Ich habe Metas neue Quest 3 ausprobiert und diese VR-Brille wird ein riesiger Sprung nach vorne

Meta und Reality Labs führten uns in London ihre neue VR-Brille vor. Nach ersten Zweifeln stellten wir fest, dass manche Produkte mehr sind als die Summe ihrer Teile.

Meta Quest 3 in voller Pracht. Kopfband und Gesichtsauflage soll es zwecks Personalisierung in mehreren Farben geben. Meta Quest 3 in voller Pracht. Kopfband und Gesichtsauflage soll es zwecks Personalisierung in mehreren Farben geben.

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Als mir die Entwickler von Meta Quest 3 verrieten, ihr neuestes Headset sei mit einem Fokus auf Mixed Reality entworfen worden – also für Anwendungen, welche die reale Umwelt mit Spielgrafiken vermischen - ging ich von einer verpassten Chance aus. Für das Metaverse mag so etwas dienlich sein, aber was ist mit der bisherigen Hauptzielgruppe, den Gamern? Keine rechenzeitschonenden Maßnahmen für VR-Spielgrafiken? Kein Augen-Tracking für fokussierte Bildschärfe? Wie in aller Welt soll Quest 3 Konkurrenten wie PSVR 2 und Pico 4 Paroli bieten?

In dieser Hinsicht hat Quest 3 tatsächlich einiges zu bieten, aber die Erkenntnis war nicht anhand roher Daten zu erschließen.

Auf dem Papier eine schüchterne Iteration

An Verbesserungen im Vergleich zur in die Jahre gekommenen Quest 2 fehlt es sicher nicht. Sie klingen nur auf dem Papier konservativ.

  • Farbiger Pass-Through-Modus mithilfe von hochauflösenden 3D-Kameras und einem Tiefensensor
  • Moderne Pancake-Linsen für unverzerrte Darstellung
  • Um 30 Prozent gesteigerte Bildschirmauflösung samt erweitertem Blickfeld
  • frei einstellbarer Augenabstand
  • Kompakterer Formfaktor
  • Ein neuer Systemchip (Snapdragon XR2 Gen2), der im Vergleich mit Quest 2 die doppelte Rechenkraft auffährt und dadurch schönere Grafik generiert
  • 8 GB Arbeitsspeicher – also 33 Prozent mehr als das Vorgängermodell
  • Weniger sperrige Hand-Controller, die nun ohne Tracking-Ring auskommen

Das sind zweifellos Fortschritte mit zählbaren Werten, aber vieles davon hat die Konkurrenz längst erschlossen. Ich hatte mehr Innovation erwartet. Und so fragte ich mich, ob der Fokus auf Mixed Reality genügt, um der abgekühlten VR-Szene neue Impulse zu vermitteln.  Schließlich kostet der Spaß auch mehr, als Ottonormalverbraucher bisher auszugeben bereit war.

Immerhin: Im Gegensatz zu anderen neuen Headsets erlaubt Quest 3 weiterhin den Einsatz eines Kopfhörers mit Klinke-Anschluss. Immerhin: Im Gegensatz zu anderen neuen Headsets erlaubt Quest 3 weiterhin den Einsatz eines Kopfhörers mit Klinke-Anschluss.

Bei einem Preis von 549 Euro in der „kleinen“ Version mit 128 GB internem Speicher sah ich wenig Potenzial für große Schlagzeilen. Konkurrenten wie Pico 4 liegen nämlich selbst für knapp unter 400 Euro wie Blei in den Händlerregalen.

Lebensechter Durchblick

So kann man sich irren. Als ich selbst Hand anlegen durfte, fiel der Groschen: Viele kleine Verbesserungen ergeben bei Quest 3 einen großen Sprung, der sowohl Gamern zugutekommt als auch Metaverse-Anwendungen. Warum? Weil sie in der Praxis Hand in Hand gehen.

Siehe das Thema Formfaktor. Der erste Eindruck beim Blick durch die neuen Pancake-Linsen war erstaunlich gut, weil die geschrumpften Maße das Headset nicht nur handlicher machen. Sie bringen auch die Augen näher an den Bildschirm heran. Keine Spur mehr von der üblichen Tauchermasken-Ansicht anderer Headsets.

