Warum das neue Weltraumteleskop die Sicht auf die Menschheit grundlegend ändern könnte

Das James Webb Weltraumteleskop übermittelt uns seit wenigen Wochen spektakuläre Bilder des Universums. Doch was ist seine Mission, was macht es besonders?

Der Hauptspiegel des James Webb Weltraumteleskops mit seinen 6,5 Metern Durchmesser. (Bildquelle: NASA) Der Hauptspiegel des James Webb Weltraumteleskops mit seinen 6,5 Metern Durchmesser. (Bildquelle: NASA)

Vor wenigen Wochen wurden die ersten fünf Bilder des neuesten Weltraumteleskops enthüllt. Unter anderem bekamen wir eine Aufnahme des sogenannten Carina-Nebels zu sehen, dem größten Sternentstehungsgebiet unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, in rund 7.600 Lichtjahren Entfernung.

Die Detailfülle übertrifft alles bisher Dagewesene, was den prachtvollen Nebel mit der kryptischen Bezeichnung NGC 3324 zu einem beliebten Hintergrundbild nicht nur für Hobbyastronomen avancieren ließ.

Faszinierende Fotos zu schießen ist aber nicht die einzige Aufgabe des James Webb Weltraumteleskops oder kurz JWST (James Webb Space Telescope). Wir wollen daher der Frage nachgehen, wofür das Webb, wie es in Fachkreisen auch genannt wird, genau da ist. Was ist seine Mission und wieso könnte es die vielleicht wichtigste Frage der Menschheit beantworten? Doch der Reihe nach:

Woher hat das James Webb Weltraumteleskop seinen Namen?

Ok, so viel ist offensichtlich: Offenbar von einem gewissen James Webb. Doch wer ist oder war das? James Edwin Webb (1906 bis 1992) war im Gegensatz zu seinem Namensvetter Edwin Hubble (1889 bis 1953), der dem weltberühmten Hubble-Weltraumteleskop seinen Namen entlieh, kein Astronom. Er war noch nicht einmal Wissenschaftler.

Dass Webb dennoch Namenspatron für das ambitionierte JWST ist, liegt an seiner Bedeutung für die Weltraumforschung. Von 1961 bis 1968 bekleidete er das Amt des Direktors der National Aeronautics and Space Administration oder kurz NASA.

Während seiner Amtszeit wurde unter anderem die Apollo-Mission zur ersten bemannten Landung auf dem Mond entscheidend vorangetrieben. Webb stand jedoch auch immer für eine Ausgewogenheit zwischen politischem Interesse und Wissenschaft, weshalb ihn die NASA postum mit der Namesgebung des JWST ehrte.

Das JWST hätte schon viel früher in den Weltraum starten sollen

James Webb starb im Jahr 1992, noch bevor das JWST überhaupt ersonnen war. Die Kooperation zwischen NASA, der europäischen Weltraumorganisation ESA und der kanadischen CSA begann erst vier Jahre nach seinem Tod, im Jahr 1996.

Damals wurde es allerdings noch gar nicht JWST genannt, sondern Next Generation Space Telescope. Außerdem sollte der Start ins Weltall ursprünglich bereits im Jahr 2007 erfolgen, wurde dann auf das Jahr 2014 verschoben, ehe es am 25. Dezember 2021 auf dem Rücken einer Ariane-Rakete tatsächlich auf die eineinhalb Millionen Kilometer lange Reise Richtung Lagrange-Punkt L2 ging.

Was ist ein Lagrange-Punkt?

Die Lagrange-Punkte zwischen Sonne und Erde. (Bildquelle: NASA) Die Lagrange-Punkte zwischen Sonne und Erde. (Bildquelle: NASA)

Lagrange- oder Librationspunkte gibt es mehrere. In einem System zweier Himmelskörpern bezeichnen sie exakt fünf klar ausgewiesene Punkte, an denen sich die gegenseitigen Anziehungskräfte ausgleichen. Im Falle des JWST sind diese beiden Himmelskörper die Sonne und die Erde. Der Lagrange-Punkt L2 ist von den fünf Librations-Punkten (L1 bis L5) der von der Sonne am weitesten entfernte. Er liegt auf der der Sonne abgewandten Seite der Erde.

Wozu ist ein Lagrange-Punkt gut? Der Vorteil, ein Objekt wie das JWST auf einem Lagrange-Punkt zu platzieren, besteht darin, kaum Energie aufbringen zu müssen, um die Position zu halten. Das heißt, das JWST bewegt sich fast von ganz alleine mit dem Lagrange-Punkt mit.

Ein bisschen Treibstoff muss dennoch aufgewendet werden, da unser Zentralgestirn einen Strahlungsdruck auf den Sonnenschild des Weltraumteleskops ausübt, der wiederum ausgeglichen werden muss. Das ist allerdings so wenig, dass die Vorräte für ungefähr ein Jahrzehnt reichen sollen.

