Mein neuer Handheld sollte mir einen lang gehegten Gaming-Traum erfüllen, stattdessen hat er mich maßlos enttäuscht

Auf dem Papier sah das Ayaneo Air Plus wie gemacht für mich aus. Umso größer war dann die Enttäuschung, als ich es benutzte.

Das Ayaneo Air Plus sollte mein Retter sein. (Quelle: Ayaneo) Das Ayaneo Air Plus sollte mein Retter sein. (Quelle: Ayaneo)

Ich geb’s ja zu: Ich gehöre nicht zur PC Masterrace. Tatsächlich sitze ich am anderen Ende des Spektrums. Zocken tue ich hauptsächlich auf Konsolen. Klar, mein Gaming-Notebook wird auch mal hergenommen, um Spiele zu daddeln, aber das passiert alle Jubeljahre mal.

Gleichzeitig habe ich eine Schwäche für Handhelds. Seit ich vor 30 Jahren den ersten Game Boy von meinem Patenonkel geschenkt bekam, sind sie ein Teil von mir. Jede Game Boy-Iteration hab ich mitgemacht und - man möge mich nicht teeren und federn - auch auf dem Handy zocke ich immer wieder.

Eigentlich müssten Handhelds wie das Steam Deck oder das Ayaneo Air Plus, um das es in diesem Artikel geht, doch wie für mich gemacht sein. PC Gaming on the Go? Optimal!

PC-Gaming, mein alter Feind

Bevor ich meinen Leidensweg mit dem Ayaneo beschreibe, möchte ich meine Ausgangslage erklären und in Perspektive setzen.

Am PC zocken war noch nie mein Ding, ich habe mit dem Controller in der Hand das Licht der Welt erblickt.

Ich sitze in meinem Job vor dem Rechner, darüber hinaus schreibe ich in meiner Freizeit viel am Computer. Zum Zocken will ich es gemütlich und keine Tastatur und Maus unter den Griffeln haben.

Hinzu kommt das Hardware-Geschraube und Spec-Vergleiche, die schon früher nicht meines waren. Prebuilt Gaming-PCs sind eine Sache, klar, aber auch dann muss ich immer wieder nachrüsten - und wem muss ich hier was von Grafikkarten und ihren Preisen erzählen?

Mir erschien das Plug-and-Play-Konzept der Konsolen schon immer nutzerfreundlicher. Freilich: Mods sind klasse, manches Early-Access-Game ist eine Perle, technisch ist das Dach nach oben offen und Strategie-Spiele und Shooter lassen sich mit Maus einfach besser spielen.

Nichtsdestotrotz trägt meine DNA das Konsolenspieler-Gen in sich.

Ayaneo Air Plus: Außen hui

Im Netz stolperte ich über das Ayaneo Air Plus und auf dem Papier liest sich das Gerät piekfein:

Nicht nur die Specs sind fett, der Preis ist es auch: Das günstigste Angebot für den Handheld, das ich gefunden habe, liegt bei 1.140 Euro.

Kein Vertun: Das Teil muss was können, Chinakracher hin oder her!

Ich habe also beim Hersteller nachgefragt und Ayaneo war bereit, mir das Gerät zur Verfügung zu stellen - geil! Das ist sicherlich nicht üblich und auch wenn ich mit dem Ayaneo Air Plus nicht zufrieden war, bin ich dankbar, es getestet haben zu dürfen.

Es dauerte anderthalb Wochen, dann traf die Post ein. Ausgepackt und aufgemacht: Siehe da, der Handheld macht echt was her!

Ich war aufgeregt wie ein Kind an Weihnachten, das auf das Glöckchen vom Christkind wartet. Selbst die Beschreibung in etwas ungewöhnlichem Englisch hatte Charme.

Die Verarbeitung ist tadellos. Der Ayaneo Air Plus liegt trotz seines Gewichts von 525 Gramm (die Nintendo Switch wiegt schlanke 315 Gramm) gut in der Hand. Kein Billigplastik, die Buttons haben ein angenehm haptisches Feedback, alles wunderbar.

Freudig schließe ich meine neue Errungenschaft direkt an den Strom an und siehe da: Die Sticks leuchten. Rot, wenn die Energie zur Neige geht, Blau, wenn genug Saft im Akku ist.

Ich bin euphorisch. 

Ist das endlich das richtige Gerät für mich und meine Bedürfnisse?

Ayaneo Air Plus: Innen … ein bisschen pfui

Das Erste, was ich nach dem Einschalten mache: Windows einrichten. Kein Problem, zig mal gemacht und ganz ehrlich: Ich bin begeistert, wie problemlos das auf dem kleinen Ding vonstatten ging.

