Herunterfahren fährt deinen PC gar nicht wirklich herunter – Warum ist das so?

Windows fährt den PC nicht komplett herunter, wenn ihr auf Herunterfahren drückt. Hier erfahrt ihr, warum das so ist und wie ihr das ändern könnt.

Den PC herunterzufahren ist so einfach wie ein Butterbrot schmieren. Aber hättet ihr gedacht, dass der herkömmliche Windows-Rechner sich gar nicht wirklich komplett ausschaltet, wenn ihr den Herunterfahren-Button betätigt? Doch genau das ist der Fall.

Beim Herunterfahren geschieht nämlich etwas völlig anderes: In Wirklichkeit wird euer Rechner dabei lediglich in einen sehr tiefen Ruhezustand versetzt. Viel tiefer als der normale Ruhezustand zwar, aber immer noch ein Ruhezustand. Das ist übrigens auch bei Windows 11 der Fall, das überraschend viele von euch bereits nutzen:

Und wer jetzt denkt: Na und, das ist doch eigentlich völlig egal, der irrt gewaltig. Denkt ein bisschen zurück: Hattet ihr schon einmal den Fall, dass ihr den PC heruntergefahren habt in der Hoffnung, beispielsweise ein Treiberproblem zu lösen, nur um dann festzustellen, dass es nach dem Start trotzdem weiter besteht? Ja genau, daher kommt das.

Aber nun zu den Details: Was wird da eigentlich gespielt?

Um zu verstehen, was es mit dem Herunterfahren zu tun hat, müssen wir etwas in die Vergangenheit schauen. Konkret bis Windows 2000 zurück, das, wie der Name bereits verrät, schon vor über zwei Jahrzehnten erschienen ist. Damals wurde der Ruhezustand, im Englischen: Hibernate, erstmals in Microsofts Betriebssystem implementiert.

Der Grund hierfür ist denkbar einfach: Mit dem Ruhezustand war es möglich, lästige und lange Neustarts zu umgehen und gleichzeitig dabei kaum Energie zu verbrauchen. Anfang des Jahrtausends dauerte es noch ewig, bis ein Rechner vollständig hochgefahren war. Die Zeit wurde daher gerne genutzt, um sich noch einen Kaffee zu machen und vielleicht eben besagtes Butterbrot zu schmieren. Heute können wir höchstens nochmal kurz auf's Smartphone schauen, ehe der Rechner Windows samt aller relevanten Komponenten gestartet hat.

Was geschieht im Ruhezustand? Im Gegensatz zum vollständigen Neustart werden im Ruhezustand wichtige Systemdienste und Programme ganz einfach aus dem Arbeitsspeicher auf die Festplatte geschrieben. Beim erneuten Starten wird einfach alles wieder zurück in den RAM geladen. Das ging früher grundsätzlich schneller als normales Hochfahren und verbrauchte gleichzeitig so gut wie keinen Strom, weshalb die Technik besonders für Laptop-Nutzer interessant war - und auch heute noch ist.

Vor 20 Jahren wagte Otto Normalverbraucher übrigens selbst in seinen kühnsten Fantasien nicht von einer schnellen SSD zu träumen, die das Hochfahren potenziell hätte beschleunigen können. Wie auch? Zu der Zeit fehlte es an allen Ecken und Enden und an einem schnellen Datenexpress wie SATA sowieso - langsames IDE mit seinen breiten Flachbandkabeln war der Standard für Desktop-Rechner. Wenn überhaupt, dann hatte man davon geträumt, eine Bank auszurauben und sich ein schnelles, professionelles SCSI-System aufzubauen.

Alexander Köpf
@NebulaMutara

Hardware-Redakteur Alex hat schon an Windows rumgeschraubt, da war es nur ein Programm, wenn man so will: ein Fenster, in einem anderen Betriebssystem und der Norton Commander galt noch als ernsthafter Konkurrent. Dass Herunterfahren den PC gar nicht wirklich herunterfährt, wusste aber auch er lange Zeit nicht.

Das geschieht beim Herunterfahren wirklich

Aber zurück zum Thema: Mit dem Ruhezustand konnte man sich über viele Jahre hinweg Zeit beim Start des Systems sparen. Heutzutage ist das aber quasi nicht mehr nötig. Die Betriebssysteme sind besser optimiert und an schnellen Speichermedien wie SATA- und PCIe-SSDs fehlt es uns auch schon lange nicht mehr.

Und dennoch legt sich Windows auch heute noch beim Herunterfahren in einen besonderen Tiefschlaf, anstatt sich wirklich vollständig abzuschalten. Um genau zu sein, ist für das Hochfahren standardmäßig die Funktion Schnellstart aktivieren (empfohlen) voreingestellt.

