Ein Quantencomputer hat erstmals wirklich zufällige Zahlenfolgen generiert: Die Folgen für unseren Alltag sind gewaltig – und erfreulich

Die Natur ist chaotisch, wir Menschen streben nach Ordnung – das gilt auch für unsere Computer. Doch nun hat ein Rechenduo dieses Muster durchbrochen: Sie haben echten Zufall entdeckt.

Quantencomputer könnten die einzig wahren Garanten für Zufall sein – zumindest wenn es um Menschengemachtes geht.
Bildquelle: Pixabay und Unsplash Quantencomputer könnten die einzig wahren Garanten für Zufall sein – zumindest wenn es um Menschengemachtes geht. Bildquelle: Pixabay und Unsplash

Schon 2018 begann Scott Aaronson mit der Suche nach purem Zufall – ein Unterfangen, das damals noch als schier unmöglich galt. Doch sieben Jahre später gelingt ihm und weiteren Forschern der Coup. Einer der stärksten Quantencomputer führte den von ihm geschriebenen Code aus, und ein klassischer Supercomputer bestätigte das Ergebnis: Es handelte sich um eine verifizierte zufällige Abfolge von Zahlen.

Uns ist klar, das klingt nach Wissenschafts-Mambojambo und einer rein akademischen Leistung – doch dieser Eindruck täuscht. Es geht um nichts weniger als die Zukunft der Kryptografie, sprich: das Ziel einer unknackbaren Verschlüsselung von Daten.


Microsoft entwickelt inzwischen ebenfalls eine neue Art von Quantencomputern, die erste Hürden für den Alltagseinsatz überwunden haben, das Zauberwort: Majorana-Partikel.

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Wer Zufall sucht, findet Muster

Aaronson begann mit seiner Forschung, ohne zu wissen, wo sie hinführen würde:

Als ich 2018 mein Protokoll für zertifizierbaren Zufall vorstellte, hatte ich keine Ahnung, wie lange ich auf eine experimentelle Demonstration warten müsste.

Es sollte rund 7 Jahre dauern. In einem Paper im Fachmagazin Nature berichten er und etliche weitere Forscher jetzt, wie es ihnen gelang, mittels zweier Supercomputer mathematisch bestätigten perfekten Zufall zu erzeugen.

Denn was simpel klingt, ist für uns und selbst klassische Computer unmöglich: Wir können keine wirklich zufällige Abfolge aufschreiben – weder von Zahlen, noch Buchstaben, noch von sonst etwas. Es mag so wirken, aber sobald ein Computer nach Mustern in dem angeblichen Zufall sucht, findet er sie auch.

Wenn wir unser Smartphone bitten, uns 1000-mal eine zufällig ausgewählte Zahl zwischen 1 und 100 auszugeben, wird es diese Aufgabe erfüllen. Aber dabei greift es auf Software-Algorithmen oder in seiner Hardware integrierte Vorgaben zurück.

Das Power-Duo für wahren Zufall: Quantencomputer und klassisches Hochleistungs-Rechenzentrum

Um das zum Beispiel in diesem Paper beschriebene Protokoll/Codewerk auszuführen, nutzte das vielköpfige Team zwei der besten Rechenzentren, die es auf der Erde gibt:

  • Ein 56 Qubit-Quantencomputer, der den aufwendigen Code ausführt.
  • ein klassischer Supercomputer, der beurteilt, ob es sich um echten Zufall handelt.

Was sind Qubits? Obwohl unsere Computer und Quantencomputer einen Wortteil gemeinsam haben, nämlich Computer, sind sie grundverschieden. Letztere kennen nicht 0/1, sie arbeiten mit sogenannten Quantenbits (Qubits). Ein Qubit kann nur durch die Quantenmechanik korrekt beschrieben werden. Stellt es euch anstatt einer Münze, die entweder Kopf oder Zahl (0/1) zeigt, eine sich stetig drehende vor. Sie nimmt alle möglichen Zustände zeitgleich ein, eine sogenannte Superposition.


Was sind Quantengatter? Quantengatter werden aus mehreren Qubits aufgebaut und sind die Grundbausteine eines Quantencomputers. Mit ihnen wird die Umgebung erzeugt, aus der mittels komplexer Algorithmen Ergebnisse ausgelesen werden können.

Klassische CPUs arbeiten zwar schnell Aufgaben ab, aber immer nur eine nach der anderen. Quantencomputer hingegen sind die Multitasker schlechthin.

Kurzum: Immer wenn es darum geht, ein komplexes Problem mit unzähligen Variablen und Abhängigkeiten zu lösen, bieten Quantencomputer ein Potenzial, das mit klassischen CPUs und GPUs unerreichbar ist (via Karlsruhe Institute of Technology, Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF und Fraunhofer).

Die Forscher fütterten den Quantencomputer mit einer Reihe von komplexen Aufgaben. Für die Puzzles gibt es nicht nur eine richtige Antwort, sondern mehrere, aber der Weg zu jeder einzelnen Lösung ist derart komplex, dass herkömmliche Rechner hierfür – egal wie stark – extrem lange brauchen.

Der Quantencomputer erkennt aufgrund seiner speziellen Natur eine Vielzahl korrekter Ergebnisse zugleich. Er soll möglichst schnell zufällig eine davon auswählen – und das immer wieder. Der alltäglich rechnende, wenn auch ultraschnelle Supercomputer prüft das Gesamtergebnis auf Zufälligkeit.

Letzten Endes kamen 71.313 Bits an perfektem Zufall heraus. Das entspricht ungefähr der digitalen Datenmenge von 4.500 Zeichen reinem Text. Der Text, den ihr hier lest, hat 1500 Zeichen mehr.

Warum ist echter Zufall so relevant für unsere digitale Welt? Verschlüsselung nimmt in immer mehr Bereichen eine zentrale Rolle ein. Auch unser Alltag und die Sicherheit erfordern einen Schutz vor illegalen Zugriffen. Egal, ob Krankenakten, Bankkonten, private Nachrichten, Verkehrs- und Energieinfrastruktur oder die Kommunikation von Militär und Behörden – Sicherheitsprotokolle schützen all dies und damit uns alle.

Natürlich gilt es nicht auf jeder Ebene die schwersten Geschütze aufzufahren, aber generell findet seit Jahrzehnten ein Wettlauf zwischen denjenigen, die an Daten herankommen und denjenigen, die sie schützen wollen, statt.

Bisher behelfen sich IT-Unternehmen mit ungewöhnlichen Objekten, um sich Zufall anzunähern: Lavalampen, 100 Stück geordnet in einem Regal, sichern weltweit etliche Terabyte an Informationen ab.

Quantenverschlüsselung mit echten Zufallszahlen ist ein Werkzeug der Spitzenklasse, aber allein ihre Existenz sorgt für mehr Sicherheit vor Hackern – gleich ob wirtschaftlich, militärisch oder rein kriminell motiviert.

Für die meisten Aufgaben werden aber noch auf Jahrzehnte hinaus klassische Computer, die in ihren Schaltkreisen Nullen und Einsen herumschubsen, zum Einsatz kommen. Doch wir werden zunehmend Fälle erleben, in denen Quantencomputer zumindest Teilaufgaben weit effizienter absolvieren – oder Lösungen, wie im Fall von Zufallszahlen, erst ermöglichen.

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