Es ist nicht absehbar, ob und wann Virtual-Reality-Headsets aus ihrem Nischendasein ausbrechen werden. Doch im vorauseilenden Schatten von Sonys PSVR2 tut sich in jüngster Zeit wieder etwas auf dem Markt.
Im Einsteigersegment rückt Konkurrenz an, die Meta das Wasser abgraben könnte, weil sie technisch gehörig was zu bieten hat, zugleich aber günstiger daherkommt.
Gemeint ist das Standalone VR-Headset mit dem schlichten Namen Pico 4. Ausgeliefert mit allen nötigen Kabeln sowie zwei Controllern in einer kompakten Box, gibt es sich wenig luxuriös, dafür aber einsteigerfreundlich und technisch fit.
Erstaunlich bequem
Zum Preis von 420 Euro erhaltet ihr den Nachfolger des Pico Neo 3 Link, für den der chinesische Hersteller in beinahe jeder Hinsicht schwere Geschütze auffährt. Angefangen beim Tragekomfort. Mit gerade mal 295 Gramm ohne Kopfband gehört Pico 4 zu den leichtesten VR-Geräten auf dem Markt. Auf ihre vollen 586 Gramm kommt die Ausstattung durch den am Hinterkopf platzierten Akku, der das Gesamtgewicht angenehm gleichmäßig auf dem Haupt verteilt.
Und das nicht nur in der Theorie, denn der Praxistest bestätigt: Selbst nach mehr als einer Stunde hat das Tragen des Gerätes keine Ermüdungserscheinungen zufolge. Pico belastet die Stirn nur minimal und muss auch nicht bis zum Anschlag festgezurrt werden. Wobei die magnetisch befestigte Abdeckung aus gefüttertem Stoff allerdings noch einige lichtdurchlässige Lücken haben kann.
Scharf und großzügig
Das zweite überzeugende Argument für eine Anschaffung liegt in den beiden separaten Bildschirmen, welche mit einer Auflösung von 2160 × 2160 Pixeln je Auge bei maximal 90Hz den UHD-Standard moderner Fernseher um 35 Prozent übertreffen. Und – was noch wichtiger ist - die allermeisten anderen Gaming-VR-Headsets in den Schatten stellen.
Der berüchtigte Screen-Door-Effekt erster Headset-Generationen bleibt somit aus, allerdings wirkt die Ansicht weder schärfer noch grober als bei Quest 2, weil die Bildfläche anders genutzt wird. Sie ist bei ähnlicher Pixeldichte weiter und höher. Bis zu 105 Grad horizontale und vertikale Sichtfläche decken die beiden individuell justierbaren LCD-Panels ab. Dabei wirkt der gefühlte sichtbare Bereich dank besonders großflächiger „Pancake-Linsen“ sogar noch großzügiger, als die Fakten es hergeben.
Was versteht man unter einem Screen-Door-Effekt? Bei älteren Headsets mit niedriger Auflösung waren die Pixel des Bildschirms aufgrund der Nähe zu den Augen klar zu erkennen. Aber nicht nur die Pixel selbst, sondern auch die Lücken zwischen ihnen. Dadurch wirkte die Punktmatrix wie ein störendes Fliegengitter vor der virtuellen Realität. Dieser sogenannte Screen-Door-Effekt wird bei modernen Headsets durch eine höhere Auflösung und besonders geringe Pixelabstände vermieden. |
Den ersten Aha-Effekt erlebt man somit schon beim Aufsetzen. Obwohl das Gefühl, durch eine Taucherbrille zu schauen, nicht völlig aus der Welt geschafft werden konnte, wirkt die Sicht bei weitem nicht so eng wie bei einigen anderen Headsets.
Pfannkuchen vor den Augen
Dieser Fortschritt ist weniger technischer Natur als schlicht eine Frage der Ausstattung. Im Gegensatz zu den Fresnel-Linsen früherer Headsets sind Pancake-Linsen flacher, leichter und kommen ohne zentralen Schärfepunkt aus. Vorbei also die Zeit, in der man beim Aufsetzen des Geräts erst einen Sweet-Spot für eine klare Abbildung finden muss.
Lediglich der Linsenabstand sollte zwecks der Vermeidung von Kopfschmerzen feinjustiert werden, was nicht durch einen manuellen Hebel vonstattengeht, sondern anhand eines Motors, den man im Hauptmenü steuert. Standardmäßig deckt Pico 4 einen Augenabstand von 62 bis 72 Millimetern ab, lässt sich aber auch noch kleiner einstellen, sofern man das Lesen einer Warnmeldung bestätigt. Sie besagt, man könne sich den Nasenrücken auf schmerzhafte Weise einklemmen. Soll heißen: Um auf das Minimum von bis zu 58 Millimetern zu kommen, ist ein Anheben des Geräts ratsam.
Beim optischen Erlebnis räumt Pico 4 somit beinahe die volle Punktzahl ab. Angesichts des aktuellen technischen Standes wäre höchstens ein OLED-Bildschirm wünschenswert, der tieferes Schwarz und kräftigere Farben darstellen kann. Die beiden verbauten Bildschirme sind zwar voll ausgestattete RGB-Stripe-Modelle und verfügen somit über drei Subpixel je Bildpunkt, wodurch weder chromatische Verzerrungen noch irgendwelche anderen Formen von Farbrändern entstehen. Dennoch erscheinen gewisse Farbkombinationen subjektiv etwas blass und selbst die Schwärze des Weltraums in der schön gestalteten Menü-Lobby höchstens stark dunkelgrau. Angesichts des Preises absolut vertretbar, und doch ein kleiner Kritikpunkt, der sich nicht ignorieren lässt.
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