What Remains of Edith Finch im Test - Warum der Tod letztlich unwichtig ist

What Remains of Edith Finch ist ein Spiel über das Leben. Das begreifen wir im Test aber erst, nachdem wir den Tod jedes Mitgliedes der Familie Finch miterlebt haben und tappen damit in eine geniale Falle.

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Auf den ersten Blick wirkt What Remains of Edith Finch wie eine Geschichte über den Tod. Es scheint offensichtlich: Wir kehren als 17-Jährige Edith Finch in unser Elternhaus zurück, um einen Fluch zu untersuchen. Der soll tragischerweise unsere ganze Familie dahingerafft haben, weshalb wir jetzt die letzte verbliebene Finch sind.

Trotzdem sind wir anderer Meinung: What Remains of Edith Finch ist kein Spiel über den Tod. Es handelt vom Leben und lässt uns in eine fiese Falle tappen, indem es den Tod so in den Vordergrund stellt: Am Ende müssen wir wie die Familie Finch erkennen, dass wir uns die ganze Zeit auf das Falsche konzentriert haben.

Gameplay & Fazit:Test-Video zu What Remains of Edith Finch

Unglücklich sind wir aber nicht darüber, denn in seinen zehn Kapitel stellt uns das knappe aber intensive Adventure von Giant Sparrow die Mitglieder der Familie Finch vor, die alle ein viel zu frühes, tragisches Ende gefunden haben. So entsteht ein ungewohnt emotionales und melancholisches Erlebnis, wie wir es nur selten in Videospielen finden.

Was bleibt ist aber nicht die Trauer, sondern Hoffnung. Denn Edith Finch ist auch ein unglaublich fröhliches Spiel, das zeigt, dass der Tod sinnlos, absurd und unvorhersehbar ist – genauso wie das Leben – und dass es am Ende vielleicht nur darauf ankommt, dass wir überhaupt da waren.

Auf der Suche nach einem Fluch

Als Edith Finch begeben wir uns auf die Suche nach der Wahrheit hinter dem vermeintlichen Fluch, der auf ihrer Familie lastet. Ihr Weg führt sie dabei zurück in das verlassene Haus ihrer Kindheit, das den Dreh- und Angelpunkt der unterschiedlichen Schicksale darstellt, und das seit dem Tod ihres ihres ältesten Bruders und ihrer Urgroßmutter sechs Jahre zuvor unverändert dasteht.

Die verdorbenen Reste des letzten gemeinsamen Essens stehen noch auf dem Tisch, die Stühle sind umgeworfen, der Strom abgestellt. Das Ergebnis eines abrupten Aufbruchs in ein neues Leben, im verzweifelten Versuch, dem Familienfluch zu entkommen.

What Remains of Edith Finch - Screenshots aus der PC-Version ansehen

Gelingen will das nicht. Ediths Mutter Dawn stirbt wenige Jahre später und alles, was sie ihrer Tochter hinterlassen hat, ist ein mysteriöser Schlüssel für eines der vielen Schlösser im Finch-Haus, hinter denen sich vielleicht die Erklärung für die vielen Tragödien befindet. Auf der Suche nach dem passenden Schloss wandern wir mit Edith durch das verlassene Heim.

Das Haus sieht auf dem PC mit hohen oder Ultra-Einstellungen sehr hübsch aus, ist aber kein Vergleich zu einem optischen Leckerbissen wie The Vanishing of Ethan Carter. Immerhin punktet die Umgebung aber durch einen sehr hohen Detailgrad, der uns wirklich das Gefühl gibt, dass hier eine etwas schrullige Familie gelebt hat.

In jedem Winkel der liebevoll detailreich gestalteten Umgebung verbirgt sich eine Erinnerung aus Ediths Kindheit, die sie in ihr Tagebuch schreibt. Wie in einem interaktiven Bilderbuch tanzen die Buchstaben über den Bildschirm, während sie das Geschriebene vorliest. Es ist ein wenig, als würden wir eigentlich in Ediths Tagebuch lesen und dabei ihren Gedanken lauschen.