Solange man keine Brille trägt, die mehr Abstand zu den Linsen verlangt, kann man das 110 Grad weite horizontale Sichtfeld voll auskosten. Brillenträger haben derweil die Option, die installierten Pancake-Linsen dauerhaft gegen Varianten mit passendem Dioptrienwert zu tauschen.

Die gesteigerte Auflösung und der farbige Pass-Through-Modus ließen mich staunen, denn ich sah meine Umgebung beinahe genau so, wie ich sie mit den eigenen Augen wahrnahm: knackscharf und ohne störenden Screen-Door-Effekt durch grobe Pixelstrukturen.

Das Zimmer, in dem ich stand, wirkte dank der hochauflösenden Kameras lebensecht und so plastisch dreidimensional, dass ich mühelos in die Knie gehen konnte, um einen niedrigen Tisch anzufassen - ganz ohne den üblicherweise drohenden Gleichgewichtsverlust durch verfälschte Tiefenwahrnehmung. Auch wenn gewisse Farbtöne einen Tick zu dunkel wirkten, war ich mir nach wenigen Sekunden sicher: Von allen Pass-Through-Modi, die ich in etlichen VR-Headsets ausprobieren durfte, war dies der Beste.

Die Immersion setzt bei Meta Quest 3 augenblicklich ein, weil das Sichtfeld weit und die Grafik hochauflösend ist. Die Immersion setzt bei Meta Quest 3 augenblicklich ein, weil das Sichtfeld weit und die Grafik hochauflösend ist.

Einziger Wermutstropfen: Ähnlich wie das HTC Vive XR Elite-Headset kämpft Quest 3 noch immer mit kleinen Verzerrungen, wenn Menschen oder andere bewegliche Objekte durchs Bild huschen. Dieses sogenannte Warping ist im Vergleich mit anderen Headsets zurückhaltend und kann womöglich durch Software-Fortschritte weiter reduziert werden.

Raum vermessen leicht gemacht

Der verbesserte Pass-Through  hat nicht nur subjektive Vorteile. Beispielsweise ist es nicht mehr nötig, den heimischen Spielbereich händisch per Controller einzugrenzen. Quest 3 analysiert auf Wunsch das Umfeld selbstständig, indem es ein virtuelles 3D-Gitter aufbaut, während man sich im Zimmer umschaut. Das funktionierte beim Ausprobieren nahezu perfekt. Lediglich bei den Höhenunterschieden von unförmigen Objekten wie etwa Pflanzen schoss die automatische Spielfeldeingrenzung leicht über das Ziel hinaus.

Das mag im ersten Augenblick nach einer Luxusfunktion klingen, ist jedoch für das Metaverse essenziell. Wenn wir tatsächlich irgendwann Möbel virtuell aussuchen und vor dem Kauf zur Probe in unserer Wohnung platzieren sollen, muss die Erfassung der Räumlichkeiten perfekt sein. Offenbar rückt Meta Quest 3 diese Vision in greifbare Nähe.

Realitäten verschmelzen glaubhaft

Wie gut das neue Headset solche Mixed-Reality-Ideen umsetzt, zeigten mir zwei Spiele. Das erste hieß First Encounters, das zweite schlicht BAM.

First Encounters ließ mich mit einer virtuellen Laserpistole Löcher in die Wände der realen Umgebung schießen. Je mehr ich von den Mauern abtrug, desto mehr kam von einer grellen Oberfläche eines fremden Planeten zum Vorschein. Aus den Löchern strömten anschließend kleine Aliens, die Ähnlichkeit mit den berühmten Tribble-Fellknäulen aus Star Trek hatten. Sie wuselten im Zimmer umher und versuchten, in ein Raumschiff zu steigen. Das sollte ich mit der Feuerkraft meiner Laserwaffen verhindern.

Der Controller ähnelt stark dem von Quest Pro. Er bringt keine neuen Funktionen mit, kommt aber ohne sperrigen Tracking-Bügel aus. Der Controller ähnelt stark dem von Quest Pro. Er bringt keine neuen Funktionen mit, kommt aber ohne sperrigen Tracking-Bügel aus.

Unterm Strich ging es nur um ein nettes Ballerspiel mit Chaos-Faktor, und doch beeindruckte die Darstellung durch einen nahtlosen Übergang zwischen der echten Umgebung und der Spielgrafik.

