Ich habe ChatGPT mein Buch nachschreiben lassen und bin entsetzt, wie gut sie ist - doch am wichtigsten Detail scheitert sie

Können KIs wie ChatGPT in Zukunft zur Gefahr für Prosaisten wie mich werden? Nach einem Test bin ich viel schlauer, aber weiterhin besorgt.

Schon in meiner Kindheit träumte ich davon, eines Tages ein waschechter Autor zu sein und in die Fußstapfen von J. R. R. Tolkien, Markus Heitz und Michael Ende zu treten. Heute weiß ich zwar, dass meine Fertigkeiten nicht im Entferntesten für diese Sphären ausreichen, aber zu einem gewissen Teil ist mein ambitionierter Traum dennoch wahr geworden: Ich schreibe - sowohl für die GameStar als auch im prosaischen Metier.

Als anno 2018 der erste Geburtstag meiner Patennichte bevorstand, wollte ich ihr unbedingt ein einzigartiges Geschenk machen, das man nicht von der Stange kaufen kann. Deshalb verfasste ich ein Kinderbuch, das meine Schwester ihr zum Einschlafen vorlesen und später idealerweise auch als Erstlesebuch fungieren konnte. Ein Jahr später veröffentlichte ich eine überarbeitete und weniger persönliche Fassung im Selbstverlag.

Das Schreiben ist meine größte Leidenschaft! Umso sorgenvoller blicke ich seit einigen Monaten auf den aufkommenden KI-Trend rund um ChatGPT und Konsorten. Um mich herum jubeln die Menschen, was man nun alles nicht mehr selbst schreiben müsse, und ich schüttele betrübt den Kopf. Aber wie sieht es abseits von Einkaufszetteln, Werbe-Slogans oder Liedern aus? Kann eine KI auch ganze Bücher schreiben? Kann eine KI mein eigenes Werk übertrumpfen? Ich habe mich getraut und ChatGPT herausgefordert.

Sören Diedrich
Sören Diedrich

Sören schrieb bereits in der Grundschule liebend gerne Kurzgeschichten oder Gedichte (eines musste er mal vor der Klasse rezitieren, grauenhafte Erfahrung!). In der Jugend setzte er sich an seinen ersten Roman, der Gott sei Dank nie fertig wurde, und betrieb einen eigenen Gaming-Blog, weil er es laut eigener Aussage eh nie zur GameStar schaffen würde. Heute ist er hier, ha! Ach ja, und mit dem Schreiben von Büchern hört er auch nicht auf - selbst dann nicht, wenn KIs die Weltliteratur erobern sollten!

Der Plot ist erschreckend ähnlich!

Ich setze mich an den Rechner und bin tatsächlich etwas nervös. Nach einem kurzen Anmeldeprozess sitze ich vor der Eingabezeile der ChatGPT-KI. Ich denke nach, zögere noch etwas, ehe ich das Duell eröffne.

Um die Vergleichbarkeit des Resultats zu gewährleisten, gebe ich der KI die beiden wichtigsten Grundpfeiler der Originalvorlage vor. Ich tippe: Schreibe mir ein Kinderbuch über Bastian, einen kleinen Bären, der seine Träume verloren hat.

ChatGPT legt sofort los und ist kaum noch zu bremsen. Nach drei Minuten blicke ich auf einen Plot, der mich erst mal sprachlos zurücklässt, denn er ähnelt teilweise frappierend meinem Original.

Das Original

Bastian ist ein kleiner Bär und lebt in seiner Höhle in einem großen Wald. Er ist unglücklich, denn er ist allein und träumt jede Nacht davon, Freunde zu finden und mit ihnen Abenteuer zu erleben.

Eines Tages stellt er nach dem Aufwachen erschrocken fest, dass seine Träume verschwunden sind. Und als wäre das noch nicht schlimm genug, wurde der Stock der benachbarten Bienen durch einen nächtlichen Sturm zerstört, weshalb sie Bastian keinen Honig abgeben können.