Dann, endlich, bin ich auf dem Desktop. Ein vertrautes Bild, das ich vom Rechner kenne, aber auf dem kleinen Bildschirm hat’s mir doch Respekt abgerungen. Bisher läuft es super.

Auf Knopfdruck bekomme ich sogar Hardware-Analysen. Wie viel Arbeitsspeicher ist belegt? Wie heiß wird der Handheld? Ich darf sogar die Performance anpassen, wenn das Gerät mal zu hart ackern muss.

Ich öffne die Ayaneo-Software und … Na gut, sie wird keinen Design-Award abräumen, aber sie ist übersichtlich und verständlich - bis ich ein Update anstoße und sich danach sämtliche Schrift in chinesische Zeichen verwandelt. In meiner Überraschung habe ich nicht mal ein Foto gemacht.

Kinderkrankheit, denk ich mir. Kein Problem, ich kann ja googlen. Und siehe da: Auf Reddit gibt’s Leute, die mit demselben Problem konfrontiert wurden. Ich befolge die Anleitung und stelle erfolgreich die englische Sprache wieder her. 

So, jetzt aber zocken!

Ich muss nur die Ayaneo-Software mit meinem Steam-Account verbinden, dann finde ich meine Games übersichtlich in der Bibliothek aufgelistet. Ich navigiere zur Menüeinstellung, die mich genau das tun lässt - und knalle gegen eine Backsteinwand.

Egal, was ich tue und wie oft ich meine Accountdaten über den Touchscreen eingebe, das Ayaneo Air Plus will sich ums Verrecken nicht synchronisieren. 

Schlimmer noch: Das Fenster innerhalb der Software und die Buttons der Steamseite sind auf dem Screen so klein, dass ich sie mit meinen Fingern nicht treffe. Button-Unterstützung? Nicht mit Ayaneo. Anscheinend funktioniert die nur im Spiel (was später noch zu beweisen wäre).

Eine Verkettung von unglücklichen Ärgernissen

Wenn Technik nicht so will, wie ich will, bin ich persistent (und stinkig, aber das stört zu dem Zeitpunkt niemanden, denn ich bin allein zuhause). Weder habe ich auf Google Hilfe gefunden, noch bin ich selbst dahintergekommen. 

Aha! Sören hat eine frühere Version des Ayaneo Air Plus getestet. Der muss doch wissen, wie der Hase läuft.

Über den kurzen Dienstweg frage ich und er gibt kopfkratzend zu: Er hat das Problem nie gehabt, weiß aber sehr wohl, dass die Software sehr fummelig ist.

Dabei stellt sich Folgendes raus: Wer nicht die Geduld oder Nerven hat, sich mit der klapprigen Software auseinanderzusetzen, der wird bei diesem Gerät schnell abgehängt. Suboptimale Übersetzung oder zweckdienliche Benutzeroberfläche hin oder her: Wenn ich an Standardfunktionen scheitere, nimmt mir das den Spaß.

Ich bin nicht auf den Kopf gefallen und gebe nicht so schnell auf, aber Plug-and-Play ist bei Ayaneo nicht. Das hauseigene Programm ist verwirrend, verschachtelt, Anzeigen sind nicht vollständig, Tasten haben unterschiedliche Funktionen, die sich nur mit Trial and Error herausfinden lassen.

Aber gut, der geneigte Techie weiß sich zu helfen. Wir befinden uns auf einem nativen Windowssystem, also lade ich Steam einfach manuell herunter und bediene die zu kleinen Menüs mit meinen zu großen Fingern.

Dann aber endlich zocken.

Oder?

Ayaneo Air Plus: Liegts an mir oder an ihr?

Ich weiß, das Spiel reizt die Technik bei Weitem nicht aus, ich hab’s trotzdem als Erstes getestet: Mein Go-to-Game, das ich gerne bequem und ohne Abstriche spielen möchte, ist Civilization 6. Gesagt, installiert. 

Es begrüßt mich der Startbildschirm. Meine Gefühle wallen auf - nur um dann von dem nicht vorhandenen Controller-Support erschlagen zu werden. Ich pilotiere mich in die Einstellungen und- Moment! War das ein Grafikfehler? Nee, bestimmt nicht.

Erst mal die Auflösung anpassen, weil hier ja doch alles ziemlich klein ist. Ihr erratet es sicher: Backsteinmauer. Anstatt die Auflösung zu ändern, ändert sich nur die Fenstergröße, na vielen Dank.