Natürlich konnte ich genau sehen, was real war und was nicht, schließlich bestanden die Spielanteile durchweg aus einfachen pastellfarbenen Elementen. Angesichts der Schärfe der Darstellung und der bombenfesten Verankerung sämtlicher Grafikanteile im Raum war ich jedoch gewillt, mich auf die Illusion einzulassen - ähnlich wie ich ein Requisit bei einem Theaterspiel vorübergehend als reales Objekt akzeptiere.

Ebenso verhielt es sich bei BAM. In diesem Mehrspieler-Vergnügen, bei dem sich vier Teilnehmer online oder lokal um einen virtuellen Spieltisch versammeln, steuert jeder Spieler einen kleinen Roboter und versucht, mit ihm so lang wie möglich eine Krone zu tragen, bevor sie ihm abgeluchst wird. Klingt simpel, war aber ein Heidenspaß. Und optisch ein Hingucker, weil das Spielfeld so fest und plastisch im Raum verankert war, als ob es real wäre.   

Das Spielfeld von BAM-I-Illusions (hier auch im Gebrauch mit anderen Headsets zu sehen) wirkte mit Quest 3 ungemein plastisch und in der echten Welt verankert. Das Spielfeld von BAM-I-Illusions (hier auch im Gebrauch mit anderen Headsets zu sehen) wirkte mit Quest 3 ungemein plastisch und in der echten Welt verankert.

Auch bei VR-Games richtig gut

Das sollte nicht das letzte Mal sein, dass Bildschärfe und überzeugende 3D-Ansicht den Ausschlag geben würden. Eine extra für Quest 3 entworfenen Spezial-Demo des VR-Spiels Red Matter 2 zeigte nämlich nicht nur entfernte Planeten und täuschend echt wirkende Raumanzüge, deren Bildschärfe allein die Immersion maßgeblich erhöhte, sondern bot auch einen Vergleichsmodus an, bei dem man auf Knopfdruck begutachten konnte, wie viel unschärfer und gröber das Spiel auf Quest 2 aussehen würde.

Nicht nur die Auflösung ist bei Quest 3 höher, auch Texturdetails, Beleuchtungsqualität und andere technische Aspekte erfahren durch den neuen Snapdragon XR2 Gen2-Chip einen sichtbaren Boost. Nicht nur die Auflösung ist bei Quest 3 höher, auch Texturdetails, Beleuchtungsqualität und andere technische Aspekte erfahren durch den neuen Snapdragon XR2 Gen2-Chip einen sichtbaren Boost.

Ich könnte an dieser Stelle ausführlich berichten, wie gut die neuen Controller in der Hand lagen und dass sie beim Schwingen virtueller Maracas in Segas Samba de Amigo nie aufgrund störender Tracking-Bügel aneinanderstießen.

Oder wie ich trotz meiner ausufernden VR-Erfahrung ins Taumeln geriet, während ich in Assassin’s Creed: Nexus Venedig erkundete. Mein Hirn nahm die Höhe der virtuellen Bauten beim Klettern für voll. So etwas ist mir seit 2015 nicht mehr passiert. Nicht einmal Horizon: Call of the Mountain auf PSVR2 konnte mir so etwas vorgaukeln.

Doch statt große Reden zu schwingen, halte ich mich mit einem kleinen Fazit kurz: Bildschärfe, Tiefenwahrnehmung und nicht zuletzt der gesteigerte Komfort von Quest 3 heben die Immersion in VR-Spielen auf ein neues Level. 

Alte Schwächen einer neuen Verpackung

Bei all der Begeisterung für die verbesserten technischen Aspekte möchte ich trotzdem nicht unter den Teppich kehren, dass mir einige Dinge sauer aufstoßen. Da wäre etwa das Thema Akkulaufzeit. Wieder sind nur zwei bis drei Stunden Kapazität angedacht. Angesichts des neuen Grafikchips und des besseren Bildschirms mag das verständlich sein, aber gerade bei einer PC-VR-Verbindung (die wie zuvor drahtlos oder per USB-C-Kabel möglich ist) nervt die kurze Laufzeit gehörig.

Außerdem: Warum ist Zubehör für Quest 2 nicht weiter verwendbar? Insbesondere Kopfbänder und Halo-Bügel von Drittanbietern. Wäre es denn so schwer gewesen, das Design abwärtskompatibel zu halten? Beim Thema Software konnten die Entwickler nicht oft genug betonen, dass alte Spiele auf Quest 3 besser aussehen würden. Bei der Hardware war es ihnen nicht so wichtig. 

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