Der kleine Bär bricht zu einer Reise jenseits des Waldes auf, um den Bienen zu helfen und seine Träume wiederzufinden. Dabei lernt er andere Tiere kennen und macht schlussendlich eine erstaunliche Entdeckung.

Die ChatGPT-Variante

Bastian, der kleine Bär, lebt in einem wunderschönen Wald. Er hat immer große Träume und träumt davon, der beste Bär im Wald zu sein. Er will der schnellste Läufer, der stärkste Kletterer und der mutigste Bär im Wald sein.

Doch eines Tages fällt Bastian in einen tiefen Schlaf. Als er aufwacht, merkt er, dass er sich nicht mehr an seine Träume erinnern kann.

Verzweifelt und traurig bricht Bastian, auf der Suche nach seinen Träumen, zu einer Reise durch den Wald auf. Er trifft auf viele Tiere, die ihm helfen wollen, aber keines kann ihm seine Träume zurückbringen.

In einem guten Buch steckt immer ein Stück der Persönlichkeit des Autors. Kann man das auch von einer KI erwarten? In einem guten Buch steckt immer ein Stück der Persönlichkeit des Autors. Kann man das auch von einer KI erwarten?

Direkt überkommen mich Selbstzweifel. Ist mein Plot einfach schrecklich unoriginell, sodass die KI mit Leichtigkeit auch darauf kommt? Oder ist die Technologie wirklich so gut? Die Ähnlichkeiten sind nicht von der Hand zu weisen. Zähneknirschend gebe ich zu: 1:0 für ChatGPT!

Bei den Emotionen triumphiere ich (noch)

Ich blicke unschlüssig auf den KI-Text, eine Künstler-Krise bahnt sich an. Jetzt möchte ich es genau wissen und widme mich den Tieren, die Bastian auf seiner Reise kennenlernt - die sind in meiner Geschichte nämlich kein niedliches Beiwerk, sondern spielen eine fundamentale Rolle für die Handlung und die transportierte Botschaft an die junge Leserschaft. Was folgt, kommt einer Erlösung gleich:

Welche Tiere trifft Bastian denn?, möchte ich von ChatGPT wissen. Die Antwort lässt tief blicken:

In dem Kinderbuch trifft Bastian auf mehrere Tiere, die ihm helfen wollen, seine Träume wiederzufinden, aber keines kann ihm seine Träume zurückbringen. Auf seiner Reise trifft er beispielsweise auf einen schnellen Hasen, der ihm sagt, dass er schneller laufen kann, wenn er seine Muskeln trainiert, oder auf ein geschicktes Eichhörnchen, das ihm sagt, dass er besser klettern kann, wenn er seine Koordination verbessert.

Das Buch ist reine Fiktion, daher gibt es keine konkreten Namen der Tiere, die er trifft.

Rumms, der letzte Satz hat sich gewaschen! Keine Namen! Wie kann die KI nur so kalt sein? Sofort denke ich an meine geliebte Truppe - an Fiona, meine mutige Füchsin, an den neunmalklugen Raben Remus, an die schlagfertige Katze Kiri und all die anderen tierischen Chaoten. Ich schlage angesichts dieses kreativen Versagens die Hände über dem Kopf zusammen und jubele innerlich ein klein wenig. Ausgleich, 1:1!

Die Schaffenskraft von J. R. R. Tolkien ist legendär. Was hätte der Großmeister der Fantasy-Literatur wohl zum aktuellen KI-Trend gesagt? Die Schaffenskraft von J. R. R. Tolkien ist legendär. Was hätte der Großmeister der Fantasy-Literatur wohl zum aktuellen KI-Trend gesagt?

Sind Emotionen der entscheidende Faktor, mit dem wir Menschen uns in Texten (noch) von künstlichen Intelligenzen abheben können? Mit Schaudern stelle ich mir vor, was wohl mein großes Idol J. R. R. Tolkien, zeitlebens ein bekennender Gegner der Industrialisierung, dazu gesagt hätte, dass Maschinen unsere Bücher schreiben. Es ist Zeit für den Matchball. Ich fordere die KI zum finalen Tanz:

Was lernt Bastian in der Geschichte? Wie geht es ihm?