Das JWST ist auf seiner Position zudem selbst stets der Sonne abgewandt. Es blickt praktisch von der Sonne weg ins Weltall. Grund hierfür sind die besonders empfindlichen Instrumente, die im langwelligen und besonders energiearmen Infrarotspektrum messen.

Die Sonne ist extrem heiß, viel zu heiß für die Infrarotastronomie. Der oben erwähnte Sonnenschild soll das Teleskop zusätzlich vor Wärmestrahlung schützen. Die Temperaturdifferenz ist enorm: Die der Sonne zugewandte Seite des Schildes ist 85 Grad warm, während die der Sonne abgewandte Seite -233 Grad kalt ist. Das bringt uns direkt zur Technik. Was steckt alles im James Webb Weltraumteleskop?

Das hat das JWST alles an Board

Die einzelnen Segmente des Hauptspiegels sind im Vergleich zu einem Menschen bereits ziemlich groß. (Bildquelle: NASA) Die einzelnen Segmente des Hauptspiegels sind im Vergleich zu einem Menschen bereits ziemlich groß. (Bildquelle: NASA)

Das JWST ist eine komplexe Maschine, die neben seinem Hauptspiegel noch diverse andere Geräte und Instrumente mit an Board hat, um den ordnungsgemäßen Betrieb zu gewährleisten:

  • Versorgungseinheit: Darin ist alles enthalten, was das JWST zum reibungslosen Arbeiten benötigt: Die Energieversorgnung etwa produziert mittels Solarmodulen eine Leistung von rund 2.000 Watt. Dazu kommen noch die Lagekontrolle, um Position und Ausrichtung des Teleskops zu steuern, das Kommunikationssystem, um die Daten und Bilder zur Erde zu übertragen, der Antrieb samt Treibstofftanks sowie die Wäremregulierung.
  • Sonnenschild: Dieser soll die Wärmestrahlung vom Teleskop und den Messinstrumenten fernhalten. Er misst 21 mal 14 Meter und besteht aus mehreren Schichten mit unterschiedlichen Isolationseigenschaften.
  • Optik: Der Hauptspiegel des JWST misst ganze 6,5 Meter im Durchmesser und besteht aus 18 sechseckigen Segmenten. Daneben gibt es noch einen sogenannten Fang- oder Sekundärspiegel und einen Tertiärspiegel. Sie dienen dazu, das eingefangene Infrarotlicht gebündelt zu den Messinstrumenten zu lenken.
  • Instrumente: Das JWST verfügt über vier Messinstrumente: Die NIRCam (Near Infrared Cam) beobachtet Objekte im Wellenlängen-Bereich von 0,6 bis 5 Mikrometer (ein Millionstel Meter), während MIRI (Mid Infrared Instrument) den mittleren Infrarotbereich mit Wellenlängen von 5 bis 28,3 Mikrometer im Auge behält. NIRSpec (Near Infrared Spectrograph) hingegen untersucht den nahen Infrarotbereich spektroskopisch. Besonderes Augenmerk liegt auf FGS-NIRSS (Fine Guidance System/Near-Infrared Imager and Slitless Spectrograph), das auf Wellenlängen zischen 1 und 2,5 Mikrometer spezialisiert ist. Damit soll vor allem die Atmosphäre von Exoplaneten untersucht werden.

Was ist Spektroskopie?

Die Spektroskopie umfasst mehrere Methoden zur Zerlegung von Strahlung (beispielsweise sichtbares Licht oder Infrarot) nach bestimmten Eigenschaften, etwa der Wellenlänge. Die Verteilung wird Spektrum genannt. Anhand der Intensitätsverteilung können zum Beispiel Molekühle nachgewiesen und so die Zusammensetzung einer Atmosphöre bestimmt werden.

Wozu ist das JWST da?

Das James Webb Weltraumteleskop hat nicht nur eine einzige Mission. Forschende können Anträge stellen, um verschiedene Projekte damit zu realisieren. Dennoch gibt es eine klare Ausrichtung, die wir weiter oben bereits kurz angeschnitten haben. Der Hauptfokus des JWST liegt auf der Infrarotastronomie. Das heißt, es ist auf besonders langwellige und energiearme Infrarotstrahlung spezialisiert und kann diese sowohl mit ihren Kameras als auch den Spektrografen aufnehmen respektive untersuchen.

