Seite 2: Fan-Finanzierung gegen Publisher-Geschäft - Der Crowdfunding-Boom

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Die Finanzierung ist nicht garantiert

»Wir haben uns für Kickstarter entschieden, weil wir nicht wussten, was wir sonst tun sollten«, sagt Keith Burgun und fügt schnell hinzu »Außer uns jahrelang unbezahlt für unser Spiel abzumühen.« Burgun gehört zu einer stetig wachsenden Gruppe von Indie-Entwicklern, die alleine und ohne Hilfe von Publishern an kleinen, cleveren Spielen arbeiten.

Mit seinem Kumpel Blake Reynolds betreibt er das kleine Studio Dinofarm Games, unterrichtet Kunst, Musik und Gamedesign in New York und kommt mit Nebenjobs und Aufträgen für Webentwickler gerade so über die Runden. Seit dem Erfolg ihres iPhone-Rollenspiels 100 Rogues träumen die beiden vom rundenbasierten Taktikspiel Auro, das sie in dieselbe Liga katapultieren soll wie Super Meat Boy, Braidund Fez.

Keith Burgun muss gar nicht so leidend schauen, schließlich hat er es geschafft, sein Runden-Taktikspiel Auro per Crowdfunding zu finanzieren - aber erst beim 2. Anlauf. Keith Burgun muss gar nicht so leidend schauen, schließlich hat er es geschafft, sein Runden-Taktikspiel Auro per Crowdfunding zu finanzieren - aber erst beim 2. Anlauf.

»Ich habe bereits über zwei Jahre in Auro gesteckt, ich habe es geschliffen, wieder und wieder und wieder«, erzählt Burgun. »Wir mussten große Opfer bringen, um überhaupt Zeit in das Spiel stecken zu können. Jeder Tag, den wir daran unbezahlt arbeiten, ist ein Tag, an dem alles auseinanderfallen könnte. Alles für nichts, weil einem das Leben einfach in die Quere kommt.«

Mit einem Publisher möchte Burgun trotzdem nicht arbeiten »Ich habe eine starke Philosophie. Spiele sind für mich keine Konsumgüter. Gute Spiele sind wie Tennis, wie Schach, wie ein Musikinstrument. Etwas, das man erlernt. Auro ist so ein Spiel und Publisher wollen das nicht haben.« Ende 2011 starten Burgun und Reynolds ihre Kickstarter-Kampagne. Sie bitten um 15.000 Dollar, um sich ganz auf Auro konzentrieren zu können.

Als Mitte 2011 erstmals auf Technikblogs und in Tageszeitungen über das Phänomen Crowdfunding berichtet wird, landen monatlich bereits über 2.000 neue Projekte auf Kickstarter. Über 10.000 haben seit dem Start der Seite ihr Finanzierungsziel erreicht, aber nur etwas über 100 davon sind Videospiele. Auro gehört nicht dazu.

Das Vorstellungsvideo ist für Außenstehende unverständlich, das unfertige Charakterdesign des titelgebenden Prinzen Auro zu obskur. Nur 3.500 Dollar wollen die 111 Unterstützer spenden. Burgun und Reynolds gehen leer aus und müssen wieder Nebenjobs annehmen, um weiter an Auro arbeiten zu können. Nicht jedes Kickstarter-Spiel wird automatisch so riesig wie das Double Fine Adventure, erst recht nicht damals, vor dem Hype.

Mit Kooperation zum Erfolg

Mit seinem Studio Double Fine schuf Tim Schafer unter anderem das abgedrehte Jump&Run Psychonauts . Mit seinem Studio Double Fine schuf Tim Schafer unter anderem das abgedrehte Jump&Run Psychonauts .

»Als ich als Produzent zu Double Fine gestoßen bin, war es meine Aufgabe, zu überlegen, ob wir nicht ein kleines Spiel, irgendwas fürs iPhone oder so, über Kickstarter finanzieren könnten«, erzählt Greg Rice. »Aber die Summen, die Spieleentwickler auf Kickstarter eingenommen haben, waren zu klein. Wir sind ein Studio mit 60 Angestellten mitten in San Francisco, das ist richtig, richtig teuer. Unsere Spiele, selbst kleinere Titel, die wir zusammen mit Publishern gemacht haben, wie Stacking oder Costume Quest, haben jeweils über zwei Millionen Dollar gekostet. Und das lag weit über dem, was auf Kickstarter gängig war.«

Selbst die erfolgreichsten Spieleprojekte sind damals meilenweit von einem Budget entfernt, das ein größeres Studio wie Double Fine brauchen würde. Als erfolgreichste Projekte entpuppen sich Spiele wie In Profundis, ein Höhlenforscher-Adventure des Spiele-Kolumnisten John Harris, der 5.000 Dollar über Kickstarter sammelt. Oder die knuffige, 20.000 Dollar schwere Raumschiff-Simulation Star Command für iOS und Android.

Ein hoffnungsloses Umfeld für Double Fine - so scheint es zumindest. »Aber dann haben wir die Dokumentarfilmer von 2 Player Production getroffen, die Tim für eine Minecraft-Doku interviewt haben«, erinnert sich Rice an den Wendepunkt, an dem sich Double Fine doch noch für Crowdfunding entschied.

»Die drei Jungs haben auf Kickstarter 210.000 Dollar für ihren Dokumentarfilm über Minecrafteingenommen. Nun wollten sie einen Film machen darüber, wie wir ein Spiel entwickeln. Und wir dachten uns Zusammen könnten wir es schaffen!« Double Fine profitierte also von der Kickstarter-Erfahrung der Filmemacher, die die unterhaltsamsten Spendenaufrufs-Videos strickten, die es für ein Spieleprojekt jemals gab. Im Gegenzug bekam 2 Player Production eine einzigartige Gelegenheit für einen Dokumentarfilm.

Alte Helden kehren zurück

Als Double Fine mit ihrer Kickstarter-Kampagne in Las Vegas die Publisher aufrüttelt, sind es aber nicht nur Fans, die aufhorchten, sondern auch eine ganze Reihe Spielemacher, die sich ähnlich wie Tim Schafer mit Klassikern aus den 80ern und 90ern einen Namen gemacht haben, dann aber in Vergessenheit gerieten.

Der erste ist Brian Fargo, der Macher des postapokalyptischen Rollenspiels und inoffiziellen Fallout-Vorgängers Wasteland. Über 2,9 Millionen Dollar sammelt Fargo für den Nachfolger Wasteland 2, das damit nach dem Double Fine Adventure zum dritterfolgreichstem Kickstarter-Projekt aller Zeiten avanciert.

Andere Designer ziehen mit Neuauflagen ihrer Klassiker nach Chris Jones und Aaron Conners mit Tex Murphy, Al Lowe mit Leisure Suit Larry, Scott Murphy und Mark Crowe mit Space Quest. Ebenfalls sehr erfolgreich ist Jordan Weisman, der für das taktische Cyberpunk-Rollenspiel Shadowrun Returns(das außer dem Tabletop-Szenario nichts mit dem durchwachsenen Shooter Shadowrun von 2007 zu tun hat) über 1,8 Millionen Dollar sammelt.

Und auch Jane Jensen, die Autorin von Spielen wie Gray Matterund der einflussreichen Adventure-Reihe Gabriel Knight, erscheint plötzlich wieder auf der Bildfläche. Von ihrer Farm an der US-Ostküste aus stellt sie über Kickstarter auf ihr neues Studio Pinkerton Road die Beine.

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