ChatGPT tippt und die Antwort bestätigt meine Hoffnung. Denn sie widerspricht all meinen persönlichen Grundsätzen - als Autor, als Mensch, als baldiger Vater.

Bastian schafft es durch hartes Training, die anderen Tiere im Wald zu übertrumpfen. Er läuft schneller als der Hase und klettert besser als das Eichhörnchen. Seine Träume werden wahr, weil er hart arbeitet, und von diesem Tage an ist Bastian der unangefochtene König des Waldes.

Zugegeben, die Moral, dass man seine Träume durch Arbeit an sich selbst erreichen kann, ist noch völlig in Ordnung. Was mich hingegen erschreckt, ist die emotionale Kälte, die hier mitschwingt. Dieses Buch wäre ein bedrückendes Manifest unserer Leistungsgesellschaft. Arbeite, übertrumpfe die anderen, sei der Beste!

Wir reden hier nicht von einem Buch rund um Persönlichkeits-Coaching, dessen Sinn und Zweck es ist, ein spezifisches Thema bewusst zu strapazieren, um den Lesenden zu motivieren. Hier geht es um ein Kinderbuch, das die Kleinen selbst zum Träumen bringen und im besten Fall als emotionaler Kompass für das spätere Leben fungieren soll.

Nein, liebe ChatGPT-KI, auch ohne unparteiischen Richter gebe ich mir diesen Punkt und notiere einen Endstand von 2:1 für mich!

Mein Fazit: Nur ein Mensch kann für Menschen schreiben

Was mich direkt zu meinem Fazit bringt. Kann eine KI mich als Autor bereits übertrumpfen oder zumindest gleichziehen? Ich sage: Ja, wenn es um die grobe Ausarbeitung von Plots oder das Brainstorming geht. Ich habe eine Idee, die ich einfach mal so in den Raum werfen möchte, um zu sehen, was sich daraus entspinnen könnte? Hier kann ChatGPT sogar ein nützlicher Gehilfe sein.

Nein, wenn es um die feinen Details in jedem Satz, um transportierte Emotionen, um den letzten Funken Menschlichkeit geht, der eine Geschichte erst besonders macht. Das beruhigt mich, denn für mich ist das geschriebene (und gesprochene) Wort mehr als nur eine bloße Aneinanderreihung von Buchstaben bzw. Lauten. Es verbindet Menschen, hilft ihnen, spendet Trost oder Mut und sollte - zumindest was Lyrik und Prosa angeht - ein Werkzeug für den Dialog von Mensch zu Mensch bleiben.

Ganz verteufeln möchte ich die KI aber keineswegs. Es gibt eine Reihe an Texten, die hervorragend von künstlichen Algorithmen angefertigt werden könnten. Bedienungsanleitungen etwa oder maschinell erstellte Antworten auf meine Suchmaschinen-Eingaben. Die Grundlage für eine friedliche Koexistenz ist also gegeben!

Und ich gebe zähneknirschend zu: Eine KI kann trainiert werden und es ist gut möglich, dass sie mit etwas Übung auch Emotionen auf menschlichere Art und Weise in ihre Texte einfließen lässt und mich letztendlich übertrumpft. Aber ihr könnt es euch vermutlich denken: Ich schreibe trotzdem weiter!

Wir sind bei der GameStar, also lasst uns einen Bogen zu unserer Kernkompetenz spannen: den Spielen! Denn auch dort sorgen künstliche Intelligenzen oftmals dafür, dass wir uns die Haare raufen. Woran das liegt und wie komplex diese Systeme sind, erfahrt ihr in diesem spannenden Report:

Jetzt bin ich extrem auf eure Meinung zu diesem Thema gespannt! Was haltet ihr von dem Hype rund um KIs wie ChatGPT? Hättet ihr kein Problem damit, wenn sämtliche Texte von Maschinen stammen, oder seid ihr Traditionalisten wie ich und wünscht euch, dass zumindest die Kunstform des Schreibens in Menschenhand verbleibt? Lasst uns gesittet darüber diskutieren!

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