Der transparente Spieler
Generell ist der Wunsch nach Kontrolle die treibende Kraft hinter den auf überschaubare Größen zusammengestutzten Teilprojekten, nicht nur bei den Kosten. Die Entwickler nutzen die Episodenspiele auch als effektives Marktforschungsinstrument.
Das Steam-System, über das Sin: Emergence und Half-Life 2 Episode One vertrieben und gespielt werden, sammelt über das so genannte »stat tracking« beliebige Informationen darüber, wie sich die Spieler eigentlich so verhalten. 32 Prozent der Käufer von Episode One haben den Shooter im ersten Monat durchgespielt, meldet etwa Valve, im Schnitt brauchten sie dafür fünf Stunden und 18 Minuten. Neben Spieldauer, erreichtem Level und Einzelzeiten misst Valve auch technische Details, etwa wie viele Benutzer die HDR-Effekte aktiviert haben (68%). Auch Ritual sammelt solche Daten in Emergence, hat sie bislang aber nicht öffentlich gemacht. Der transparent gemachte Nutzer liefert den Entwicklern direkte Anhaltspunkte darüber, wo's in ihren Episoden hakt, was Spaß macht und was nicht, ob die Balance stimmt oder nicht und vieles mehr. »Evolutionäres Design«, nennt das Dan Connors. Scott Miller von 3D Realms bleibt prosaischer: »Entwickler können so schneller auf Spielerkritik reagieren und Elemente in den nächsten Episoden verbessern.«
Weiter geht's - nur wann?
Mit reichlicher Verspätung beginnt die Spielebranche also, eine Entwicklung des Fernsehens nachzuzeichnen: Gab's bislang nur abendfüllende Spielfilme, treten nun die ersten Serien an. Allerdings: Im TV funktioniert das Folgen-Konzept mit seinen ausgeklügelten Spannungsbrücken vor allem deshalb so gut, weil die Fortsetzungen im garantierten Wochentakt eintreffen.
Von einer ähnlichen Regelmäßigkeit sind die Spiele-Episoden weit entfernt. Knapp sieben Monate lagen zwischen der ersten und der zweiten Bone-Folge - eine recht lange Wartezeit, wenn man wissen will, wie's weiter geht. Auch mit den nächsten Sin- und Half-Life 2-Abschnitten ist nicht vor Jahresende zu rechnen. »Ich fürchte, dass jede veröffentlichte Episode weniger Spieler findet als die vorherige«, argwöhnt Scott Miller. »Was ist mit Spielern, die die erste oder zweite Folge verpasst haben - werden die als Nachzügler noch einsteigen wollen?« Der 3D-Realms-Chef ist sich deshalb »nicht sicher, ob Episoden einer Marke langfristig gut tun.« Einem tun sie derzeit allerdings mit Sicherheit nicht gut: dem Geldbeutel der Spieler. Denn obwohl die Entwickler durch den Online-Vertrieb Materialkosten, Transportgeld und Zwischenhändler sparen, lassen sie sich den Aufschnitt teurer bezahlen als die Stückware.
Episode One und Sin Emergence etwa, die nach den Plänen der Hersteller und nach der Netto-Spielzeit jeweils ein Drittel eines vollen Spiels ausmachen, kosten rund 20 Euro. Für die gesamte Dreierstaffel legen Shooter-Fans hochgerechnet 60 Euro hin - 10 Euro mehr als für normale Spiele. »Die Entwickler verlangen in ihren Episoden mehr Geld pro Spielstunde«, schimpft Scott Miller. Dan Connors beschwichtigt: »Die Preisökonomie ist noch im Anfangsstadium. Sie wird über die Zeit angepasst werden.«
Tirade des Dinosauriers
Deutlichere Kritik als sein Kollege Miller fand Mark Rein, der als streitlustig bekannte Chef von Epic Games (Unreal Tournament 2007), der Episodenspiele auf der Develop Conference in England Mitte Juli als »kaputten Markt« abkanzelte. »Episodenspiele werden zwangsläufig einen Haufen recycelten Inhalt benutzen«, wetterte der Branchenveteran, »man wird vor den gleichen Hintergründen mit den gleichen Waffen auf die gleichen Gegner schießen.« Gegen die massiven Werbebudgets der Vollpreisspiele hätten die zersplitterten Episodentitel keine Chance, denn Vertrieb ohne Marketing sei »wertlos«. Ein funktionierendes Episodenmodell gebe es sowieso schon längst: Die jährlichen Serien-Neuauflagen von Fifa über Final Fantasy bis hin zu Splinter Cell. Im Saal kam es prompt zu Zwischenrufen, Rein wurde als »Dinosaurier« mit »vernageltem Hirn« beschimpft.
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