Oh je: Die Draufsicht fehlt
In Sachen Taktik und Komplexität soll Dragon Age 2 seinem Vorgänger in nichts nachstehen. Im Gegenteil: Bioware legt sogar noch eine Schippe drauf, etwa bei den Gegnertypen. So gibt es nun ähnlich wie in Diablo 2spezielle Anführer, die ihre Schergen stärker machen oder sie heilen. Wieder andere Monster versuchen unserer Gruppe in den Rücken zu fallen, um schurkentypisch kritische Treffer zu landen oder unseren nahkampfschwachen Magiern zu schaden.
Damit die Taktikscharmützel nicht in Fummelei ausarten, bietet Dragon Age 2 den aus dem Vorgänger bekannten Verhaltenseditor, in dem wir bis ins kleinste Detail festlegen, wie unsere Teammitglieder in bestimmten Situationen zu reagieren haben. Fällt zum Beispiel die Lebenskraft unseres Kriegers unter die Marke von 20 Prozent, soll er automatisch zum Heiltrank greifen. Auch die vorgefertigten Setups (zum Beispiel aggressiv, defensiv oder passiv) sind wieder dabei. Allerdings fällt die aus dem Vorgänger bekannte Vogelperspektive der Schere zum Opfer. Bislang veröffentlichte Videos aus der PC-Fassung zeigten bereits, dass sich die Kamera zwar stufenlos herauszoomen lässt, nicht aber bis ganz »hinauf«, wie wir das aus Origins kennen und lieben.
Technisch auf dem Stand von Origins
Thema Technik. In Dragon Age 2 arbeitet Biowares hauseigene Eclipse-Engine, die bereits im ersten Teil zum Einsatz kam. Kein Wunder, denn anders wäre das Team wohl kaum in der Lage gewesen, die Fortsetzung derart zügig zu entwickeln. Dass das Grafikgerüst nicht mehr ganz taufrisch ist, sieht man vor allem den Texturen und der generellen Detailarmut an. Um dem entgegenzuwirken, greift Bioware zu einem Trick: Dragon Age 2 bekommt eine ungewöhnliche, geradezu abstrakte Optik, in der rotgraue Töne dominieren, die Landschaften bewusst steril ausfallen und harte Kontraste gezielte Akzente setzen. Durch diesen fast artifiziellen Look wollen die Entwickler unseren Blick weg von verspielten Landschaftsdetails hin zum Wesentlichen lenken: auf die Charaktere.
Um den Effekt noch zu verstärken, bekamen die Figuren zusätzliche Polygone spendiert, was vor allem den Gesichtern zugute kommt. Die Dialoge mit ihren wechselnden Kameraperspektiven und Großaufnahmen wirken nun ein ganzes Stück lebensechter und damit emotionaler als beim Vorgänger. Ein weiterer positiver Nebeneffekt: Durch seinen künstlerischen Ansatz hebt sich Dragon Age 2 stark von allen anderen Fantasy-Spielen ab. »Wer einen Screenshot sieht, weiß sofort, dass es sich um Dragon Age handelt«, grinst David. Dass die Serie ansonsten technisch weitgehend stagniert, hat auch einen Vorteil: Die Hardware-Vorrausetzungen werden nicht merklich ansteigen.
Ein Ausblick...
Was also geschieht mit der Dragon Age-Serie? Ja, das Tempo legt zu. Ja, die Kämpfe werden actionreicher. Und ja, die Geschichte folgt einer ungewöhnlichen Erzählweise. Dass dadurch die Seele des Spiels verloren geht, wagen wir aber zu bezweifeln. Im Gegenteil: Bioware geht das Projekt mit Vorsicht und Respekt an, feilt lediglich an den Kanten, macht das Spielgefühl flüssiger und die Identifikation mit dem Helden einfacher. Glaubt man Bioware - und diesen Vertrauensbonus hat sich das Studio verdient - wird Dragon Age 2 dadurch ein weit intensiveres Rollenspiel-Erlebnis als sein bereits grandioser Vorgänger. »Die Fans sollen uns nicht blind vertrauen, nur weil wir Bioware sind«, sagt David Gaider. Wir holen abermals tief Luft. Diesmal jedoch voller Vorfreude.
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