Dabei werden im Gegensatz zum normalen Ruhezustand allerdings nicht alle aktuellen Systemdaten vom Arbeitsspeicher auf die Festplatte respektive SSD gespeichert, sondern nur der Status des Systemkerns. Im sogenannten Kernel, wie der Kern im Englischen genannt wird, sind die grundlegendsten Funktionen eines Betriebssystems hinterlegt, zum Beispiel wichtige Gerätetreiber und andere kritische Systemkomponenten.

Hier schließt sich dann der Kreis: Wenn der Kernel einfach nur zurück in den Arbeitsspeicher geladen wird, anstatt durch einen sauberen Neustart sämtliche Treiber und Komponenten neu zu laden beziehungsweise zu initialisieren, werden Fehler eben einfach mitgenommen.

Warum Microsoft an dem Fake-Herunterfahren festhält, bleibt ein Rätsel. Vielleicht geht es einfach nur darum, Windows durch einen etwas flotteren Systemstart auch auf älteren System moderner und schneller wirken zu lassen. Oder man will Besitzer von Notebooks davor schützen, aus Versehen den Standbymodus zu verwenden und damit den Akku unnötig zu belasten. Aber das ist nur wilde Spekulation.

Hier noch einmal die Unterschiede zwischen den einzelnen Energieoptionen kompakt zusammengefasst:

  • Ruhezustand: Im Ruhezustand werden alle geladenen Programme und der gesamte Status des Betriebssystems auf die Festplatte gespeichert. Das Reaktivieren kann damit je nach PC-Konfiguration etwas schneller gehen als bei einem vollständigen Neustart, braucht allerdings auch länger als das Erwachen aus dem Standbymodus. Dafür wiederum verbraucht der Ruhezustand von allen Energiesparoptionen am wenigsten Strom.
  • Standbymodus: Im Standbymodus verbleiben alle aktiven Programme ebenso wie der Systemstatus im Arbeitsspeicher, die restlichen Komponenten werden weitestgehend deaktiviert. Das Erwachen aus diesem Zustand geht daher auch am schnellsten, verbraucht allerdings mehr Energie, da die flüchtigen RAM-Riegel ohne Energiezufuhr Daten nicht speichern können.
  • Hybrider Standbymodus: Der hybride Standbymodus kombiniert den Ruhezustand mit dem normalen Standbymodus. Programme und Status des Systems verbleiben im Arbeitsspeicher, werden aber zusätzlich auf die Festplatte geschrieben. Die Vorteile dieses Zustands bestehen darin, dass das Erwachen so schnell vonstattengeht wie beim Standbymodus und gleichzeitig, etwa bei einem Stromausfall, die Daten nicht verloren gehen, sondern einfach von der Festplatte zurück in den RAM geladen werden können.

So erzwingt ihr echtes Herunterfahren

Fakt ist jedoch, dass ihr das echte Herunterfahren erzwingen könnt. Dazu müsst ihr lediglich die Energieoptionen aufrufen. Die findet ihr in der klassischen Systemsteuerung (Windows-Suche und Systemsteuerung eingeben).

  • In den Energieoptionen klickt ihr links auf Auswählen, was beim Drücken von Netzschalter geschehen soll.
  • Nun drückt ihr auf Einige Einstellungen sind momentan nicht verfügbar, wodurch die ausgegrauten Optionen unte dem Menüpunkt Einstellungen für das Herunterfahren freigeschaltet werden.
  • Abschließend entfernt ihr nur noch den Haken bei Schnellstart aktivieren (empfohlen) und bestätigt mit Änderungen speichern.

Falls ihr das lieber nicht machen wollt, könnt ihr auch einfach beim Drücken auf den Button Herunterfahren im Startmenü von Windows die Shift-Taste betätigen. Das hat denselben Effekt und schaltet den PC vollständig ab, ohne irgendetwas auf die Festplatte zu schreiben.

Übrigens: Es spielt für das Herunterfahren keine Rolle, ob ihr den Button im Startmenü oder den physischen Schalter am Gehäuse betätigt. Für den Netzschalter ist nach der Installation von Windows Herunterfahren voreingestellt - ihr könnt allerdings auch andere Energiesparmodi dafür hinterlegen.

Bei einem Neustart, also durch das Drücken auf Neu starten wird der Rechner außerdem tatsächlich für einen kurzen Moment vollständig abgeschaltet, wodurch etwaige Gerätefehler beseitigt werden können. Das ist im Übrigen auch die Erklärung, warum bei Installationen oftmals zum Neustart aufgefordert wird. Entwickler wollen einfach auf Nummer sicher gehen, dass das entsprechende Gerät, zum Beispiel eine Grafikkarte, auch korrekt initialisiert wird.

Wie seht ihr das? Habt ihr bereits gewusst, dass Herunterfahren nicht gleich Herunterfahren ist, oder ist das für euch neu? Schreibt uns gerne in die Kommentare!

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