Okay, ich versuch's über Ayaneos Software, die ich mit einem dedizierten Button ja jederzeit auch in-game ansteuern kann. Doch auch hier bekomme ich nur einen entsprechenden Bildschirmausschnitt und keine wirkliche Auflösungsanpassung.

Ayaneo, du hast gewonnen, ich lasse die Einstellung wie sie ist. Danach starte ich eine Partie. Sie lädt, Tutorialfenster, ich bekomme die gewohnte Ansicht. Fast schon ermutigt klicke ich auf eine meiner Einheiten - und da ist wieder der Bildfehler. Ein Rauschen, immer dann, wenn ich auf dem Touchscreen irgendwo hintippe.

Mir langt’s. Der Frust ist zu groß. Weg mit dem Handheld für den Moment.

Ich habe das Ayaneo dann wirklich einen Tag mit dem Allerwertesten nicht angeschaut, nur um am nächsten einen neuen Versuch zu starten. Der Bildfehler ist verschwunden, dafür hat sich Civ direkt im ersten Zug aufgehängt. Geht ja gut los.

Sollen sie doch ohne mich siedeln, ich probiere es mit anderen Games. Um es nicht zu wild anzugehen, starte ich Slay the Spire. Unterfordert die Hardware massiv, aber vielleicht kann der Handheld das ja zumindest darstellen, ohne sich aufzuhängen. Oder Bildfehler zu generieren. Mit Controller-Support. In akzeptabler Größe.

Kann er.

Divinity: Original Sin 2 schafft das Ayaneo Air Plus ebenfalls ohne Murren. Zugegeben, der Lüfter ist recht laut, aber das bemängelte Sören einst in seinem Test auch. Hier funktioniert auch die Controller-Unterstützung, der Erbauer sei gepriesen.

Die per Steam heruntergeladenen Games befinden sich jetzt immerhin auch in der Bibliothek der Ayaneo-Software.

Ich bekomme sogar Cyberpunk 2077 zum Laufen, und zwar ohne mich auf den Kopf zu stellen - und das Spiel sieht ordentlich aus. Bei eingeschaltetem Ray-Tracing ruckelt die Kiste, aber das ist mehr, als ich zwischenzeitlich erwartet habe.

Wo ist der Heilsbringer?

Das hier ist kein Test, sondern ein persönlicher Erfahrungsbericht. Vielleicht haben sich meine Erwartungen nicht mit dem gedeckt, was das Ayaneo Air Plus bietet. Am Ende kann ich schließlich darauf zocken, auch wenn für mich persönlich Komfort fehlt. An zu vielen Ecken und Enden muss ich anfassen und mich ärgern.

Könnte ich doch auch nur so fröhlich aussehen wie die Menschen in Ayaneos Werbung. (Quelle: Ayaneo) Könnte ich doch auch nur so fröhlich aussehen wie die Menschen in Ayaneos Werbung. (Quelle: Ayaneo)

Eine Tatsache habe ich zumindest gelernt: Große Specs sind nicht gleichbedeutend mit großem Spaß. Man darf und sollte durchaus hinterfragen, wieso Hersteller teure Technik in ein Gerät packen, die hauseigene Software aber dann so unfertig ausliefern. Das trübt den Entdeckerspaß enorm. Und wer rein nach Power kauft, wird ebenfalls enttäuscht.

Wenn ich erst durch zig brennende Reifen springen muss, um ein Spiel unter den von mir gewünschten Bedingungen zu starten, dann sollte der Hersteller noch mal zurück ans Reißbrett. 

Für den schnellen Spiele-Fix ist das Ayaneo Air Plus jedenfalls nicht gedacht, dazu ist es schlichtweg zu teuer. Um es wirklich für Spieler wie mich, die sich nicht mit all den Unzulänglichkeiten herumschlagen wollen, sexy zu machen, fehlt der Komfort.

Schreckt mich das von meiner Suche ab? Nein, und ich werde euch liebend gerne mitnehmen, wenn ich den Handheld gefunden habe, der mich zufriedenstellt und genau diese juckende, PC-Gaming-Konsolen-Hybrid-Stelle kratzt, die mich seit geraumer Zeit piesackt. Stay tuned!

Auch im GameStar-Tech-Podcast stellt man sich die Frage nach dem geeigneten Handheld:

Link zum Podcast-Inhalt

Das Ayaneo Air Plus war für mich eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Von himmlischsten Hochs bin ich in ein bodenloses Loch gestürzt. Kennt ihr solche Momente? Welches technische Gerät hat euch so richtig enttäuscht? Habt ihr vielleicht einen Tipp, welches Handheld ich mir mal zu Gemüte führen sollte? Schreibt es mir gerne in die Kommentare.

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