Überraschung in Paris
Bei aller Kritik ist die Kampagne jedoch kein totaler Reinfall. Vor allem schafft sie es, uns trotz ihrer Formelhaftigkeit immer wieder zu überraschen. Klare Highlights sind der erwähnte Epilog und die Paris-Mission. Die zwölf Aufträge sind zudem im Rahmen ihrer Shooter-Möglichkeiten durchaus abwechslungsreich: In Aachen starten wir als Infanterist, wechseln kurz darauf die Perspektive und geben Red und seinem Trupp als Panzerfahrer Rückendeckung, dann wird wieder zu Fuß geballert und schließlich folgt sogar eine Schleichpassage.
Die eigentlichen Kämpfe versprühen zumindest einen Hauch Taktik und kommen der Kriegsrealität näher als frühere Serienteile. Wir suchen Schutz hinter vorrückenden Panzern und decken den Vorstoß mit Rauchgranaten. Umso größer fällt allerdings der Bruch aus, wenn wir uns Sekunden später ans Flak-Geschütz schwingen und nicht nur zwei oder drei, sondern gleich 20 Bomber vom Himmel holen, die brav nacheinander in Dreierstaffeln anfliegen.
Packesel in Uniform
Spielerisch setzt WW2 auf alte Stärken. Die Waffen fühlen sich vertraut durchschlagskräftig an, die Gefechte sind intensiv und mit dem erwähnten Bombast inszeniert. Und auch die Rückkehr zu Lebensbalken und Medikits statt der automatischen Health-Regeneration funktioniert. Doch das daran gekoppelte Squad-System wirkt viel zu aufgesetzt.
Daniels kann von seinen Kameraden Unterstützung in Form von Erste-Hilfe-Paketen, Munition oder Mörserschlägen anfordern. Kumpel Zussman rückt seine lebensrettende Medizin aber nur raus, wenn wir vorher genügend Gegner erledigt haben, oder Verbündeten in optionalen Skriptsequenzen helfen. Nicht genug Nazis gekillt? Tja, dann hilf dir selbst, Daniels!
Das Gefühl der Verbundenheit zu unserem Squad geht außerdem durch die Simpel-KI verloren. Weder können wir irgendwem Befehle erteilen, noch stellen die Kameraden eine ernste Gefahr für unsere Feinde dar. Immer wieder steht plötzlich ein Deutscher neben uns im Schützengraben, den unsere Kumpel geflissentlich ignorieren. Wie in Call of Duty üblich bleibt also alles an uns hängen, der Rest des Squads trabt hinterher und dient hauptsächlich als Packesel in Uniform.
Augen zu und durch
Für die Gegenseite gilt das Gleiche. Die Deutschen Soldaten sind Kanonenfutter und werden nur in der Masse gefährlich. Und natürlich schreiten wir in den linearen Levels immer dann voran, wenn wir einen bestimmten Checkpoint erreichen. Augen zu und durch ist also durchaus eine valide Taktik. 14 Jahre nach dem ersten Serienteil sollten solche plumpen Mechaniken der Vergangenheit angehören oder zumindest weniger offensichtlich kaschiert werden.
Die Rückkehr in den Zweiten Weltkrieg bleibt also hinter unseren Erwartungen zurück. Klar, wer nur ein Popcorn-Spektakel sucht, wird hier in typischer Call-of-Duty-Manier bedient und kann seinen Spaß haben. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dieser dramatischen Episode der Geschichte findet jedoch viel zu selten statt. Allein für die Kampagne hätte Call of Duty: WW2 von uns eine mittelmäßige Wertung kassiert.
Aus technischer Sicht müssen wir vor allem die Rendersequenzen positiv hervorheben. Die Figuren, denen Schauspieler wie Josh Duhamel (Transformers) und Jonathan Tucker (American Gods) ihr Gesicht und (in der englischen Version) ihre Stimme leihen, sehen fast lebensecht aus. Im eigentlichen Spiel erreicht WW2 ein gutes, aber kein herausragendes Niveau. Während die meisten Texturen dank Photogrammetrie-Technik sehr natürlich daherkommen, wirken die Effekte und Explosionen eher platt.
Beim Test sind uns auf mehreren Systemen kleinere Technik-Macken wie rucklige Zwischensequenzen, zu spät oder gar nicht geladene Objekte und sogar einige Abstürze untergekommen. Für diese teilweise reproduzierbaren Probleme ziehen wir zwei Wertungspunkte ab. Die Fehler sollten sich aber gut durch Patches beheben lassen.
Ein bodenständiger Multiplayer
Wie schon in den letzten Jahren bringt Call of Duty: WW2 noch zwei weitere Modi mit, die angesichts ihres Umfangs nahezu als eigenständige Spiele durchgehen könnten: der Multiplayer und das Koop-Abenteuer Nazi-Zombies.
Beide sind ebenfalls im Zweiten Weltkrieg angesiedelt. In den Mehrspieler-Partien macht sich die Abkehr vom Zukunfts-Setting eines Infinite Warfare und Co. am meisten bemerkbar. Die Gefechte sind ein Stück langsamer und buchstäblich bodenständiger. Ohne Jetpacks oder Exo-Suits sind Doppelsprünge oder Wallruns Geschichte, unsere Bewegungsmöglichkeiten eingeschränkter.
Doch keine Sorge, das clevere Mapdesign gibt uns stets zahlreiche Optionen in die Hand, um unsere Gegner zu überraschen. Mit wenigen Ausnahmen bieten die neun Karten eine gelungene Balance aus verwinkelten Ecken, offenen Gebäuden und umkämpften Hotspots. Unser persönliches Highlight: die Stadtkarte Sainte Marie du Mont. Die sehr offene Map Gustav Cannon sagte uns dagegen gar nicht zu, da sie Snipern in die Hände spielt, die auf dem PC ohnehin schon sehr stark sind. Ebenso wenig gefällt uns, dass der Map-Klassiker Carentan aus Call of Duty 1 zwar schon dabei ist, aber nur von Season-Pass-Besitzern gespielt werden kann.
Supply Drops
Auch in CoD: WW2 gibt es wieder sogenannte Supply Drops, also Kisten, die Items wie Spielerembleme, Uniformen oder Waffenvarianten enthalten und die ihr zum Beispiel durch absolvierte Multiplayer-Matches sammeln könnt. Diese gibt es in verschiedenen Qualitätsstufen (höhere beispielsweise enthalten seltenere Items) und können im Headquarters-Bereich "live" geöffnet werden. Anders als in vergangenen CoDs sind die Werte der Waffenvarianten aber nicht zufällig festgelegt, stattdessen sind die Unterschiede rein kosmetisch. Die Supply Drops lassen sich optional auch für Call of Duty-Points erstehen, die ihr wiederum für Echtgeld kaufen könnt.
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