Undertale im Test - Verkuppeln statt Verkloppen

Warum in Undertale so viel mehr steckt, als zunächst sichtbar, verrät unser lang überfälliger Test des Indie-Rollenspiels.

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Auf den ersten Blick sieht Undertale aus wie ein Fan- oder Studentenprojekt, und das ist gar nicht mal so weit von der Wahrheit entfernt. Der kreative Kopf hinter Undertale ist der Entwickler und Musiker Toby Fox. In seiner Jugend hat er mit seinem Bruder Modifikationen für das japanische Rollenspiel EarthBound gebastelt.

Im Juni 2013 hat Fox mit seiner Idee für ein Rollenspiel einen Nerv bei vielen Fans getroffen und bei Kickstarter statt der angestrebten 5.000 US-Dollar das 10-Fache eingesammelt. Ende 2015 stellt Fox das Spiel fertig, es wird über Nacht zum Kritikerliebling und begeistert Rollenspielfans weltweit mit seinem ungewöhnlichen Konzept. Höchste Zeit, dass auch wir diese unscheinbare Perle genauer unter die Lupe nehmen.

Weltfrieden oder Genozid

Undertale ist eine Hommage an die klassischen Japan-Rollenspiele der NES-Zeit und erzählt die Geschichte eines Menschenkindes, das auf einer Wanderung unachtsam durch einen Felsspalt stürzt und in einer mysteriösen Unterwelt landet. Dort trifft es auf eine Gruppe Überlebender der von unserer Erde verbannten Monster. Der Sage nach lebten Menschen und Monster einst friedlich nebeneinander auf der Oberwelt, doch die Menschheit wurde gierig und verbannte die unliebsamen Kreaturen unter Tage. Eine magische Barriere sorgt seitdem dafür, dass die Monster für immer dort gefangen sind.

Was ist...Undertale? - Dieses Spiel hat einen Wertungsschnitt von 94% Video starten 16:45 Was ist...Undertale? - Dieses Spiel hat einen Wertungsschnitt von 94%

Zwar gibt es eine Möglichkeit, die Monster zu befreien, jedoch fordert das einen hohen Preis. Als unfreiwilliger Besucher der Unterwelt können wir nun frei entscheiden, ob wir den beschwerlichen Weg gehen und die Monster befreien oder alles und jeden töten, um zurück an die Oberfläche zu gelangen.

Wir sind so doof!
Stimmt, Undertale ist bereits rund eineinhalb Jahre alt. Immer wieder erreichen uns jedoch Fragen, wo denn unser Test zu diesem Meilenstein ist? Die traurige Wahrheit: Damals beim Release haben wir Undertale schlichtweg verpasst. Peinlich! Mit diesem Test wollen wir das Versäumnis endlich korrigieren.

Gespielt wird das Spiel über Tastatur oder Gamepad, wir steuern die 2D-Spielfigur aus der JRPG-typischen seitlichen Draufsicht über die Karte, führen Dialoge und interagieren mit Objekten auf Knopfdruck. Geraten wir in einen für das Genre typischen Zufallskampf, wechselt der Bildschirm in einen rundenbasierten Kampfmodus. Dort wählen wir aus, ob wir angreifen, fliehen oder einen Gegenstand verwenden wollen.

Greifen wir einen Gegner an, gilt es in einem kurzen Minispiel, einen von links nach rechts pendelnden Balken in der Trefferzone zu platzieren. Beim Gegenangriff der Kontrahenten weichen wir dagegen mit einem kleinen Herz wie in einen Bullet-Hell-Shooter Projektilen aus. Geschickte Spieler haben so auch gegen stärkere Feinde eine Chance.

Japanische Rollenspiele wie EarthBound waren eine große Inspiration für den Entwickler, das merkt man dem Spiel vor allem zu Beginn stark an. Japanische Rollenspiele wie EarthBound waren eine große Inspiration für den Entwickler, das merkt man dem Spiel vor allem zu Beginn stark an.

Killing me softly

Das Spiel wirbt damit, dass kein einziger Gegner im Spiel getötet werden muss. Und genau hier beginnt Undertale, richtig spannend zu werden. Jeder Feind, der uns im Spiel begegnet, hat nicht nur individuelle Angriffsmuster, sondern vom Entwickler eigens erdachte Charakterzüge. Die kann man nutzen, um quasi im Pazifisten-Modus Kämpfen aus dem Weg zu gehen. Eines der vielen erreichbaren Enden im Spiel ist nur sichtbar, wenn restlos alle Gegner im Spiel verschont werden. Um dieses Ziel zu erreichen, verwickeln wir die Monster in Gespräche oder nehmen ein traurig wirkendes Wesen einfach mal tröstend in den Arm.

Hinter dem Menupunkt ACT verbergen sich alternative Vorgehensweisen wie »Kompliment machen« oder »auslachen« und ähnlich untypische Aktionen Hinter dem Menupunkt ACT verbergen sich alternative Vorgehensweisen wie »Kompliment machen« oder »auslachen« und ähnlich untypische Aktionen

Das Kontextmenü »Act« (dt. handeln) bietet uns je nach Gegnerart unterschiedliche Möglichkeiten an. Flirten, streicheln, aufheitern, Kompliment machen, beschimpfen, hänseln, aufziehen, auslachen - die Bandbreite der Optionen und Reaktionen der Gegner sind vielfältig und nicht immer leicht zu durchschauen, aber immer interessant.

Doch nicht immer will ein tierischer Gegner gestreichelt werden und manchmal ist es gar kontraproduktiv, dem erbosten Gegenüber mit sanften Worten zu begegnen. Die überraschenden Reaktionen und zahlreichen kreativen Wege, wie das Spiel Konflikte ohne Waffengewalt auflöst, haben uns schlicht begeistert und oft zum Lachen gebracht.

Metahumor: Die Skelettbrüder heißen Sans und Papyrus und reden auch in der gleichnamigen Schriftart mit uns. Metahumor: Die Skelettbrüder heißen Sans und Papyrus und reden auch in der gleichnamigen Schriftart mit uns.

Wir haben es zum Beispiel mit zwei grimmigen Wachen zu tun, die uns den Weg versperren. Im Kampf finden wir durch aufmerksames Zuhören heraus, dass einer der beiden unglücklich in den anderen verliebt ist, aber Angst hat, es ihm zu sagen. Unsere Aufgabe ist es, die beiden miteinander zu verkuppeln, während wir weiterhin angegriffen werden. Fantastisch! Kleine Warnung: Da das Spiel keine deutsche Übersetzung besitzt, sind gute englische Sprachkenntnisse zum vollen Verständnis und Genuss des Spiels nötig.

Haben wir herausgefunden, was unsere Gegner umtreibt und konnten wir durch unsere Aktionen einen Kampf umgehen, färbt sich ihr Name gelb und wir können auch in zukünftigen Attacken dieses Gegnertyps direkt auf die Option »Gnade/Mercy« klicken und müssen nicht den ganzen Findungsprozess erneut durchlaufen. Sehr oft wirkt sich eine Entscheidung auch direkt auf die Spielmechanik oder den weiteren Storyverlauf aus. Figuren reagieren auf Ereignisse und sprechen uns später darauf an, dass sie sich freuen, dass beispielsweise die beiden Wachen endlich zusammengefunden haben.

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