläne sind unvollständig, die damaligen Experten längst im Ruhestand - falls sie überhaupt noch leben.

Es würde Jahre dauern, die Apollo-Raketen zu rekonstruieren, nachzubauen und erfolgreich zu starten. Computerspielen droht das gleiche Schicksal. Selbst wer noch Originale auf Disketten (!) hat, scheitert allein schon daran, dass Floppy-Laufwerke um die Jahrtausendwende ausgestorben sind.

Aktuelle Betriebssysteme nörgeln, bei DOS-Spielen ploppen Fehlermeldungen auf, die sich ironischerweise über 14 fehlende KILObyte EMS-Speicher beschweren - bei einem PC, der 16 GIGAbyte unter der Haube hat, wohlgemerkt. Selbst mit Emulatoren wie der DOS-Box bekommt man nicht jedes Spiel wieder ans Laufen, oft nerven Probleme beim Sound (»Keine Soundblaster-Karte gefunden!«) oder der Grafik (»DirectX 5.2 nicht installiert!«).

Übersichtlich: Auch in Sachen Benutzerführung muss sich GOG nicht hinter Steam und Co. verstecken. In Sachen DRM erst recht nicht. Übersichtlich: Auch in Sachen Benutzerführung muss sich GOG nicht hinter Steam und Co. verstecken. In Sachen DRM erst recht nicht.

Wer sich diesen Stress ersparen und dennoch liebgewonnene Altprogramme auf aktuellen Systemen spielen möchte, hat seit einigen Jahren eine Alternative: Good old Games, kurz GOG, eine Download-Plattform für Spieleklassiker, noch dazu kopierschutzfrei - gewissermaßen das Steam der Nostalgiker. Wir haben den GOG-Betreiber CD Projekt (ja, das ist die Firma, die auch The Witcher 3 entwickelt) in Warschau besucht und mit den Machern über die Ursprünge der Plattform, die Probleme beim Alte-Spiele-Finden und ihre Zukunftspläne gesprochen.

Start der deutschen Webseite
Am Donnerstag, dem 25. Februar 2015, startet die deutschsprachige GOG.com. Die Plattform ist komplett übersetzt, 350 der rund 1.000 Spiele sind deutsch lokalisiert, die beiden in Deutschland beliebten Zahlmethoden Giropay und Sofortüberweisung zusätzlich möglich (neben Paypal, Kreditkarte und Paysafecard).

Außerdem gibt's zum Launch besondere Angebote, allen voran das grandiose Daedalic-Adventure Deponia für 49 Cent. GOG-Mitgründer Marcin Iwinski dazu: »Deutsche lieben das Wort ›sparen‹!« Bei GameStar gibt's zum Start eine Sonderaktion zu The Witcher mit gratis Vollversion von Teil 1 und 80% Rabatt auf Teil 2 bei GOG.

Bugfixing nach 23 Jahren

»Wir kriegen sie alle!« verspricht uns Marcin Paczynski. Und wir glauben ihm. Denn der QA-Chef von Good Old Games hat es 955 Mal bewiesen. 955 Titel listet GOG.com nämlich, etwa die Hälfte ist zehn bis 20 Jahre alt, rund 100 Spiele sind noch älter. Damit sich die verkaufen lassen, müssen die Betreiber natürlich sicherstellen, dass sie tatsächlich laufen. Deshalb spielt die QA-Abteilung jeden Titel komplett durch, wenn's geht auch auf Macs und Linux-Rechnern. Damit alles reibungslos funktioniert, behebt das Team von Marcin Paczynski und seiner Kollegin Ewa Stiller nach Möglichkeit sogar jahrzehntealte Bugs.

Das ist kein leichtes Unterfangen. Was war ihr härtester Brocken? »The first Realms of Arcania« kommt es wie aus der Pistole geschossen. Kennen Sie nicht? Dann aber bestimmt den deutschen Titel: Das Schwarze Auge - Die Schicksalsklinge. Attics Rollenspiel war quasi das Gothic 3 der Neunziger, nämlich ein wahres Bug-Debakel.

QA-Abteilung, die Erste: Diese Mitarbeiter machen Spiele kaputt – sie suchen nach Bugs. Ihr Motto: »We break it!« QA-Abteilung, die Erste: Diese Mitarbeiter machen Spiele kaputt – sie suchen nach Bugs. Ihr Motto: »We break it!«

Schon die gedruckte Landkarte, die als Kopierschutz herhielt, wimmelte vor Druckfehlern, sodass richtige Antworten als falsch gewertet wurden, sich das Spiel nicht starten ließ. Selbst ein eilig nachproduzierter Korrekturzettel war fehlerhaft. Ewa Stiller seufzt: »Bis zum letzten Bosskampf haben wir nachbessern müssen, denn da kam es wegen Speicherproblemen ständig zu Abstürzen.«

Erst brechen, dann reparieren

Die Technik-Abteilung ist zweigeteilt. Die erste Gruppe, das »Break it«-Team, »macht die Spiele kaputt«, erklärt Marcin. Sie sucht die Bugs, provoziert Fehler und Abstürze - tut also genau das, was der ursprüngliche Entwickler hätten machen müssen. Das zweite Team, die »Fix it«-Truppe, sitzt in einem separaten Raum und repariert dann die gefundenen Bugs.

Das Problem: Nur bei wenigen Titeln existiert der originale Source Code noch, gerade mal rund ein Prozent der alten Spiele ist entsprechend dokumentiert. Alle übrigen müssen per »Reverse Engineering« rekonstruiert werden - was umso schwerer ist, weil die Spiele oft kompiliert auf den Datenträgern gelandet sind. Und weil jeder Entwickler damals sein eigenes Toolsüppchen gekocht hat, ist jedes Spiel individuell aufgebaut - die Standardschnittstellen wie DirectX und OpenGL setzten sich erst Mitte der Neunziger durch.

Spiele rund um das Jahr 2000 sind am schwierigsten zu»knacken«, erzählt Marcin, denn die damals aufkommende 3D-Grafik und DirectX7 zicken mit heutigen 3D-Karten gewaltig. X-Wing Alliance war so ein Fall - aber auch das hat jüngst vor den GOG-Technikern kapituliert.

QA-Abteilung, die Zweite: Diese Jungs bügeln die teils 30 Jahre alten Fehler wieder aus. Ihr Motto: »We fix it!« QA-Abteilung, die Zweite: Diese Jungs bügeln die teils 30 Jahre alten Fehler wieder aus. Ihr Motto: »We fix it!«

Bei ihrer Puzzlearbeit stoßen die Qualitätssicherer auch mal auf versteckte Nachrichten der Entwickler. Die prominenteste fanden sie letzten Sommer in der Exe-Datei von Dungeon Keeper: »I look around the office ... all I see are the tired pale faces of the Keeper team« beginnen die Zeilen - »Ich schaue mich im Büro um … und sehe nur die müden, blassen Gesichter des Keeper-Teams.«

Diese emotionalen Sätze stammen von Jonty Barnes, damals Programmierer und Level-Designer bei Peter Molyneux' Bullfrog Productions, heute, 17 Jahre später, ist er Production Director bei Bungie und mitverantwortlich für den MMO-Shooter Destiny. Das zeigt aber auch ein anderes Problem beim Restaurieren alter Spiele: Die Teams von damals gibt's nicht mehr, ihre Mitglieder sind versprengt, verschollen, oft zerstritten. Auf diese Problematik stoßen wir gleich noch, wenn es um die Lizenzrechte geht.

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