World of Warcraft vom Genre-Thron stoßen und mal so richtig den WoW-Killer raushängen lassen - mit diesen hehren Ambitionen ist schon so manches neue Online-Rollenspiel an den Start gegangen. Und am Ende kläglich gescheitert. Zumindest ersteres lässt sich bei Neverwinter ausschließen: Das Free2Play-Rollenspiel vom zuvor unter anderem durch Star Trek Online in Erscheinung getretenen Spielentwickler Cryptic Studios führt sich vielmehr als grundsolide Alternative für passionierte Online-Rollenspieler ein.
Das Entwicklerteam vermeidet die Selbstdarstellung als Genre-Revolution mit atemberaubenden Spielansätzen und Features. Ein Eindruck, der sich auch im Spiel selbst bestätigt: Für Genre-Veteranen wirkt alles irgendwie vertraut, egal ob Grafik, Gameplay, Quests oder Spielaufbau. Im Vergleich zu diversen Konkurrenz-Titeln wurde lediglich an einigen kleineren Stellschrauben hier und da gedreht, um auf der bekannten MMO-Spielerfahrung aufbauend die eine oder andere Feature-Evolution anzustoßen. Aber reicht das aus, um nicht nur irgendein weiteres Free2Play-MMO unter vielen zu sein?
Charakter-Erstellung im Table-Top-Stil
Die Antwort auf diese Frage ist so eindeutig wie immer: Jein. Während Anhänger des Fantasy-Universums Dungeons & Dragons an Neverwinter sicherlich ihre wahre Freude haben werden, bewegt sich der Spielspaß für Online-Rollenspieler ohne Marken-Präferenzen nicht wirklich in revolutionären Bahnen - verprellt sie aber auch nicht. Die Charakter-Erstellung sorgt mit ihren aus dem D&D-Universum entnommenen Elementen noch vor Spieleinstieg für Wohlfühl-Atmosphäre - egal bei welchem Spieler-Typ.
Mit Menschen, Tieflingen, Halb-Orks, Zwergen, Halblingen, Elfen sowie Halb-Elfen stehen die unterschiedlichsten Völker zur Auswahl, die zudem allesamt ihre ganz eigenen Vor- und Nachteile mit sich bringen. Elfen etwa erhalten zwei zusätzliche Punkte auf die Attribute Geschicklichkeit und Weisheit und verfehlen durch die Fähigkeit "Elfische Zielgenauigkeit" kaum ein Ziel.
Weiter geht es dann wie gewohnt mit der Wahl einer der Klassen Zweihandwaffenkämpfer (DPS), Beschützender Kämpfer (Tank), taktischer Magier (Fernkampf-DPS), Glaubenskleriker (Heiler) und Trickserschurke bevor noch Fähigkeitenpunkte auf die üblichen Attribute (Stärke, Intelligenz und Co) verteilt werden dürfen und es abschließend zur Auswahl einer Herkunft, einer Intention und einer anzubetenden Gottheit geht. Wer viel Wert auf das RPG in MMORPG legt, darf sich zudem eine umfangreiche Biografie für seine Spielfigur ausdenken. Insgesamt erinnert das System ein wenig an das Ausfüllen eines Charakter-Bogens in geselliger Table-Top-Runde - was durchaus positiv gemeint ist.
Wegfindung wie bei Donnie Darko
Wer die Charakter-Erstellung erfolgreich abgeschlossen hat, darf erst einmal eine Runde an den Strand - allerdings nicht zum entspannen, sondern mitten hinein in den ganzen Schlamassel, um den sich die Hintergrundgeschichte in Neverwinter entspinnt. Erfahrene Rollenspieler kennen das: Strand, Schiffsbruch, Gedächtnisverlust und schon ist man mittendrin im Abenteuer seines Lebens. Trotz dieses eher uninspirierten Beginns weiß das Spiel jedoch einen gewissen Spannungsbogen zu erzeugen, dem es sich nur schwerlich entziehen lässt. Nachdem am Strand flugs noch ein paar nützliche Gegenstände eingesammelt wurden, geht es nämlich schon in Begleitung eines Nicht-Spieler-Charakters in der nächstgelegenen Stadt einigen Gegnern an den Kragen.
Wo andere Online-Rollenspieler ihre Nachwuchs-Helden noch zum Blümchenpflücken oder Wolfspelzsammeln schicken, überspringen wir das Laufburschen-Dasein in Neverwinter und steigen direkt zum Helden auf - und nehmen es sogleich mit ganzen Feindbataillonen und einem dicken Endgegner auf. Das macht einerseits Spaß und regt - von Weltrettungs-Ambitionen angetrieben - zum Weiterspielen an, wirft jedoch auch die eine oder andere Frage auf.
Zum Beispiel: Bleibt das Spiel durchweg so einfach, wie es sich in dieser ersten Mini-Instanz zum Einstieg geriert? Auch hier die obligatorisch-klare Antwort: Jein. Etwas ungewöhnlich ist da etwa die Wegfindung zum nächsten Questziel - der schnellste Weg dorthin wird nämlich stets in Form eines funkelnden Strahls auf dem Boden angezeigt. Film-Fans kennen etwas Ähnliches vielleicht aus Donnie Darko, Gamern wird als Referenz am ehesten das Molyneux-Rollenspiel Fable auf die Sprünge helfen.
Das System ist zwar durchaus nützlich, allerdings verführt es auch dazu, wie auf Schienen und nur auf den Boden blickend durch die eigentlich ganz hübsch gestaltete und vor allem in der namensgebenden Stadt selbst äußerst wuselige Spielwelt zu laufen. Und es deutet an, wohin die Reise mit Neverwinter wohl gehen soll: Ein "schneller, einfacher und zugänglicher Spieleinstieg" und "viel erreichen mit wenig Zeitaufwand" sind die Elemente, die hier offensichtlich im Fokus stehen.
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