Rassismus, Islamhass, Transphobie: Das Studio Destructive Creations und die rechte Szene

Ein aktuelles Dossier deckt auf, dass viele Entwickler hinter War Mongrels, Hatred und Ancestors Legacy rechtsextremes Gedankengut verbreiten und mit Neonazi-Gruppierungen sympathisieren.

Update vom 30. September 2021: Wir haben Infos zum Thema rechte und nordische Symbolik sowie ein Statement der Entwickler zu den Vorwürfen auf Anfrage von GameStar ergänzt.

Schon seit ihrem ersten Spiel, dem umstrittenen und in Deutschland indizierten Amoklauf-Shooter Hatred, geriet das polnische Entwicklerstudio Destructive Creations immer wieder in die Kritik – und das nicht nur wegen extremer Gewaltdarstellung. Einigen der Entwickler werden auch Verbindungen in die rechte Szene nachgesagt.

Jetzt weist das Dossier »Destructive Creations: Zwischen Neo-Faschismus, Neuheidentum, Antisemitismus und antimuslimischem Rassismus« erstmals im Detail genaue Beziehungen des Studios mit rechtsnationalen, transphoben und antisemitischen Organisationen nach. Der Bericht ist Teil einer Recherche der Initiative "Keinen Pixel den Faschisten!" und entstand in Zusammenarbeit mit dem Verein "Gesicht Zeigen: Für ein weltoffenes Deutschland".

Update vom 7. Januar 2022: Inzwischen haben wir selbst War Mongrels durchgespielt und mit mehreren Historikern und Experten über den Realismusgrad des Spiels gesprochen. Die Ergebnisse lest ihr in unserem großen Report:

In War Mongrels schlagen Deserteure die Nazistreitmacht zurück, die sie überhaupt erst in diesen internationalen Konflikt hineingezogen hat. So die Spielbeschreibung. In War Mongrels schlagen Deserteure die Nazistreitmacht zurück, die sie "überhaupt erst in diesen internationalen Konflikt hineingezogen hat". So die Spielbeschreibung.

Für den Report wurden unter anderen die Social-Media-Aktivitäten, Likes, Posts und Aussagen sowie Bilder der Entwickler Cyprian Listowski, Kamil Boczkowski, Maciek Pryc, To Masz, Marcin Kazmierczak und Studiochef Jaroslaw Zielinski analysiert und in den sozialhistorischen Kontext Polens eingeordnet.

Das erschreckende Ergebnis: Ein Geflecht aus antisemitischem Gedankengut, Hass auf Transmenschen, Islamophobie und neofaschistischen Tendenzen. Das ließe sich auch anhand der Spielinhalte von Destructive Creations nachweisen, so das Fazit:

»Gerade der harte Kern langjähriger Entscheidungsträger*innen um CEO Zielinski teilt ein rechtsextremes Weltbild und lässt dieses augenscheinlich in das Gamedesign und Storytelling seiner Produkte mit einfließen.«

Wer steckt hinter dem Dossier?
Keinen Pixel den Faschisten ist nach eigenen Angaben eine »Initiative von Webseiten, Medienschaffenden, Forschungskollektiven und Entwicklerstudios aus der Computerspielekultur, die sich durch antifaschistische Arbeit für ein inklusives Klima in ihren Communitys stark machen wollen«. Der Bericht über Destructive Creations beruft sich in erster Linie auf eigene Recherche und Analysen. Keinen Pixel den Faschisten gibt an, mit Experten aus Wissenschaft und Forschung, Spieleindustrie und Journalismus zusammengearbeitet zu haben, möchte deren Namen jedoch nicht offenlegen.

Schuld ist böse Propaganda

Facebook-Likes für rechtsnationale Parteien, Hasskommentare gegen Frauenrechte und die LGBTQ-Community, Motive von Kriegsverbrechern und nationalsozialistischer Black Metal: Die Liste der Funde ist lang.

In einer Analyse des Spiels War Mongrels macht die Initiative "Keinen Pixel den Faschisten!" deutlich, wie so ein Mindset zum vermeintlich widersprüchlichen Setting des Taktikspiels passt, in dem deutsche Soldaten zu Widerstandskämpfern gegen das Regime werden: Es sei vor allem die »böse Propaganda« gewesen, die die Heldenfiguren in den Konflikt gezogen habe, so die Macher.