Dank seiner technischen Ausstattung bestehen die Hauptaufgaben in der Beobachtung besonders weit entfernter Objekte. Tatsächlich kann das JWST weiter in die Tiefen und damit in die Vergangenheit des Alls blicken als alle bisherigen Teleskope. Forschende erhoffen so Einblicke in die Periode kurz nach dem sogenannten Dunklen Zeitalter, das bis etwa 380.000 Jahre nach dem Urknall andauerte, zu erhalten. Vor etwa 13,7 Milliarden Jahren formten sich die ersten Sterne, Schwarzen Löcher und Galaxien.

Sind wir allein im Universum?

Ganz weit oben auf der To-Do-Liste des JWST steht die Untersuchung der Entstehung von Planeten, um die generelle Strukturbildung besser zu verstehen. Ebenso steht die Beobachtung von Exoplaneten auf dem Programm.

Für viele ist das die spannendste Mission, denn dank der fein auflösenden Messinstrumente ist es nicht nur möglich, die Atmosphäre extrasolarer Planeten zu analysieren und dadurch eine echte zweite Erde zu entdecken, sogar Spuren des Lebens könnten damit gefunden werden. Die Chance, außerirdisches Leben zu entdecken, war nie größer. Damit könnte schon in den nächsten zehn Jahren eine der, wenn nicht gar die wichtigste Frage der Menschheit beantwortet werden: Sind wir allein im Universum?

Die Beantwortung dieser Frage könnte die Sicht auf die Menschheit grundlegend ändern. Vergleichbar mit der Beschreibung des heliozentrischen Weltbildes durch Nikolaus Kopernikus (1473 bis 1543) im Jahr 1543, demzufolge sich die Sonne nicht um die Erde dreht, sondern umgekehrt. Das davon abgeleitete kopernikanische Prinzip besagt darüber hinaus, dass der Mensch generell keine ausgezeichnete, spezielle Stellung im Universum einnimmt. Das James Webb Weltraumteleskop könnte das mit dem Nachweis außerirdischen Lebens besonders eindrucksvoll unter Beweis stellen.

Was können wir vom JWST erwarten?

Mit absoluter Sicherheit lässt sich nur sagen, dass das JWST die Astronomie beflügeln wird - viele sprechen sogar von einem weiteren goldenen Zeitalter der Sternkunde. Ein anderer wichtiger Eckpfeiler ist zum Beispiel die Gravitationswellenastronomie.

Das gilt natürlich nur, sofern das JWST keinen gravierenden Schaden nimmt. Zu kleineren Schäden durch Mikrometeoriten kam es bereits im Juni dieses Jahres. Die beeinträchtigen die Leistung des Teleskops zwar, jedoch übertrifft es der NASA zufolge immer noch die Missionsanforderungen. Reparieren lässt sich das JWST übrigens nicht. Dazu ist es schlicht zu weit entfernt. Seine Lebensdauer ist zudem durch die Treibstoffreserven begrenzt. Ausgelegt ist das Projekt auf fünf bis zehn Jahre, unter idealen Bedingungen könnten es sogar 20 Jahre werden.

Warum sind Weltraumteleskope überhaupt interessant?

Weltraumteleskope haben praktisch freie Sicht. Ihr Blick ins Weltall wird nicht durch eine dichte Atmosphäre und Lichtverschmutzung getrübt. Sie sind ihren irdischen Kollegen daher weit überlegen, können dafür aber nicht ohne Weiteres repariert oder aufgerüstet werden. Das JWST kann, wie bereits erwähnt, gar nicht von Hand gewartet werden.

Was unterscheidet das JWST beispielsweise von Hubble?

Die Säulen der Schöpfung, aufgenommen vom Hubble-Weltraumteleskop. (Bildquelle: NASA) Die Säulen der Schöpfung, aufgenommen vom Hubble-Weltraumteleskop. (Bildquelle: NASA)

Das Hubble-Weltraumteleskop beschert uns seit 1990 spektakuläre Bilder. Eine der bekanntesten Aufnahmen zeigt die sogenannten Säulen der Schöpfung, einem besonders markanten Teil des 7.000 Lichtjahre entfernten Adlernebels (NGC 6611), einer weiteren Geburtsstätte für Sterne und Sternensysteme in unserer Heimatgalaxie.

Im Gegensatz zum James Webb Weltraumteleskop, das auf den Infrarotbereich spezialisiert ist, arbeitet das Hubble Weltraumteleskop überwiegend im Bereich des sichtbaren Lichts, kann jedoch auch im Infrarot- und Ultraviolettbereich aufnehmen. Allerdings mit einer weiter geringeren Auflösung.

Wie findet ihr das James Webb Weltraumteleskop? Habt ihr die ersten Bilder gefeiert, oder denkt ihr, die Menschheit sollte vielleicht lieber erst einmal die irdischen Probleme lösen, ehe sie sich auf die Suche nach bewohnbaren Planeten und eventuell sogar Nachbarn macht? Schreibt es uns gerne in die Kommentare!

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