Intels verlorenes Jahrzehnt: CEO Pat Gelsinger spricht über die Fehler der letzten Jahre

Seit Pat Gelsinger CEO ist, ticken die Uhren bei Intel anders. In einem Podcast erklärt er, was beim Halbleiter-Riesen lange schief lief - und was sich seit seiner Rückkehr zum Unternehmen geändert hat.

»Bringing the Geek back« steht auf Gelsingers Shirt - die sind es, die dem Unternehmen laut ihm lange gefehlt haben. »Bringing the Geek back« steht auf Gelsingers Shirt - die sind es, die dem Unternehmen laut ihm lange gefehlt haben.

Seit rund 18 Monaten ist Pat Gelsinger nun CEO bei Intel. Und seit der Rückkehr des Managers zum Halbleiter-Riesen hat sich offenbar eine ganze Menge getan.

Im Interview mit Nilay Patel vom US-Podcast Decoder spricht der Intel-Chef offen über Fehler, die in der Vergangenheit begangen wurden und die Mission, die er nun verfolgt: Intels verlorenes Jahrzehnt hinter sich lassen und das Unternehmen von Grund auf erneuern.

Dabei spricht der CEO vier große Fehler an, die bei Intel in den vergangenen Jahren gemacht wurden und die das Unternehmen gemeinsam auf den Holzweg brachten.

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Eine fehlende Ingenieurskultur bei Intel

Laut Gelsinger hatte Intel im Lauf der Jahre seine zentrale Unternehmenskultur verloren. Methodik, Prozesses und eine allgemeine Ingenieurskultur seien es gewesen, die das Unternehmen einst groß gemacht hätten.

Viele grundlegende Werte wie Disziplin, Entscheidungen auf harter Datenbasis und eine Orientierung an der schlussendlichen Leistung hätten darunter gelitten.

Ein Zustand, der laut Gelsinger nicht mehr anhalten dürfe. Bringing the Geek back lautet sein Motto, dass er sich für die kürzlich stattgefundene Intel InnovatiON binär und in ASCII-Code auf sein Shirt drucken ließ. Die Highlights des Events am ersten Tag könnt ihr euch im folgenden Video ansehen:

Intel Arc, Raptor Lake und Co.: Das waren die Highlights der Intel InnovatiON Video starten 15:47 Intel Arc, Raptor Lake und Co.: Das waren die Highlights der Intel InnovatiON

Auch auf der Management-Ebene hätte sich zu seinem Start die falschen Leute befunden. Dort hätte es zwar viele gute Anführer gegeben, die sich jedoch in Jobs befänden, für die sie nicht qualifiziert gewesen wären. In den vergangenen Monaten hatte Gelsinger daher rund 70 Prozent der Leitungsebene von Intel ausgetauscht.

Das Ende des Tick-Tack-Modells

Ein Prinzip, dass bei Intel seit zwanzig Jahren Anwendung fand, wurde in Gelsingers Abwesenheit ebenfalls abgeschafft: Das Tick-Tack-Modell. Damit bezeichnete Intel sein Vorgehen bei der Entwicklung neuer Prozessor-Designs.

Mit jeder neuen Prozessorgeneration entwickelte man entweder die Fertigungstechnik (Tick) oder die Mikroarchitektur (Tack) weiter. Nicht jedoch beides auf einmal.

So ließen sich so mit wenig Risiko konstante Sprünge bei den Produkten gewährleisten. Warum man das Tick-Tack-Modell in Gelsingers Abwesenheit beendet, konnte der CEO im Gespräch nicht sagen: Warum haben wir aufgehört? Das war super erfolgreich. Lasst es uns wieder machen. Setzen wir es wieder ein.

Wir haben zu viel riskiert - und versagt

Allgemein scheint das Risikomanagement in den letzten Jahren ein großer wunder Punkt bei Intel gewesen zu sein. Man habe zu viel auf einmal gewollt und die Quittung dafür bekommen.

Teils plagen diese vergangenen Fehler Intel noch heute, so Gelsinger. Die Server-Prozessoren mit dem Decknamen Sapphire Rapids befänden sich seit fünf Jahren in der Mache, da man zu viel auf einmal ändern wollte: DDR5, PCI Express 5.0, ein neuer Standard für die CPU-Geräte-Verbindung (CXL).

Seine Lösung? Wir müssen die Rohre dieser Projekte durchspülen. Wir müssen sie abschließen, sie fertigstellen und die Qualitätskultur wiederherstellen.

Gleichzeitig habe man aber auch bei wichtigen Wetten auf die Zukunft aufs falsche Pferd gesetzt. Als Beispiel nennt er EUV (Extreme Ultraviolet Lithography). Die Technologie hätte eine weitere Verkleinerung bei der Mikroarchitektur ermöglicht, für die Intel-10-Architektur wollte das Unternehmen EUV aber vermeiden.

Nun habe Konkurrent TSMC, bei dem etwa Apple und AMD ihre Halbleiter fertigen lassen, einen großen Vorsprung beim Einsatz von EUV - obwohl Intel laut Gelsinger eigentlich für die grundlegende Entwicklung der Technologie verantwortlich war.

Übrigens: Auch TSMC könnte in Zukunft mit Problemen zu kämpfen haben. Die liegen aber eher im Energiebedarf des Unternehmens begründet:

Der wichtigste Chiphersteller der Welt könnte bald ein Problem bekommen - und wir damit auch

Das Ende des Lieds: Verlorenes Vertrauen

All das habe über die Jahre zu einem verlorenen Vertrauen bei den Kunden geführt, meint Gelsinger. Man hätte nicht die erwartete Qualität, Menge und Leistung bieten können, die die Kunden von Intels Produkten erwarteten.

Nun wolle man dieses Vertrauen zurückgewinnen. Und laut Gelsinger erhalte man von großen Kunden bereits besseres Feedback, auch wenn man noch nicht am Ende der Fahnenstange angelangt sei.

Um die Fehler des letzten Jahrzehnts auszubügeln, will Gelsinger langfristig denken. Die Strategie sei nicht auf ein Quartal oder ein Jahr ausgelegt. Stattdessen plane man bereits für die kommende Dekade. In dieser Zeit wolle man aggressiv auf EUV setzen, um Mikroarchitekturen voranzubringen und sich von Altlasten entledigen - auch wenn Intels Aktionäre in Folge kurzfristige Einbrüche beim Aktienwert hinnehmen müssten.

Langen Atem sollte Intel auch bei seinen neuen Grafikkarten beweisen. Während die ersten Arc-Karten nicht die von vielen prophezeite Katastrophe sind, wie unsere folgende Test-Übersicht zeigt, liegt die Hoffnung doch schon jetzt auf kommenden Generationen.

Tests der neuen Intel-Arc-Grafikkarten ergeben ein überraschend kompliziertes Bild

Seht ihr es wie der Intel-Chef, dass die letzten Jahre für Intel ein verlorenes Jahrzehnt waren? Und kann sich der Halbleiterriese zu einer neuen Glanzzeit emporschwingen? Oder geht dem Unternehmen davor der Atem aus? Schreibt uns eure Einschätzung in die Kommentare!

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