Der Report kommt zu dem Ergebnis, es würden Wehrmachtssoldaten indirekt in Schutz genommen, Verbrechen relativiert. »Für uns sind sowohl Nazis als auch Kommis Feinde«, schreibt das Studio auf Discord. »Aber nicht jeder in der Roten Armee war ein Tier, und das gilt genauso für die Wehrmacht. Beides waren keine Freiwilligenarmeen und wir wollen niemanden verurteilen, der gezwungen war, sich ihnen anzuschließen. Insbesondere, wenn es sich dabei um die Geschichten unserer Großväter handelt.«

Der Bericht von "Keinen Pixel den Faschisten!" beschreibt, wie man das Narrativ zielgerichtet verbiegt:

»Man nimmt bezogen auf die Alliierten eine äußerst kritische Perspektive ein, die sich aber hauptsächlich auf Whataboutisms stützt: So hätten die Sieger Geschichte geschrieben und damit seien alliierte Kriegsverbrechen verschwiegen worden. Auch an der Angst vor Schwarzen (!) sei etwas dran gewesen. Das Bild der polnischen Bevölkerung wiederum könnte positiver nicht sein: Helden habe es überall gegeben und Kollaborationen mit den Deutschen seien entweder unter Zwang entstanden oder indem Gutgläubige durch Propaganda geblendet worden seien. Nicht erwähnt wird ein (nicht nur, aber auch in Polen tief verankerter) Antisemitismus als Antrieb für Kollaboration, was das Bild ›der Polen‹ natürlich ankratzen würde.«

Politische Figuren und Themen dienen immer wieder als Hintergrund für Videospiele. Aber meistens gehen sie damit höchst fahrlässig um, wie unser Plus-Report zeigt:

Männlich, brutal, weiß: Verzerrtes Mittelalter?

Im Dossier wird auch auf nordische und heidnische Runen und Tattoos verwiesen - diese stehen für sich genommen nicht mit radikalem politischen Gedankengut in Verbindung, wurden und werden bis heute aber immer wieder von Extremisten missbraucht. Diese Instrumentalisierung nordischer Mythen begann in der Zeit der NS-Diktatur.

Neben Symbolen wie dem Wotansknoten, der tatsächlich aus vorchristlicher Zeit stammt und für den erschlagenen Krieger steht, taucht bei Destructive Creations aber beispielsweise auch das Kolowrat-Swastika auf, das weniger auf der Wikingerkultur als vielmehr auf der Ideologie der Nationalsozialisten fußt.

Subtile rechte Codes und nationalistische Vorstellungen finden sich laut dem Bericht auch im Mittelalter-Strategiespiel Ancestors Legacy wieder. Sie waren unserer Redaktion im Test von 2018 (Wertung: 82) nicht aufgefallen.

So heißt es in dem Dossier, das Spiel konstruiere ein ahistorisches Mittelalter, das ganz im Sinn rechter Imaginationen der Epoche ist: Geprägt vom Motiv aggressiver weißer Männlichkeit, wird ein Bild eines »von deutschen Truppen besetzten und zur Kolonie gemachten Osteuropas gezeichnet«. Ancestors Legacy wirke zwar an der Oberfläche harmlos, so das Dossier, aber:

»Auch in seiner relativen Subtilität bedient Ancestors Legacy noch immer alle Merkmale rechter Mittelalterbilder, die letzten Endes immer in nationalistische Vergangenheitserzählungen zur Begründung zeitgenössischer nationaler Identitäten münden.«

Ähnliche Vorwürfe bezüglich rechter Tendenzen der Entwickler und problematischer Darstellung vergangener Ereignisse war auch Kingdom Come: Deliverance ausgesetzt. Diesen sind wir in einem Report mithilfe von Historikern auf die Spur gegangen:

GameStar steht für Toleranz und Vielfältigkeit und wird die Vorwürfe gegenüber Destructive Creations weiter thematisieren, eigene Recherchen anstellen und das Thema bei künftiger Berichterstattung über Spiele des Studios berücksichtigen.

Zudem haben wir am 19. Oktober 2021 eine Podcast-Folge zum Thema veröffentlicht. Hier sprechen die beiden Geschichtswissenschaftler Aurelia Brandenburg und Bastian Dawitz von "Keinen Pixel den Faschisten!" sowie Journalist und WASD-Herausgeber Christian Schiffer über die Problematik von War Mongrels:

Link zum Podcast-Inhalt

Bereits vor den Recherchen von "Keinen Pixel den Faschisten!" hatten wir uns auf Basis der auch aus unserer Sicht problematischen Geschichtsdarstellung von War Mongrels entschieden, das Echtzeittaktik-Spiel nicht zu testen. Außerdem fügen wir einen nachträglichen Hinweis in unseren Test zu Ancestors Legacy ein, die Wertung bleibt unverändert.

GameStar hat bei Destructive Creations ein Statement zu den Vorwürfen angefragt und folgende Antwort erhalten:

We have a strong suspicion we've already sued for damages the entity that ordered this naively poor smear piece, seeing as the timing of it can't be coincidental. The level of arrogance, ignorance, and nonsense on that blog is off the scale. As such, we'll not comment in detail, but we'll continue to fight for our rights through a legal route, despite being an underdog, small studio. We're also open to a constructive dialogue regarding our motivations for making War Mongrels with any reputable, impartial gaming (not political) media outlet. War Mongrels is coming out on October 19, but we encourage everyone to try our free demo, available October 1. That way players can form their own opinion regarding the game, it's setting, and story.

Passiert in der Computerspielszene genügend gegen Rechtsextremismus? GameStar-Autor Christian Schiffer schreibt bei GameStar Plus über Extremismus in der Gaming-Szene und was wir dagegen tun sollten.

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