What Remains of Edith Finch erinnert in diesen ersten Momenten an Gone Home. Anders als in dem Spiel von Fullbright lässt uns das Adventure von Giant Sparrow aber nicht nur Puzzlestücke fremder Leben zusammensetzen und passiv betrachten, sondern ermöglicht es uns, die letzten Momente der Finchs dank First-Person-Perspektive aktiv zu spielen und zu erleben. Edith Finch setzt seinen Schwerpunkt anders als klassische Erkundungs-Adventures oder »Walking Simulatoren«, wie sie manchmal abfällig genannt werden. Die Spielmechanik selbst nimmt eine deutlich größere Rolle ein und geht jederzeit Hand in Hand mit der Geschichte. Sie unterstützt sie, statt nur ein Verlegenheitselement zu sein.

Jeder Raum eine neue Welt

So hilft uns in jeder der kleinen Geschichten das Gameplay dabei, nachzuspüren, was die Person in den letzten Momenten ihres Lebens gefühlt und erlebt hat. Jedes Zimmer des verschachtelten Hauses ist eine versiegelte Zeitkapsel. Ein kleines Museum, nahezu unberührt seit sein ehemaliger Bewohner es zum letzten Mal verlassen hat. Geheimgänge verbinden die diversen Orte und lassen uns die bisher unzugänglichen Orte betreten. Jeder stellt dabei ein Kapitel dar, eine eigene kleine Kurzgeschichte über die Person, die hier gelebt hat.

Ein gezeichneter Stammbaum zeigt nach und nach die Persönlichkeiten und Enden der Familie Finch. Ein gezeichneter Stammbaum zeigt nach und nach die Persönlichkeiten und Enden der Familie Finch.

So lernen wir die katzenbegeisterte Molly kennen, die 1947 mit nur zehn Jahren starb. Ihren Bruder Calvin, der Astronauten liebte und den sie nie kennen lernte. Ihren Neffen Gregory, der Jahrzehnte nach Mollys Tod nicht einmal sein zweites Lebensjahr erreichte. Und natürlich Edith, die zwei Brüder, ihre beiden Eltern, einen Onkel und ihre Großmutter begraben musste.

Mit jedem neuen Kapitel präsentiert What Remains of Edith Finch nicht nur einen komplett neuen Charakter, sondern gleichzeitig neue Spielelemente. Mollys kindliche Fantasie lässt uns in die Rolle verschiedener Tiere auf der Jagd nach Futter schlüpfen, nachdem sie ohne Abendessen ins Bett geschickt wurde. Plötzlich blicken wir durch die Augen einer Katze, die hinter einem Vogel her ist, bevor wir zu einer Hasen jagenden Eule, einem Hai mit Robben-Hunger und schließlich sogar einem menschenfressenden Monster werden, das sich auf der Suche nach Beute über ein Schiff schlängelt.

Die Geschichte des ehemaligen Kinderstars Barbara wird auf den Seiten eines kitschigen Horrorcomics erzählt, durch den wir die junge Frau steuern. Die letzten Momente von Familienvater Sam erleben wir ausschließlich durch die Linse seiner Kamera und halten sie selbst in Schnappschüssen fest.

Kleine Schreine in den abgeschlossenen Räumen lassen uns die letzten Momente ihrer ehemaligen Bewohner erleben. Kleine Schreine in den abgeschlossenen Räumen lassen uns die letzten Momente ihrer ehemaligen Bewohner erleben.

Eines der verstörendsten und faszinierendsten Erlebnisse in What Remains of Edith Finch ist die Geschichte des Konservenfabrikarbeiters Lewis, der am Fließband von einer besseren Welt träumt. Während wir mit dem Maus Fische enthaupten, steuern wir mit der Tastatur Traum-Lewis durch eine immer weiter wachsende Fantasiewelt, die schließlich den kompletten Bildschirm verschlingt – und seine geistige Gesundheit.

Das Ende der Finch-Familie wird nie wirklich gezeigt. Manchmal ist deutlich, was am Ende einer der Geschichten passiert, manchmal bleibt es unserer Fantasie überlassen. Fast immer trifft es mitten ins Herz.

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